Genossenschaft aufzuklären und sie nicht blos zu Mitgliedern, sondern zu einsichtsvollen Genossenschaftlerinnen zu erziehen. So bekämpft der Bund z. B. besonders nachdrücklich die ungesunde Dividendenjägerei, der gerade die Frauen, in Folge ihres seitherigen engen Gesichts­freiſes, nur zu leicht huldigen. Er sucht ferner den Einfluß der Frauen auf die Leitung und den Ausbau der Genossenschaften zu vergrößern und hat auch in dieser Beziehung schon sehr günstige Resultate erzielt. Es saßen z. B. Mitglieder des Bundes im Zentral­vorstand des großen Genossenschaftsverbandes 1, im Erziehungs­ausschuß dieses Verbandes 1, in Erziehungsfomites von Unterver bänden 7, in örtlichen Erziehungsausschüssen von Genossenschaften 163, in Geschäftsvorständen von Genossenschaften 21. Der Bund Er wirft übrigens nicht blos für die Genossenschaftsbewegung. wendet seine Aufmerksamkeit und Thätigkeit laut seines Pro­gramms auch anderen Methoden sozialer Reformen" sowie der ,, Verbesserung der Bedingungen des häuslichen Lebens" zu. Er ist mit Energie und Verständniß eingetreten für die Erweiterung und Festigung des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes, für die Ein­schränkung und Kontrolle der Erwerbsthätigkeit schulpflichtiger Kinder, für die Erweiterung der Frauenrechte in Staat und Gemeinde 2c. Eine Reihe seiner Mitglieder ſizen in Schul- und Gemeinderäthen, sowie in Armenämtern. Auch politischen Fragen wendet der Bund seine Aufmerksamkeit zu. So hat sein Zentralausschuß eine Dent schrift unterzeichnet, in der eine friedliche Beilegung des Konflikts in Südafrika gefordert wurde. Kurz, der Bund hat bisher eine be­wunderungswürdig reichhaltige Thätigkeit entwickelt.

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Sittlichkeitsfrage.

Der Uebergriff der Wiener Sittenpolizei kam mehreren eingebrachten Interpellationen zufolge im österreichischen Abgeord netenhause zur Sprache. Der Ministerpräsident sagte strenge Be­strafung der schuldigen Beamten zu, gegen welche eine Disziplinar­untersuchung bereits eingeleitet sei. Gleichzeitig hat der Polizei­präsident von Wien in einem Erlaß Reformen angeordnet, welche die Wiederkehr von Uebergriffen der Sittenpolizei verhüten sollen. Der Polizeipräsident will allmonatlich mit den Polizeibezirksleitern Konferenzen abhalten, bei denen erörtert werden sollen: alle neuen Gesetze und Verordnungen, soweit sie für den polizeilichen Dienst von Bedeutung sind; alle polizeilichen Amtshandlungen von besonderer Art; sachliche Fragen, die studirt werden müssen; spezielle Unter­weisungen 2c. An die Konferenzen schließen sich Besprechungen der Amtsvorstände mit den ihnen unterstellten Beamten, denen die er­örterten Fragen und Instruktionen zur Kenntniß zu bringen sind. In gleicher Weise sollen alle niederen Beamten und Agenten der Ordnungs und Sittenpolizei instruirt werden. Am Schlusse des Erlasses erklärt der Polizeipräsident, daß er in allen Fällen einer geflissentlichen oder fahrlässigen Nichtbeachtung der bestehenden Normen die Schuldigen unnachsichtlich zu strenger Verantwortung ziehen werde. Der imposante Protest der Frauen hat also doch etwas gebessert.

Frauenstimmrecht.

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Das Wahlrecht und die Wählbarkeit für die holländischen Frauen fordert eine neue politische Partei, die sich jüngst in den Niederlanden konstituirt hat und sich freisinnig- demokratisch" nennt. Artikel 1 ihres Programms spricht sich für die volle politische Gleich­stellung aller volljährigen holländischen Staatsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechtes aus. In Deutschland haben sich weder die Freisinnigen noch die bürgerlichen Demokraten soweit auf­geschwungen, die politische Gleichstellung der Geschlechter zu fordern, obgleich diese Forderung im Wesen des demokratischen Prinzips be­mit den gründet ist, auf das sich die Einen wie die Anderen Lippen berufen.

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Ueber die Einführung des Frauenstimmrechts im Staate Oregon soll laut Beschluß des Senats neuerdings eine Volksabstim­mung entscheiden. Bei der letzten Voltsabstimmung über die näm­liche Reform erklärten sich 48 Prozent der Abstimmenden für das Frauenwahlrecht.

Die letzte Petition für Einführung des Frauenstimm­rechts in England war von 257 000 Frauen unterzeichnet, während die erste solche Petition im Jahre 1867 nur die Unterschriften von 1499 Frauen trug.

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara 8etkin( 8undel) in Stuttgart .

Frauenbewegung.

