- - --— Perbande lg neue Mitglieder gewann. Einen ungemein starken Besuch wies auch die Versammlung in Reichenbach auf, obgleich am Sonntag zuvor eine Protestversammlung gegen den Brotwucher stattgefunden hatte. 30 Frauen traten hier dem sozialdemokratischen Verein bei und 28 Personen dem Textilarbeiterverbande. In Reichenbach sieht man deutlich den Erfolg eines gemeinsamen Arbeitens von Genossen und Genossinnen. Die gut besuchte Versammlung in Klein-Zschocher brachte 12 Neuaufnahmen. In Eilen bürg war fast alles unterlassen worden, um Propaganda für die Versammlung zu machen, die entsprechend schlecht besucht war. Ebenfalls traurig besucht war die Versammlung in Schönefeld , wo sich die Genossen alle Mühe gegeben haben, die so miserabel entlohnten Textilarbeiter und-Arbeiterinnen zu organisiren. Die Wahrheit des Wortes bestätigt sich hier wieder, daß große Roth die Menschen abstumpft und lethargisch macht. In Mittweida wohnten der gutbesuchten Versammlung auch viele Frauen bei, 19 neue Mitglieder wurden dem Verbände gewonnen. Leider fand die Versammlung dadurch ein vorzeitiges Ende, daß der überwachende Beamte der Genossin Zieh das Wort entzog, weil sie es kritisirte, daß dieser bei der Eröffnung der Versammlung verlangt hatte, die Minderjährigen auszuweisen, obgleich ein rein wirthfchaftliches Thema behandelt wurde. Als die Referentin darauf verwies, daß den Arbeiiern im§ 152 der Gewerbeordnung nicht nur das Recht der Vereinigung, sondern auch das der Verabredung ausdrücklich zugestanden sei und die Gesetze auch von den Beamten respektirt werden sollten, wurde ihr vom Ortsgewaltigen durch die Wortentziehung demonstrirt, daß das im lieben Sachsenlande wahrscheinlich anders sei. In Frankenberg stellten die Frauen sicher zwei Drittel der äußerst zahlreich erschienenen Versammlungsbesucher, besonders gut waren die organisirten Tabakarbeiterinnen vertreten. Es wurden 14 neue Mitkämpfer gewonnen. Auch in Limbach, wo die Referentin über die wirthschaftliche Krise und die Zollpolitik sprach, war der Besuch der Versammlung ein guter. Die Arbeiter Lunzenaus müssen sich, da alle Säle abgetrieben sind, mit einem kleinen Lokale begnügen, das bald überfüllt war. Nach dem Referat traten verschiedene Personen dem Textilarbeiterverbande bei, und es wurde der Grund gelegt für eine Zahlstelle des Fabrikarbeiterverbandes. In den Papierfabriken des Muldethales sind sehr viele Arbeiter beschäftigt, von denen bisher nicht ein einziger organisirt war. Gewöhnlich ist es im Sachsenlande die Polizei, die den Referenten Feiertage verschafft durch Versammlungsverbote. Ausnahmsweise war es einmal Petrus , der durch einen gewaltigen Schneesturm am Tage des„Frühlingsanfangs" die Versammlung in Leisnig illusorisch machte. Das Lokal liegt etwa 29 Minuten außerhalb der Stadt, und auf dem Wege dahin wären der Vertrauensmann und Genossin Zieh fast in den Schneewehen stecken geblieben. Bis ans Knie, mitunter bis an die Brust versanken beide im Schnee, so daß 1'/- Stunde verging, bevor sie den Weg zurückgelegt hatten und durchnäßt und halb erstarrt im Lokal ankamen. Selbstverständlich kehrte» die Versammlungsbesucher auf halbem Wege um, denn es schneite und stürmte noch unausgesetzt weiter. In Burgstädt ist leider auch nur ein kleines Lokal für Versammlunge» zu haben. Die dortigen Genossinnen versprachen, in allernächster Zeit Stellung zur Wahl einer