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amte fürchtet ferner Zunahme des Konkubinats, Mangel an Arbeits­fräften, weitere Entziehung derselben der nothleidenden Landwirth­schaft, Preissteigerungen. Wir wollen diese Gründe nicht im Ein­zelnen erörtern, wir begnügen uns mit der Feststellung, daß die württembergischen Aufsichtsbeamten, wenn auch nicht aus den gleichen Erwägungen, ein Verbot der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen nicht für möglich halten.

VII. Andere Vorschläge.

Aus Anlaß der stattgefundenen Erhebung wurden mannigfache Vorschläge gemacht, um den Frauen den Erwerb in den Fabriken zu ermöglichen, ohne daß sie so lange wie bisher den Kindern und dem Haushalt entzogen würden. So manche dieser Vorschläge scheinen freilich auf indirektes Verbot der Arbeit verheiratheter Frauen hin­zuzielen, so zum Beispiel wenn die Arbeiterschaft von Ravensburg und Göppingen die wöchentliche Arbeitszeit derselben auf 40% Stunden beschränken und die Arbeiterinnen vor und nach der Niederkunft 10 Wochen von der Fabrik fernhalten will. Andere wollen gar eine Verkürzung der Arbeitszeit verheiratheter Frauen auf 36 Stunden. Es dürfte, würden solche Forderungen verwirklicht, bei gleich­bleibender Arbeitszeit der anderen Arbeiterkategorien eine Beschäf= tigung verheiratheter Frauen kaum dem wohlwollenden Unternehmer möglich sein. Thatsächlich wagen ja die verheiratheten Arbeiterinnen nur äußerst selten, von dem ihnen im§ 137 der Gewerbeordnung eingeräumten Rechte auf 1% stündige Mittagspause, wenn sie ein Hauswesen zu besorgen haben, Gebrauch zu machen, da dies die Unternehmer bei der Beschäftigung anderer Arbeiter stören und so zum Anlaß einer Nichtbeschäftigung der betreffenden Arbeiterinnen führen würde. Die Zulassung der Frauen in die Fabriken von einem ärzt­lichen Zeugniß abhängig zu machen, erscheint auch bedenklich, so lange feine Garantie gewährt werden kann, daß diese Frauen anders ihre Existenz finden, und daß sie hierbei nicht viel länger und in unge­nügender Weise künftig als bisher beschäftigt werden würden. Eine Absonderung der schwangeren und säugenden Arbeiterinnen wird von diesen selbst wohl nur ausnahmsweise gewünscht. Befürwortet kann dagegen werden die mehrfach geforderte längere Schonzeit für Wöch­nerinnen, freilich muß dann durch entsprechende Aenderung des Krankenversicherungsgesetzes auch die Möglichkeit geschafft werden, daß sich die Frauen während dieser schweren Zeit entsprechend nähren und pflegen können, ferner müssen Garantien gesucht werden, daß nicht die viel bedenklichere Heimarbeit an Stelle der Beschäftigung in den Fabriken tritt.

Eine wahre Geschichte.

Wort für Wort wiederholt, wie ich sie gehört habe. Von Mark Twain .

Es war Sommer und Dämmerstunde. Wir saßen unter dem Vordach des Farmhauses auf dem Gipfel des Hügels, und Tante Rachel" saß respektvoll ein wenig tiefer auf den Treppenstufen denn sie war unsere Dienerin und farbig. Ihr Wuchs war hoch, ihre Gestalt fräftig gebaut; sie mochte sechzig Jahre alt sein, aber ihr Auge war ungetrübt und ihre Kraft ungeschwächt. Sie war eine heitere, freuzbrave Seele, und das Lachen machte ihr nicht mehr Mühe als einem Vogel das Singen.

Jetzt stand sie im Feuer, wie gewöhnlich, wenn der Tag vorüber war, d. h. sie wurde ohne Gnade und Barmherzigkeit ge= neckt, und das machte ihr großen Spaß. Immer von Neuem brach sie in schallendes Gelächter aus und saß dann da, das Gesicht in die Hände vergraben, während ihr Körper sich vor Lust schüttelte, die sie aus Mangel an Athem nicht in Worte aus­zudrücken vermochte. In einem solchen Augenblick kam mir ein Gedanke, und ich sagte: Tante Rachel, wie kommt es, daß Du sechzig Jahre alt geworden bist und nie einen Summer gehabt haft?"

Sie hielt inne mit Lachen, und einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann wandte sie das Gesicht über ihre Schulter nach mir um und sagte, ohne auch nur die Spur eines Lächelns zu zeigen: Herr C., ist das Ihr Ernst?"

Das überraschte mich nicht wenig, und es ernüchterte zugleich mein Wesen und meine Rede. Ich erwiderte:

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" Je nun, ich dachte das heißt, ich meinte ei, Du kannst doch keinen Summer gehabt haben. Ich habe Dich nie seufzen hören und nie gesehen, daß Dein Auge ohne Lachen ge= wesen wäre."

Jezt blidte sie mir voll ins Gesicht und war sehr ernst.

