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entfaltet der Verband der Schneider, Schneiderinnen und verwandter Berufsgenossen Deutschlands seit längerer Zeit eine intensive Agita tion, die sich aber in Folge der ausgedehnten Hausindustrie äußerst schwierig gestaltet und ganz bedeutende Opfer erfordert. Wir er­lauben uns deshalb, uns an die politisch und gewerkschaftlich organi­sirte Arbeiterschaft zu wenden, damit sie uns bei dieser Arbeit zur Seite stehen möge. Es dürfte nicht wenige unter ihnen geben, die mit Heimarbeitern und Arbeiterinnen unserer Branche in einem Hause wohnen und deshalb in der Lage sind, agitatorisch auf die­selben einzuwirken, um sie der Organisation zuzuführen und somit der Arbeiterbewegung im Allgemeinen und unserem Vorhaben. speziell zu dienen. Denn hier handelt es sich nicht um das Interesse der Schneider und Schneiderinnen allein, sondern um das der gesammten Arbeiterschaft. Sind es doch in der Mehrzahl die Frauen und Töchter der Arbeiter, die weil der Verdienst der Männer nicht ausreicht gezwungen sind, sich in den verschiedenen Branchen der Konfektion abzuplagen, um etwas mit zum Familienunterhalt bei­zutragen, und beeinflußt deshalb eine Hebung der wirthschaftlichen Lage dieser Arbeiter und Arbeiterinnen durch die Organisation weit über den Rahmen der unmittelbar Interessirten hinaus das Haus haltsbudget Tausender von Arbeiterfamilien. Wir dürfen deshalb wohl erwarten, daß uns die Organisirten aller Branchen, sowohl im idealen wie materiellen Interesse bei der Agitation unterstützen, um den grauenhaften Zuständen, die in der Konfektion herrschen und namentlich durch den Streik und die Erhebungen der Reichskommission für Arbeiterstatistik im Jahre 1896 zu Tage traten, ein Ziel zu sehen. Um die Agitation wirksamer zu gestalten, giebt der Vorstand unter dem Titel Der Konfektionsarbeiter" ein besonderes Agitations­organ heraus, welches monatlich gratis vertheilt wird, und können namentlich auch die Gewerkschaftskartelle 2c. durch Verbreitung des selben thätig mitwirken. Bestellungen auf dieses Organ und sonstige diesbezügliche Anfragen wolle man richten an Fr. Holzhäußer, Stuttgart , Gutenbergstraße 106 III."

Die Liga der englischen Arbeiterinnen- Gewerkvereine hielt fürzlich ihre Jahresversammlung unter dem Vorsitz der Lady Dilke ab. Der Liga gehören 50 Vereine und Verbände an, die insgesammt 40 000 bis 50000 Arbeiterinnen umschließen sollen. Der größte Theil der organisirten englischen Arbeiterinnen ist bekanntlich nicht in den Nur- Frauen- Gewerkvereinen zu finden, sondern in den Gewerkschaften, welche männliche und weibliche Arbeiter eines Berufs umschließen. Die Organisationen letzterer Art bieten ihren Mitgliedern in jeder Hinsicht mehr, als die materiell meist schwächlichen Nur- Frauen­Gewerkvereine.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Frauenarbeit in Bremen . Der soeben erschienene erste Jahres­bericht des Arbeitersekretariats Bremen enthält auf 51 Seiten eine bedeutungsvolle Untersuchung über die Frauenarbeit in den Fabriken, sie ist veranlaßt durch den bekannten Reichstagsbeschluß, Erhebungen über die Beschäftigung verheiratheter Frauen in den Fabriken anzu­stellen, sie geht aber weit über die Grenzlinie dieser Erhebung hinaus, da sie auch auf die Verhältnisse der unverheiratheten Arbeiterinnen ausgedehnt wurde. Ganz richtig gingen die Gewerkschaften bei dieser Maßnahme wohl von dem Gedanken aus, daß die Erhebungen den Beweis dafür, daß vorhandene Nachtheile der Fabrikarbeit für Ver­heirathete wie für Ledige allgemein die gleichen und etwaige gesetz­mäßige Maßregeln daher für beide Theile zu treffen seien, nicht schuldig bleiben würden. Diese Voraussetzung der Erhebung entspricht vollständig den in der Gleichheit" aus den Gesammtergebnissen ge= zogenen Schlüssen. 65,76 Prozent der in Fabriken und der Gewerbe­aufsicht unterstellten gewerblichen Anlagen beschäftigten verheiratheten Frauen und 38,52 Prozent der ledigen Arbeiterinnen beantworteten die Fragebogen. Fast genau die Hälfte dieser waren in der Textil industrie, über ein Viertel in der Zigarrenindustrie, je über ein Zehntel in der graphischen Industrie und in der der Holz- und Schnitzstoffe thättg. Unter den Fabrikarbeiterinnen waren zwei über 75(!!) Jahre alte Frauen.

Wir wollen heute nur auf diese bedeutsame Leistung des Bremer Arbeitersekretariats hinweisen, deren literarische Fassung von dem Redakteur Hermann Rhein herrührt. Derselbe hat die fleißige Arbeit anläßlich einer Gefängnißstrafe zu Oslebshausen geleistet. a. br.

Ein Arbeitsraum aus der Wiener Wäschekonfektion wird in der interessanten Veröffentlichung der Arbeiterstatistiken unter Die Wohnungs- und Gesundheitsverhältnisse der Heimarbeiter in der Kleider- und Wäschekonfektion" folgendermaßen geschildert:" Inter essant war der Fall, wo in einem verhältnißmäßig fleinen Raume, eines zweistöckigen Hauses im VII. Bezirk von 25,8 Quadratmeter Bodenfläche und 85,5 Kubikmeter Luftraum 25 Arbeiterinnen der

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Wäschebranche bei 15 Nähmaschinen arbeiteten, so daß auf je eine Person blos eine Fläche von 1,03 Quadratmeter und an Luftraum blos 3,42 Kubikmeter entfielen. Erwägt man dann noch weiter, daß 15 Arbeiterinnen auf diesem ihnen zugedachten engen Raume je eine Nähmaschine unterbringen mußten, so möchte man es beinahe für unmöglich halten, daß bei diesem Raummangel, abgesehen vom Ent­gange der frischen Luft, gearbeitet werden könne."

a. br.

Frauenarbeit und Frauenlöhne in Japan behandelt eine sehr interessante Untersuchung André Siegfrieds im Musée social" über die wirthschaftliche und soziale Entwicklung Japans , der wir die folgenden Angaben entnehmen: 1887 verdienten die Frauen in der Großindustrie 16 Pfg., Ende der 90er Jahre 41 Pfg. pro Tag, höhere Löhne kommen nur ganz ausnahmsweise vor. Die 15-20 jäh­rigen Mädchen, die neben Kindern von 6-8 Jahren fast das aus­schließliche Personal der Spinnereien und Zündhölzchenfabriken bilden. verdienen nur 30-40 Pfg. im Tage. Bei volljährigen Frauen waren in Tokio und Osaka die niedrigsten Löhne 24 Pfg., die höchsten 80 Pfg., die durchschnittlichen 44-48 Pfg. im Tage, die der Mädchen 32-40 Pfg. Die Arbeitszeit der Mädchen und Frauen ist in den Spinnereien die elfstündige, in anderen Industrien eine längere; in den Spinnereien wird Tag und Nacht in zwei elfstündigen Schichten gearbeitet. Auf drei Jahre verdingen sich die armen Geschöpfe für die Fabrikarbeit in den Spinnereien, dort werden sie Tag und Nacht festgehalten, sie schlafen, essen, baden in der Fabrit, ihre Widerstandskraft wird so ganz gebrochen. Ihre Kost, für die sie 12-14 Pfg. pro Tag zu zahlen haben, ist in ununterbrochener Einförmigkeit Fisch und Reis, ihre Wohnung ist ein Schlafraum für 15-20 Personen, in dem nichts als eine Matte liegt, auf der die Arbeiterinnen dicht aneinandergedrängt schlafen, auf der sie sitzen, jedes andere Einrichtungsstück fehlt in den Räumen. Steigen auch die Löhne in der japanischen Großindustrie, so steigen auch die Kosten des Lebensunterhaltes noch rascher, so daß thatsächlich die Lage der Arbeiterklasse nur eine sich scheinbar bessernde, eine sich aber in Wahrheit verschlechternde ist. Schon beginnt sich aber auch das Proletariat des jüngsten Staates mit moderner Industrie zu rühren, auch dort im fernen Osten hat die Gewerkschaftsbewegung die Geister aufzurütteln begonnen, auch in das merkwürdige Insel­reich im Stillen Ozean ist die Kunde von dem Streben und den Hoff­nungen des völferbefreienden Sozialismus gedrungen. Mögen diese Samenförner trotz der rauhen Stürme, die über das japanische Prole­tariat dahinsausen, aufgehen und bald Früchte tragen!