weiblichen Vertrauensperson zu nehmen, um etwas mehr Leben unter die weiblichen Arbeiter zu bringen. Bis auf den letzten Platz gefüllt war die Versammlung in Lichtenstein, die dem Verbände einen Mitgliederzuwachs von 12 Personen brachte. Das kleine Lokal in Bautzen war zeitig dicht besetzt, jedoch meist von organisirten Arbeitern. In der Versammlung waren auch mehrere Meister aus Fabriken anwesend, betheiligten sich aber leider nicht an der Diskussion. In der Versammlung in Großschünau waren zunächst einige uni- formirte Beamte zur Ueberwachung erschienen. Als Genossin Zieh das Schlußwort erhielt, kam jedoch noch der Herr Ortsvorsteher in höchsteigener Person- Die Reserentin nahm in ihrem Schlußworte auf die überaus traurigen Löhne am Orte Bezug, ganz besonders aber auf die Löhne der Frauen, die mindestens drei Viertel sämmt- licher Textilarbeiter von Großschönau ausmachen. Sie erklärte, man müsse in Zukunft weit mehr Gewicht auf die mündliche Agitation legen, um die Arbeiterinnen zur Mitarbeit heranzuziehen, ihnen klar zu machen, daß sie sich nur durch eigene Kraft aus dem Sumpfe emporarbeiten könnten, da sie von Seiten der Unternehmer, ja des ganzen Bürgerthums nichts zu erwarten hätten. Daraufhin unterbrach der Ortsvorsteher die Rednerin mit der Bemerkung:„Ich rufe Sie zur Ordnung!" Genossin Zieh sagte dem Herrn, daß man sich nicht im Reichstag befände, und daß er nicht Präsident desselben sei. Der spaßige Mann erwiderte darauf, er habe den Vorsitzenden ge meint. „Nun. der hat ja nichts gesagt", entgegnete die Referentin, „wenn Sie jedoch der Ansicht wären, derselbe solle mir einen Ordnungsruf erlheilen, so wird er wohl nicht so thöricht sein, der Anregung stattzugeben." Unter lebhaftem Beifall fragte Genossin Zieh »och zum Schlüsse, wer der Herr sei, der so viel zur allgemeinen Erheiterung beigetragen habe. Soviel sie gesehen, habe sich derselbe keineswegs als Beamter legitimirt und sei deshalb nicht anders als jeder übrige Versammlungsbesucher zu behandeln. Am andern Morgen zeitig ließ der Herr Ortsvorsteher den Vorsitzenden der Versammlung kommen und suchte sein Vorgehen zu beschönigen. In Kamenz und Großenhain sind leider auch nur kleine Lokale zur Verfügung, ein Umstand, der die ganze Agitation natürlich außerordentlich erschwert. In Kamenz hatte der überwachende Beamte nicht gehört, daß einem Diskussionsredner das Wort ertheilt worden war. Er unterbrach deshalb denselben und erklärte, der Redner dürfe nicht früher weiter sprechen bis die Wortertheilung erfolgt sei.„Ich bin hier", so meinte er allen Ernstes,„um über die Aufrechterhaltung parlamentarischer Ordnung zu wachen." Merkwürdigerweise stimmte dem ein Versammlungsbesucher bei. Derselbe vertrat die Ansicht, daß der Ueberwachende ein guter Beamter sei, und daß man ihm deshalb den Gefallen thun und seiner Ausforderung entsprechen könne. Des Weiteren zieh er Genossin Zieh der Quertreiberei, weil sie dem Beamten klar machte, daß es nicht seine Sorge sei, sondern Sache des Vorsitzenden, über die Aufrechterhaltung der parlamentarischen Ordnung zu wachen. Es giebl Käuze, die sich auf solche Weise„lieb Kind" zu machen suchen. Etwa 299 neue Mitglieder wurden dem Verband der Textilarbeiter in Folge der letzten Agitationstour zugeführt. Für den Arbeiterinnenschutz hielt Genossin Ihr erPankow eine Reihe von Agitationsoersammlungen in Hamburg und seinen Vororten