Eine Protestbewegung der bürgerlichen Frauenrechtle­rinnen gegen die Erhöhung der Getreidezölle ist im Gange. An die Protestversammlung der radikalen" Frauenrechtlerinnen von Berlin reihen sich andere frauenrechtlerische Kundgebungen in Dresden , Hamburg 2c. an. Die Führerinnen der gemäßigten" Frauenrecht­lerinnen, Helene Lange , Alice Salomon , Auguste Schmidt , Anna Simson und Marie Stritt haben einen Aufruf an die deutschen Frauen" erlassen, in welchem sie die Gefahren erhöhter Getreidezölle kennzeichnen und zum Kampfe gegen die Pläne der Brotwucherer auffordern.

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Die Einführung einer behördlichen Hausfrauenstatistik fordert der Verband fortschrittlicher Frauenvereine" in einem Memorandum an das Kaiserliche statistische Amt. Die hauswirth­schaftliche Thätigkeit verheiratheter Frauen im eigenen Haushalt soll bei Aufstellung der Berufsstatistik berücksichtigt werden. Das Memo­randum schlägt zu diesem Zwecke vor, daß den 22 Berufsgruppen der Berufsstatistik als 23ste Hauswirthschaft hinzugefügt und in entsprechende Unterabtheilungen- Hausfrau"," Hausange= stellte" 2c. gegliedert werde. Diese Gruppe sollte ihrer Be­deutung gemäß als erste angeführt werden. Die Petentinnen wünschen, daß ihr Ansuchen schon bei der nächsten Volkszählung berücksichtigt wird, damit eine ziffernmäßige Feststellung der volks­wirthschaftlichen Leistungen der Frau auf dem Gebiete der Haus­wirthschaft möglich sei. Sie versprechen sich, daß die Durchführung ihrer Vorschläge zu einem richtigen Bilde von dem Verhältniß zwischen Versorgten und Versorgern in der Familie beiträgt, und daß in der Folge die herkömmliche Anschauung korrigirt werde, der Mann allein sei der Versorger, alle übrigen Glieder der Familie aber von ihm Versorgte. Die Neuerung soll also das Ihrige zur Hebung der sozialen Stellung des weiblichen Geschlechts beitragen.

Das Recht der Frauen, alle öffentlichen Aemter und Stellungen zu bekleiden, fordert ein Gesetzentwurf, der kürzlich im Parlament von Neu- Seeland eingebracht worden ist. Die Frauen­vereine der Kolonie lassen eifrig Petitionen zur Unterstützung des Entwurfs zirkuliren.

Ein Lesezimmer und eine Bibliothek für seine Mitglieder hat kürzlich der Allgemeine österreichische Frauenverein in Wien eröffnet.

Der Bund holländischer Frauenvereine hält seine dies­jährige Generalversammlung am 10. und 11. April in Amster­ dam ab. Am ersten Verhandlungstag soll Abends eine große öffent­liche Versammlung stattfinden, in welcher drei Damen und zwei Herren die Frage des Frauenstimmrechtes behandeln werden. Die Generalversammlung wird Berichte der Bundesvereine hören, die auf dem Gebiet der Sittlichkeitsfrage, der politischen Frauenrechte, des Gewerkschaftswesens und des Frauensports thätig sind.

Eine Rechtsschutzstelle für Frauen in Dessau ist von den Frauenrechtlerinnen gegründet worden. Die Einrichtung steht unter dem Protektorat der verwitweten Erbprinzessin Leopold und wird seitens der städtischen Behörden gefördert.

Die Wählbarkeit der Frauen in die Schulpflege und in die Armenpflege hat der Große Stadtrath zu Winterthur in einer Petition an den Kantonsrath gefordert. Genosse Dr. Studt hatte die Wählbarkeit der Frauen in die Schulpflege und Genosse Pfarrer Reichen ihr passives Wahlrecht zu der Armenpflege be­antragt und begründet. Beide Anträge gelangten zur Annahme, doch ist leider wenig Aussicht vorhanden, daß der Kantonsrath dem ge­forderten Fortschritt zustimmt.

Verschiedenes.

Zu dem Artikel über Multatuli in Nr. 5 und 6 der Gleich­heit" wird uns aus Leserkreisen Folgendes geschrieben: Mit Recht sagte der Verfasser, daß Multatulis Werke besonders von den Frauen gelesen werden sollten, und er wies dabei auf die bei Bruns er­schienenen Uebersetzungen hin. Diese kosten aber 4,50 Mt. pro Band. Das ist ein Preis, den sicherlich Arbeiterinnen, aber auch noch recht viele andere Leute nicht zahlen können. Es sei deshalb darauf auf­merksam gemacht, daß eine gute Uebersetzung des May Havelaar" in der Hendelschen Bibliothek zum Preise von 1 Mt. erschienen ist. Bei Besprechung guter Bücher sollte womöglich immer angegeben werden, wo solche zu billigem Preise erschienen sind. Der Buch­händler, an den sich der Leser vielleicht wendet, hat durchaus nicht die gesammte deutsche Literatur im Kopfe und wenn schon, so empfiehlt er doch natürlich meist das, was er auf Lager hat und woran er am meisten verdient."

Drud und Verlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .