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industrielle Proletariat Italiens aufzufordern, gelegentlich der Mai­feier die seinen Zukunftshoffnungen und wichtigsten Augenblicks­forderungen gilt mit allem Nachdruck dafür einzutreten, daß das Gesetz für Frauen und Kinder eine übermäßig anstrengende und ungesunde Arbeit verbietet. Denn durch eine solche Arbeit wird das einzige Erbtheil bedroht, über welches das Proletariat ver­fügt: Gesundheit und Lebenskraft, und dies zum größten Schaden des gesammten Volkes, ja der Menschheit, insbesondere aber des Proletariats, das zur Führung seines Eristenzkampfes wie seines Klassenkampfes gegen die kapitalistische Ordnung eines gefunden Nachwuchses bedarf.

Das männliche Proletariat ist gegenwärtig davon überzeugt, daß es für sich selbst weder den Achtstundentag noch all die gün= stigeren Arbeitsbedingungen erlangen wird, welche im Intereſſe seines sozialen Aufstiegs und seines erfolgreichen Kampfes für eine höhere soziale Ordnung unerläßlich sind, so lange ein zahlreiches Heer weiblicher Proletarier vorhanden ist, welche sich mit den längsten Arbeitstagen und den schmachvollsten Bettellöhnen abfinden müssen. Es heischt deshalb energisch einen wirksamen gesetzlichen Schutz für die Lohnarbeiterinnen, für die ausgebeuteten Kinder nicht nur als Selbstzweck, sondern auch als Mittel zum Zwecke, seine eigene Lage zu heben, seine Kampfestüchtigkeit zu steigern. Wie in Italien so wird auch in anderen Ländern das klassen­bewußte Proletariat beweisen, daß es aufgeklärt und willensstark hinter den Forderungen zu Gunsten der Arbeiterinnen steht.

Was weder Nationalökonomen noch andere Gelehrte, weder Philanthropen noch Ethiker der kapitalistischen Gesellschaft ab­geschmeichelt oder aberbeten haben, das werden ihr gewiß mit der Zeit die international geeinten Arbeiter und Arbeiterinnen aller Länder abtrogen. In dieser festen Ueberzeugung sende ich den deutschen Genossinnen, die seit Langem für einen besseren gesez­lichen Schutz der Lohnarbeiterinnen kämpfen, herzliche Schwester­grüße, herzliche Maigrüße.

Wenn sie zusammen mit dem internationalen Proletariat zu fämpfen verstehen, so werden sie mit ihm zu siegen wissen. Mailand , Ende April 1901.

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wirthschaftlich thätig sind. Trotzdem berichten einzelne Oberämter über eine gewerbliche Arbeitszeit, die sich von 3 Uhr am Nachmittag bis in die Nacht hinein erstreckt. Aus den Mittheilungen für Sachsen­Anhalt geht hervor, daß dort die Kinderarbeit in der Rohrdecken­fabrikation und Rohrflechterei unter großer Anstrengung" meist bis 10 Uhr Abends dauert; das Tragen von Ziegelsteinen besorgen Kinder in der Zeit von 1 bis 6 Uhr Nachmittags und wer­den dabei sehr abgespannt". Wohl glaublich! Ist doch Steine­abtragen eine Arbeit, von der ein Unternehmer* aussagte: Wer zwei Jahre Steine abgetragen hat, ist im Leben zu nichts mehr zu gebrauchen." Zwischen 3 und 50 Stunden wöchentlich beträgt die Arbeitszeit der gewerblich thätigen Kinder in Greiz ( Reuß ä. L.), am längsten dauert sie in der Zigarrenindustrie. In schlecht ventilirten, engen Räumen, in großer Anzahl zusammengepfercht, ar­noch länger für einen Wochenlohn von 1,20 bis 1,50 Mt. beiten die Kinder dort 60 Stunden wöchentlich und in den Ferien = 2 bis 212 Pf. pro Stunde. Anschließend sei hier gleich bemerkt, daß diese Stelle des Berichtes die einzige ist, die eine Lohnangabe in Ver­bindung mit der Angabe der Arbeitszeit enthält, ein Verfahren, das, gleichmäßig durchgeführt, einen sachlichen Ueberblick ermöglicht und den Werth des Berichtes um ein Bedeutendes erhöht hätte.

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Ganz unerhört aber ist, was über die Länge der Arbeitszeit der Kinder aus den Mittelpunkten der Hausindustrie, insbesondere der Spielwaarenfabrikation berichtet wird. Im Kreise Sonne­ berg dauert die Arbeit zeitweise

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4 Schulgemeinden bis 9 Uhr Abends

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2

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3 die ganze Nacht gegen Weihnachten .