ab. sowie in den zum Hamburger Gebiet gehörenden Orten Bergedorf , Geesthacht , Fuhlsbüttel , ferner in Altona , Ottensen und Wandsbeck. Die meisten Versammlungen waren gut besucht und zwar erfreulicher Weise überwiegend von Arbeiterinnen. In den Geesthachter Pulverfabriken war den Arbeiterinnen der Besuch der Versammlung untersagt worden! Unsere Forderungen, den Arbeiterinnenschutz betreffend, fanden überall bestes Verständniß und volle Zustimmung. kl. ä. Eine zweite Agitationstour zu Gunsten des Arbeiterinne n- schutzes unternahm Genossin Ihrer Mitte März durch Schlesien . Die Verhältnisse bedingten es, daß neben der Frage des Arbeiterinnenschutzes die der Erhöhung der Getreidezölle vielfach behandelt wurde. Die erste Frauenversammlung fand in Tschicherzig statt, einem Schifferdorf an der Oder. Hier waren zum ersten Male die Frauen zur Antheilnahme an einer Versammlung aufgefordert worden, und der Erfolg war ein außerordentlicher. Das Lokal war von Frauen und Mädchen angefüllt, von denen viele den Männern bei ihrer schweren Arbeit auf den Schiffen helfen. Auch Landarbeiterinnen waren in stattlicher Zahl vertreten, die männlichen Besucher mußten sehen, wo sie ein freies Eckchen fanden. Die Referentin sprach über: „Die rechtliche Stellung der Frau in Staat und Gesellschaft und was müssen wir zum Schutze der Arbeiterinnen fordern?" Die Ausführungen wurden vielfach von Beifall und Zustimmungsrufen unterbrochen. Nachdem Genosse Stolpe-Grüneberg noch die in Aussicht stehende Vertheuerung des Brotes besprochen, fand unsere Resolution über den Arbeiterinnenschutz einstimmige Annahme. Sehr lebhast wurde von den ZuHörerinnen der Wunsch geäußert, es möge bald wieder eine Versammlung für Frauen stattfinden. Die für Sonnabend in Grüneberg angesetzte Volksversammlung wurde durch die Polizeibehörde gehindert, weil diese angeblich die Anmeldung erst am Morgen des Versammlungstags vorgefunden hatte, so daß die durch das preußische Vereinsgesetz vorgeschriebene Frist von 24 Stunden nicht eingehalten war. Die Anmeldung war am Freitag früh kurz vor 8 Uhr in den Briefkasten der zuständigen Behörde geworfen worden, und der Einberufer durfte wohl mit Recht annehmen, daß der Kasten wenigstens einmal während der Amtsstunden des Tages geleert würde. Am Sonnabend Abend kamen die Arbeiterinnen in großen Gruppen zum Versammlungslokal; die dahin führende Straße war aber mit Polizeimannschaften so stark besetzt, als befände sich das Lokal im Belagerungszustande. In höflichster Form wurde den Arbeiterinnen von den Beamten mit- getheilt, daß die Versammlung nicht stattfinden könne. Wollte man vielleicht verhindern, daß Alle das Plakat an der Eingangsthür lasen, welches eine Versammlung für Sonntag Vormittag 11 Uhr ankündigte? Trotz der ungünstigen Zeit war diese Versammlung stark von Frauen und Mädchen besucht.„Wir haben heule die Kocherei verschoben bis nach der Versammlung", so hörte man überall. Die Reserentin sprach über:„Lebensmittelvertheuerung und was müssen wir zum Schutze der Arbeiterinnen fordern?" Auch hier fand eine Resolution im Sinne der Ausführungen einstimmige Annahme. Am Nachmittag des nämlichen Tages fand in Freistadt eine zweite Versammlung statt. In den Textil- und Schuhfabriken des kleinen Städtchens sind viele Arbeiterinnen beschäftigt, und zwar
Ausgabe
11 (8.5.1901) 10
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten