des Bureaus wie der Genossin Kähler begreiflich gemacht werden, daß er sich ja auch zum Worte melden könne. Herr Lieber folgte diesem Rath, als ihm jedoch das Wort ertheilt werden sollte, zeigte sich, daß er vorgezogen hatte, zu verschwinden. Zur Resolution wurde von Genossin Kähler ein Zusatz eingebracht, der gegen jede Besteue­rung der Lebensmittel protestirte. Nach Einfügung desselben in die Resolution wurde diese einstimmig angenommen.- Im Anschluß an die Versammlungen gegen den drohenden Brotwucher referirte Ge­nossin Kähler noch in zwei Gewerkschaftsversammlungen. In Dresden  - Altstadt sprach sie vor den Tabatarbeitern und -Arbeiterinnen über das Thema: Die Lage der Tabakarbeiter und Arbeiterinnen und wie ist dieselbe zu verbessern." Trotz der Mißstände in der Tabakindustrie war die Versammlung nur mäßig besucht, doch traten eine Anzahl von Arbeiterinnen und Arbeitern der Organisation bei. In Bitterfeld   hatte der Verband der Fabrik, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen eine öffent­liche Versammlung einberufen, die sich eines guten Besuches erfreute. Die Ausführungen der Referentin über Die Lebenshaltung der arbeitenden Klasse" fanden ungetheilten Beifall. Einzelne Dis­kussionsredner entrollten Bilder über Behandlung und Bezahlung in den Bitterfelder   Fabriken, besonders in den Ziegeleien, die jeder Be­schreibung spotten. Auch in dieser Versammlung traten eine ganze Anzahl Personen dem Verbande bei. Hoffen wir, daß die Agitation, über welche wir berichteten, besonders die Arbeiterinnen erweckt hat, so daß sie sich ihrer Pflicht bewußt geworden sind, Schulter an Schulter mit ihren Arbeitsbrüdern zu kämpfen. W. K.

In zwei glänzend besuchten Protestversammlungen gegen den Brotwucher sprach Genossin Zietz- Hamburg in Penig   und Grüna in Sachsen  . Zu der Versammlung in Penig   waren die Leute nicht nur aus dem Orte, sondern auch stundenweit aus der Umgebung herbeigeströmt, so daß das geräumige Lokal bis auf den letzten Platz gefüllt war. Einstimmig ward eine Resolution ange­nommen, welche sich gegen jede Erhöhung der Getreidezölle wendet und die Beseitigung aller Zölle auf Lebensmittel fordert. Dieselbe soll in Form einer Interpellation im Stadtverordnetenkollegium ein­gebracht werden. Verschiedene Organisationen gewannen durch die Versammlung neue Mitglieder. In Grüna gelangte die nämliche Resolution zur einstimmigen Annahme, auch die bürgerlichen Ver­sammlungsbesucher nahmen sie an. In Grüna wie in Penig   waren erfreulicher Weise die Frauen sehr zahlreich in der Versammlung ver­treten. L. Z.

In Ostpreußen   sprach Genossin Altmann- Berlin Ende Februar und Anfang März in fünf öffentlichen Versammlungen gegen den Brotwucher, für den Arbeiterinnenschutz und über den Werth der Organisation: In Elbing   fanden zwei Versamm­lungen statt, die beide gut besucht, ja überfüllt waren. In der ersten Versammlung behandelte die Referentin das Thema: Die Vertheuerung der Lebensmittel und die Arbeiterklasse." Ihre Ausführungen wurden von den Anwesenden, unter denen sich gegen 400 Frauen befanden, mit reichem Beifall gelohnt. Einstimmig gelangte die Berliner   Protest­resolution gegen die Erhöhung der Getreidezölle und die Lebens­mittelzölle überhaupt zur Annahme. Ueber Frauenloos und Arbeite­rinnenschutz" sprach Genossin Altmann in der zweiten Versammlung. Bis in die vordersten Reihen hinein standen zwischen den Stühlen und Tischen des geräumigen Saales Frauen und Mädchen der Arbeiter­klasse, wie auch bürgerliche Damen und folgten mit gespanntester Auf­merksamkeit den Ausführungen der Rednerin. Scharfe Zurückweisung erfuhr in der kurzen, lebhaften Diskussion die von einem Redner ver­tretene Meinung, daß die Frau ihr ausschließliches Thätigkeitsfeld im Hause haben müsse. Auch in den anwesenden Frauen ist die Ueberzeug­ung lebendig geworden, daß ihr Loos abhängig ist von den allgemeinen sozialen und wirthschaftlichen Verhältnissen, und daß sie somit eine gründliche Besserung desselben nur zu erwarten haben von einer Stärkung der sozialdemokratischen Partei, der einzigen energischen Sachwalterin des arbeitenden und nach Befreiung ringenden Weibes. Ungeachtet der Vorbereitungen zum Tanz gaben nämlich etwa 100 Frauen ihre Unterschrift zu der von der Vertrauensperson für Deutsch­ land   in Umlauf gesetzten Petition an den Reichstag um einen wirk­samen Arbeiterinnenschutz. In Königsberg   in Preußen hielt Ge­nossin Altmann drei Versammlungen ab. Zuerst sprach sie vor den Druckereihilfsarbeitern und Arbeiterinnen, welche bis dahin in Königsberg   noch nicht organisirt waren. Bei Beginn der Ver­sammlung bewies das Verhalten der anwesenden jungen Mädchen, daß sie zum großen Theil kaum eine Ahnung hatten, was Organi sation bedeutet und wozu man- sie eingeladen hatte, doch ihr Interesse an den Ausführungen der Rednerin wuchs von Satz zu Satz in dem Maße, als sie begriffen, daß es sich um ihre eigene Nothlage und deren Beseitigung handle. Daß es der Referentin gelungen war, das Verständniß der jungen, bis dahin fast brachliegenden Intelli­

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genzen zu wecken, zeigten die Mittheilungen, welche diese von Arbeite­rinnen über die Lohn- und Arbeiterverhältnisse am Orte erhielt. Wir werden die betreffenden Angaben gelegentlich an anderer Stelle mit­theilen. Einstimmig wurde die Gründung einer Zahlstelle des Ver­bandes der Druckereihilfsarbeiter und Arbeiterinnen beschlossen. Der Organisation traten 45 Arbeiterinnen und die in der Versammlung anwesenden Kollegen bei. Zu der von den Parteigenossen Königs­ bergs   einberufenen Protestversammlung gegen den Brotwucher, in der Genossin Altmann referirte, stand ausnahmsweise der große Saal der Bürger- Ressource zur Verfügung. Ein Nichtparteigenosse hatte ihn gemiethet und unter der Bedingung abgetreten, daß um Un­gelegenheiten für den Wirth zu vermeiden- das Thema nicht auf­reizend klingen dürfe". Wohl 1000 Personen, der Mehrzahl nach Parteigenossen, füllten den Saal. Die Referentin sprach, der auf­erlegten Bedingung gemäß, über die gute alte Zeit". Sie wies nach. daß die von den Junkern geforderte Lebensmittelvertheuerung ein Versuch sei, das Vorrecht des Adels auf Ausplünderung des Volkes aufrecht zu erhalten und zu stärken. Unter stürmischer Zustimmung der Anwesenden forderte sie diese auf, dem Reichskanzler bei seinem bevorstehenden Besuche zuzurufen, wie das Volf Ostpreußens   über den Brotwucher denkt. Einstimmig gelangte eine Resolution zur An­nahme, welche gegen die künstliche Vertheuerung der Lebensmittel protestirt. In dem Parteilokale, der Phönixhalle, referirte Genossin Altmann über das Thema:" Frauenloos und Arbeiterinnenschutz." Das Publikum dieser Versammlung bestand zum größten Theil aus Arbeiterinnen, doch hatten es auch bürgerliche Damen über sich ge­wonnen, das von ihrer Gesellschaft als Spelunke" verschrieene Lokal aufzusuchen. Die an den Vortrag anknüpfende rege Diskussion sprach dafür, daß die Frauen in Königsberg   erwacht sind, und daß selbst die hart frohndenden, schmachvoll ausgebeuteten Speicherarbeiterinnen J. A. für ihr Menschenrecht kämpfen wollen.

Notizentheil.

( Von Lily Braun   und Klara Betkin.)

Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.

Die Zahl der erwachsenen Arbeiterinnen, welche in den revisionspflichtigen Betrieben Deutschlands   beschäftigt sind, betrug am 1. Dezember 1899 798 408 von 899 983 Fabrikarbeiterinnen überhaupt.( Siehe Nr. 4 der Gleichheit".) 1898 hatte man in den betreffenden Betrieben 764 548 erwachsene Arbeiterinnen gezählt, so daß sich ihre Zahl um 33 860 oder um 4,43 Prozent vermehrt hat. Die Zahl der Anlagen, welche erwachsene Arbeiterinnen verwenden, ist von 36 484 auf 40 759 oder um 11,71 Prozent gestiegen. Auf jede Fabrik tamen 1898 im Durchschnitt 21, 1899 aber nur 19,6 erwachsene Arbeiterinnen. Die Zahl der in deutschen   Fabriken beschäftigten jugendlichen Arbeiter( männliche und weibliche zusammen) ist von Ende 1898 bis Ende 1899 von 283 458 auf 301414 gestiegen, die Zahl der Betriebe, in denen sie thätig waren, von 45 542 auf 46 779. Die in Betracht kommenden Anlagen haben mithin nur um 2,64 Prozent, die darin beschäftigten jugendlichen Arbeiter aber um 6,33 Prozent zugenommen. Auf jeden Betrieb kamen 1898 durch­schnittlich 6,2, 1899 aber 6,4 jugendliche Arbeiter. Daß die Zahl der verwendeten jugendlichen Arbeiter verhältnißmäßig stärker ge­wachsen ist, als die der erwachsenen Arbeiterinnen, erklärt sich wohl zum Theil mit dadurch, daß halbwüchsige Kinder billigere Hände" sind, als erwachsene Frauen und Mädchen. Wir haben bereits in Nr. 4 darauf hingewiesen, daß 297 387 der erwachsenen" Arbeite­rinnen im Alter von 16 bis 21 Jahren standen. Ein sehr großer Prozentsatz von ihnen müßte von Rechtswegen noch zu den jugend­lichen Arbeitern gezählt werden, die vermehrten Schutzes bedürfen.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Hungerlöhne der Arbeiterinnen in Ostfriesland  . In dem ostfriesischen Städtchen Norden wird sehr viel Frauenarbeit ver­wendet. In einer Zuckerwaarenfabrik sind etwa 50 bis 60 Frauen beschäftigt und zwar beim Abpuzzen und Verpacken der fertigen Waare, wie auch bei der Fabrikation selbst. Anfängerinnen erhalten den horrenden Lohn von 30 bis 40 Pf. pro Tag, der allmälig auf 50, 70 und 80 Pf. steigt. Der höchste zu erreichende Verdienst beträgt bei zehnstündiger Arbeitszeit eine Mark. Eine Arbeiterin, die bereits dreißig Jahre in der Fabrik beschäftigt ist, erzielt ebenfalls