a. br.

Gesundheitsschädliche Folgen gewerblicher Frauenarbeit.

Der Kellnerinnenberuf ist ein höchst ungesunder, bedeutend mehr noch wird die Gesundheit der Kellnerinnen durch ihre Arbeit untergraben wie die der männlichen Berufsgenossen. Hierüber giebt wieder Auskunft der soeben erschienene Verwaltungsbericht der Drts­krankenkasse der Gastwirthe und verwandten Gewerbe zu Berlin für das Jahr 1900. In dieser Krankenkasse, die wie die meisten mit einer Mehrzahl weiblicher Mitglieder mit Defiziten zu rechnen hat, waren 7446 weibliche und 6812 männliche Mitglieder. Die Differenz in der Inanspruchnahme der Kasse war aber bedeutend größer als der Unterschied in der Mitgliederzahl. 2711 männliche und 3637 weib­liche Mitglieder waren arbeitsunfähig, es erhielten an 59917 Tagen männliche und an 102 001 Tagen weibliche Mitglieder Unterstützung. außerdem waren in 182 Fällen 4655 Mt. 87 Pfg. für Geburtsfälle zu bezahlen.

Außer Diversen" werden 44 verschiedene Krankheitsarten bei den weiblichen Mitgliedern festgestellt, am häufigsten Unterleibsleiden ( 375), Magenleiden( 328), Rheuma( 322), Influenza( 224), Krankheiten der Athmungsorgane( 206), Bleichsucht( 198), Geschlechtsleiden( 162), Verletzungen( 156), Unterschenfelgeschwüre( 133), Halsleiden( 132), Hautleiden( 98), Schwindsucht und Tuberkulose( 95), Bellengewebs­entzündungen( 89), Verbrennungen( 85), Haut- und Fingergeschwüre ( 85), Abortus( 79), Nervenleiden( 78), Fuß- und Kniegelenkentzündungen ( 63) u. s. w. Die Schwindsucht forderte bei den weiblichen Mitgliedern weniger Opfer( 19) wie bei den männlichen( 35), ebenso war die Zahl aller Todesfälle geringer bei den weiblichen( 56) wie bei den männlichen ( 74). Unter den weiblichen Mitgliedern, zu denen neben den Kellne­rinnen Dienstmädchen, Mamsells, Wirthschafterinnen, Arbeiterinnen, Kassirerinnen und Verkäuferinnen gehören, ist der Beruf der Kellnerinnen anscheinend der ungesundeste, kamen doch auf je 97 Mart, die sie der Kasse leisteten, 163 Mark, die die Kasse für sie zu verausgaben hatte.

a. br.

Dem Milzbrand, dieser fürchterlichen Krankheit, fallen noch immer Arbeiterinnen und Arbeiter in der Gerberei, Roßhaarspinnerei in der Pinsel und Bürstenindustrie zum Opfer, weil der Bundesrath bei Erlaß der bez. Bundesrathsverordnung die nöthige Entschiedenheit