VIII. Schlußergebnisse.

Je komplizirter ein Industriebetrieb ist, je mehr die Arbeiter Hand in Hand arbeiten, je weniger die Arbeit Einzelner unabhängig gestaltet werden kann von derjenigen der übrigen Arbeiter, desto schwie­riger wird es, für die kleine Minderheit der beschäftigten Personen an­dere Dauer der Arbeitszeit, andere Pausen einzurichten. Handelt es sich um die Mehrheit oder eine sehr starke Minderheit der Arbeiter, wie 3. B. beim Elfftundentag der Arbeiterinnen in den Textilfabriken, dann wird die allgemeine Arbeitszeit auf diese Dauer beschränkt, sonst aber tritt für Vollarbeiter also nicht für Kinder die Ge fahr ein, daß sie, abgesehen von den sehr seltenen Zeiten sehr starker Nachfrage nach Arbeitskraft, überhaupt nicht verwendet werden. Deshalb haben wir entsprechend unserer Programmforderung nach dem Achtstundentag eine allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit zu fordern. Wir haben für stärkeren Wöchnerinnenschutz und entsprechende Aenderung des Krankenversicherungsgesetzes zu Gunsten der Wöchne­rinnen einzutreten. Mit aller Entschiedenheit müssen wir uns aber gegen ein Verbot der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen erklären, weil wir dasselbe im Rahmen unserer Wirthschaftsordnung für eine Utopie halten, deren Verwirklichung von der Industrie nicht zugestanden wer­den, deren Verwirklichung die Arbeiterinnen schwer schädigen und ihnen den erwünschten und wünschenswerthen Nußen nicht bringen würde. Wir wollen hier nicht all die Gründe gegen das Verbot der Fabrikarbeit anführen, nur einen allein ausschlaggebenden scharf be­tonen: Das Verbot der Fabrikarbeit verheiratheter Frauen würde diese zwingen, bei ungesünderen Verhältnissen, längerer und unkon­trollirbarer Arbeitszeit ihren Erwerb in der Hausindustrie zu suchen. Heute, wo nicht nur wir, sondern alle einſichtigen und sachkundigen Sozialpolitiker und Aerzte die Ueberführung der Hausindustrie in Betriebswerkstätten fordern, wäre es ein mehr als verhängnißvoller Rückschritt, eine sozialpolitische Reaktion, das Verbot der Fabritarbeit verheiratheter Frauen aussprechen zu wollen.

Aus der Bewegung.

a. br.

Von der Agitation. Im Auftrag des Gauvorstandes der Fabrikarbeiter für Württemberg unternahm Genossin Zieh­Hamburg vom 11. bis 27. April eine Agitationstour durch das ,, Schwabenländle". Versammlungen fanden statt in Stuttgart , Cannstatt, Untertürkheim , Münster , Gaisburg , Zuffen=

Ob ich Summer gehabt habe? Herr C., ich will's Ihnen erzählen, dann können Sie selbst urtheilen. Ich wurde unter den Sklaven geboren; ich weiß sehr wohl, was Sklaverei ist ich habe sie selbst durchgekostet. Sehen Sie, mein Alter - das heißt mein Mann der liebte mich und war gütig gegen mich, gerade so gütig, wie Sie gegen Ihre eigene Frau sind. Und wir hatten Kinder sieben Kinder- und die liebten wir gerade so, wie Sie die Ihrigen lieben. Sie waren schwarz, aber unser Herrgott kann die Kinder noch so schwarz machen, ihre Mutter wird sie doch lieben und würde sie nicht aufgeben, nein, nicht um alles in der Welt!

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Sehen Sie, ich wurde im alten Virginia erzogen, aber meine Mutter war in Maryland aufgewachsen; und bei meiner Seele, sie war schrecklich, wenn man sie reizte! Meiner Treu! dann flogen die Haare nur so umher! Wenn sie in Wuth kam, hatte sie immer ein Wort, das sie sagte. Sie reckte sich stramm in die Höhe, stemmte die Fäuste in die Hüften und rief: Hört mal, ich will Euch was sagen, ich bin nicht geboren, um Euch Lumpen­gesindel zum Spotte zu dienen; ich bin eins von der alten blauen Henne ihren Kücken, daß Ihr's nur wißt!" So nennen sich nämlich die Leute, die aus Maryland gebürtig sind, und sind stolz darauf.

Also das war immer ihre Rede. Ich werde es nie vergessen, weil sie es so oft sagte und auch eines Tages, als mein kleiner Henry sich am Handgelenk verlegt hatte und sich beinahe den Kopf zerschlagen hätte, gerade oben an der Stirn, und die Nigger ihm nicht rasch genug zu Hilfe eilten. Als sie etwas erwiderten, fuhr meine Mutter auf und sagte: Holla!" sagte sie ,,, ich will Euch Nigger lehren, daß ich nicht zum Spotte für Euch Lumpengesindel geboren bin! Ich bin eins von der alten blauen Henne ihren Rücken, daß Ihr's nur wißt!" Damit rannte sie aus der Küche und verband das Kind selber. Drum sage ich das Wort auch, wenn ich böse werde. ( Fortsetzung folgt.)