In 62 Hausindustrieorten von Koburg- Gotha beträgt die

Arbeitszeit

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Von diesen Orten hatten für die

Entwicklung der Kinder Nachtheile teine Nachtheile

11

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bei 13 Orten bis 3 Stunden

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Anna Kulischoff, Dr. med.

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Arbeitszeit, Arbeitslohn und Arbeitsschutz der gewerblich thätigen Kinder.*

Von Henriette Fürth , Frankfurt a. M.

Preußen hat bei seiner Aufnahme über die Arbeitszeit der gewerblich thätigen Kinder nur diejenigen von ihnen aufgeführt, die länger als drei Stunden täglich gewerblich arbeiten. Das ist ein preiswerthes Vorgehen, da es uns in den Stand setzt, von vornherein die Arbeitszeit der noch verbleibenden 110 682 Kinder, die 41,05 Pro­zent aller als gewerblich thätig ermittelten Kinder darstellen, als un­zulässig und gesundheitswidrig zu erklären. Die Rechnung, die dieser Erklärung zu Grunde liegt, ist leicht gemacht. 4 Stunden Schul­unterricht, 1 Stunde für Schulaufgaben, 3 Stunden gewerbliche Arbeit 8 Stunden Tagesarbeit. Ich meine, das wäre für ein Kind genug und mehr als genug, da die Zeit, welche auf den Weg zur Schule und von der Schule, eventuell auch zur Arbeit und von der Arbeit verwendet werden muß, gar nicht einmal mit eingerechnet ist. Die gesundheitswidrige längere Arbeit haben 75 842 Knaben und 34840 Mädchen zu leisten, und zwar müssen 63 554 Schulkinder an allen 7 Tagen der Woche mehr als 3 Stunden erwerbsthätig sein. Was das in Wirklichkeit bedeutet, können wir einer kleinen Schilderung aus der schlesischen Schachtelfabrikation entnehmen. Es heißt dort:** Eine Mutter mit drei Kindern bringt in der Woche höchstens 3000 bis 4000 Schachteln zu Stande. Aber dann müssen die armen Kleinen früh um 4 Uhr aus dem Bette. Dann, nach der Schule, dauert die Situng bis 8 Uhr Abends, gewöhnlich aber bis 9 Uhr, wenn Noth an Mann kommt, noch länger." In Rheinland- West= falen können die kindlichen Steineflopfer bei 11 bis 12 stündiger Tagesarbeit 50 bis 60 Pf. verdienen. Man sieht, das mehr als drei Stunden" gewerblicher Tagesarbeit ist ein recht dehnbarer Begriff. In Württemberg arbeiten die meisten gewerblich beschäftigten Kinder nicht länger als 3 Stunden, weil sie daneben noch land­

* Siehe Nr. 3 und Nr. 5 der ,, Gleichheit".

** Lange ,,, Hausindustrie in Schlesien ".

Danach wird hier in zwei Fällen behauptet, daß eine Arbeits­zeit von 8 Stunden neben der Schule keine Nachtheile für die Ent­wicklung der Kinder im Gefolge habe. Der Fabrikinspektor des Landes hat dagegen eine gewerbliche Arbeit von 4/2 Stunden als das Höchst­maß dessen bezeichnet, was ohne Beeinträchtigung der Gesundheit und der Schulpflichten geleistet werden kann. Ich habe bereits be­tont, daß dieses zulässige Höchstmaß" schon eine bedauerliche Ueber­bürdung darstellt. Uebrigens spricht der einsichtige Fabrikinspektor an anderer Stelle seine Ansicht dahin aus, daß der für die Verhält­nisse der dortigen Gegend immerhin beträchtliche materielle Gewinn, der aus der hausindustriellen Kinderarbeit fließt, die mit ihr ver­bundenen Schäden und Uebelstände nicht aufzuwiegen vermag.

Wie hoch beläuft sich der materielle Gewinn, der aus der Kinderarbeit gezogen wird? Nur Mecklenburg - Streliz, Sachsen­Koburg- Gotha, Sachsen- Meiningen , Anhalt, Schwarz­ burg Rudolstadt und Reuß ä. L. machen Angaben über die Höhe der Löhne. Für die übrigen Staaten muß also mit den Berichten angenommen werden, daß die arbeitenden Kinder auch dann, wenn sie für fremde Gewerbetreibende thätig sind, häufig keinen baaren Lohn, sondern nur Kost und Logis erhalten.

Von 213 Kindern in Mecklenburg , die, wie wir an anderer Stelle erfahren, bis zu 7 Stunden täglich arbeiten müssen, erhalten 2 einen monatlichen Lohn von 0,50 Mt.

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84 theilweise oder volle Beköstigung oder Trinkgeld.

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Bericht der preußischen Gewerbeinspektion, Regierungsbez. Erfurt , 1897.

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Man beachte die letztere Angabe: oder Trinkgeld!"

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