Legen wir die angeführte Berechnung zu Grunde, so muß 3. B. eine fünftöpfige Arbeiterfamilie in der skizzirten Wirthschaftsgenossenschaft für ihre Ernährung allein jährlich 1788,50 Mt. aufwenden. Dabei sind die Ausgaben für die Verköstigung der drei Kinder mit der Hälfte derjenigen für Erwachsene angesetzt, was gewiß eher zu niedrig als zu hoch gegriffen ist. Nur ein ganz niedriger Prozentsaz von Arbeiterfamilien kann eine derartige oder eine annähernd große Summe für die Ernährung allein verausgaben, d. h. verfügt über ein Jahreseinkommen von etwa 3000 Mt. Nach Leipart( ,, Zur Lage der Arbeiter in Stuttgart ") beträgt z. B. der Durchschnittsverdienst der verheiratheten Arbeiter in Stuttgart wöchentlich nicht ganz 24 Mt., bleibt also im Jahre noch unter 1300 Mr. zurück. Von 6028 auskunftgebenden Arbeitern kamen nur 1821 über den Durchschnittsverdienst hinaus und nicht mehr als 290 davon erzielten einen Wochenverdienst von über 30 Mt., d. h. ein Jahreseinkommen von rund 1500 Mt. Auch den Verdienst der Frau in Anrechnung gebracht, bleibt doch das Einkommen der Familie in den weitaus meisten Fällen zu flein, um die angegebene Summe für die Verköstigung aufwenden zu können. Die veröffentlichten Arbeiterhaushaltungsbudgets bestätigen im Allgemeinen die gleiche Thatsache. Man vergleiche die einschlägigen Mittheilungen im Bericht des Münchener Fabritinspektors für 1897 und in den Berichten der badischen Fabrikinspektion; weiter„ Fünfzehn Arbeiterhaushaltunge budgets im deutschen Buchdruckgewerbe" von Dr. W. Abelsdorff;„ Die Haushaltungsbudgets Nürnberger Lohnarbeiter" 2c. Nach der zuerst genannten Quelle verausgabte z. B. eine fünftöpfige Schreinerfamilie mit einem Jahreseinkommen von 1330 Mt. pro Tag und Person nur ganze 49 Pf. für die Ernährung. Am Jahresschluß hatte sie trozdem ein Defizit von 96,50 Mt. Gewiß sind in diesem Falle die Ausgaben für Ernährung besonders niedrig. Aber auch in der günstiger fituirten Familie eines Schmieds mit zwei Kindern und 1430 Mt. Jahreseinkommen betrugen sie nicht mehr als täglich 73 Pf. pro Kopf, und am Jahresschluß ist ein Manko von 300 Mt. da. Durchgängig erweisen die Arbeiterhaushaltungsbudgets, daß die Aufwendungen für die Ernährung beträchtlich unter dem Satz von 1,40 mt. pro Person und Tag stehen. Dabei ist zu beachten, daß die Haushaltungsbudgets fast ausschließlich von besser gestellten Arbeitern herrühren.
Nun kann ohne Zweifel Ausgestaltung und Kost der gemeinsamen Haushaltung einfacher und weniger kostspielig gehalten sein, als in Genossin Brauns Jdealgenossenschaft. Genossin Braun selbst weist darauf hin. Allein auch der geringere Aufwand im Bunde mit der verbilligenden Wirthschaftsführung im Großen vermag nicht im Einkommen der etwas besser gestellten Arbeiter" das Minus an Mitteln auszugleichen, welche für eine rationelle Lebenshaltung in einer Wirthschaftsgenossenschaft erforderlich sind.
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Es kommen dabei nicht blos die laufenden Ausgaben für die Ernährung in Betracht. Es sind Rücklagen nöthig für das Gründungs- und Betriebskapital der Genossenschaft. Auch der besser gestellten Arbeiterfamilie fällt es in der Regel herzlich sauer, regelmäßig ausreichende Beträge für Wohnungsmiethe, Kleidung, Wäsche, Steuern, Schulgeld 2c. zurückzulegen. Bei ihrem knappen Einkommen und den unabweisbaren Tagesbedürfnissen wird sie es daher lediglich in günstigen Ausnahmefällen zu Wege bringen, noch Rücklagen für die Wirthschaftsgenossenschaft zu machen. Ein nebensächlich erscheinender Umstand verschärft aber einerseits die Nothwendigkeit von Rücklagen, um das Funktioniren der Wirthschaftsgenossenschaft sicher zu stellen, und erschwert andererseits gleichzeitig die Möglichkeit zu Ersparnissen. Es ist die postnumerando erfolgende Entlohnung der Arbeiter und Arbeiterinnen. Nur wenn die Genossenschafter etwas auf die hohe Kante gelegt haben, können sie ihre Beiträge zum gemeinsamen Haushalt im Voraus oder laufend decken. Auch bei einer sparsamen und geregelten Wirthschaftsführung versetzt jedoch die Lohnzahlung postnumerando die Arbeiterfamilie vielfach in die Nothwendigkeit, auf Kredit zu entnehmen. Ehe sie am Löhnungstage an Rücklagen denken kann, muß sie die aufgelaufenen. Schulden bereinigen.
Unter dem Banne der kapitalistischen Ausbeutung stellen die proletarischen Erwerbs- und Eristenzbedingungen der Durchführung der Wirthschaftsgenossenschaft noch andere, große Hindernisse ent
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gegen. Der Verdienst der Arbeiter selbst der gutgestellten ist ungleich, er verändert sich unter dem Einfluß der mannigfachsten Umstände, über welche der Wille der Frohndenden absolut nichts vermag. In ganzen Industriezweigen herrscht Saisonarbeit mit ihrem Hin und Her zwischen verhältnißmäßig besserem Verdienst und geringer Einnahme, ja der Beschäftigungslosigkeit. Das Einkommen der Proletarier ist vor Allem ein unsicheres, auch den sogenannten„ Aristokraten" unter ihnen droht stetig das Gespenst der Arbeitslosigkeit. Ein Fortschritt in der Produktionstechnik, eine Verbesserung des Verkehrswesens, eine veränderte Wirthschaftsfonjunktur und der profitgierige Kapitalist wirft die geübtesten, fleißigsten Arbeiter von Heute auf Morgen aus der Stellung, ersetzt sie durch Frauen, Kinder, rückständige Dörfler und Ausländer, durch automatisch thätige Maschinen, oder schränkt den Betrieb ein. Die periodisch wiederkehrenden Krisen treiben die Unsicherheit der proletarischen Existenz auf die Spitze. Die Nothwendigkeit des Broterwerbs macht den Proletarier zum Nomaden, der unſtät und flüchtig dem Verdienst nachziehen muß von Stadttheil zu Stadttheil, von Ort zu Ort, ohne Rücksicht auf den unvermeidlichen Austritt aus der Wirthschaftsgenossenschaft, der er eingegliedert ist, ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, sich einer anderen anzuschließen.
Kurz, dank der kapitalistischen Ordnung wirken die verschiedensten Umstände zusammen, daß auch der erdrückenden Mehrzahl der etwas besser gestellten Proletarier jenes ausreichende, gleiche, regelmäßige, sichere Einkommen mangelt, das die wesentlichste praktische Vorbedingung für die erfolgreiche Organisation von Wirthschaftsgenossenschaften ist. Die Baugenossenschaft vermag durch die sinnreichst eingerichteten Gebäudekomplere diese Schwierigkeit nicht zu beheben. Umgekehrt würden durch ihre Verquickung mit der Wirthschaftsgenossenschaft die Schwierigkeiten für ihre eigene Eristenz und Entwicklung vermehrt. Die meisten Baugenossenschaften werden deshalb Denen, die diese Verquickung aurathen, zurufen: Gott bewahre uns vor unseren Freunden, für welche die, Genossenschaftlichkeit Hans Dampf in allen Gassen zur sozialistischen Gesellschaft ist; mit unseren Feinden, den genossenschaftlich Ungläubigen, wollen wir schon fertig werden."
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Von Louise Biek.
In den Vororten Hamburgs , Winterhude , Eppendorf , Barmbeck , ebenso in Lockstedt, Stellingen , Wandsbeck u. a. m. sind Tausende von Plätterinnen und„ Bleicherknechten"- das ist hier die ortsübliche Bezeichnung für die männlichen Arbeiter in den Wäschereien bei den„ Bleichern" beschäftigt. Der Name Bleicher für die Inhaber von größeren und fleineren Wäschereien hat sich noch aus jener Zeif her erhalten, wo vor den Thoren der Stadt auf ausgedehnten Rasenpläßen das Bleichen der Wäsche mit Hilfe der lieben Sonne vor sich ging. Heute wird dies Verfahren, um Flecke aus der Wäsche zu entfernen und ihr ein blendendes Aussehen zu geben, längst nicht mehr angewendet. geben, längst nicht mehr angewendet. Es fehlen meist die jetzt so tostbaren Rasenflächen die Bleicher sind froh, wenn sie noch einen halbwegs geräumigen Trockenplatz im Freien haben, und es fehlt die Zeit. Statt die Wäsche von der lieben Sonne bleichen zu lassen, bleicht man sie auch in Hamburg längst mit Chemikalien. Das Waschen besorgen nicht Frauen, sondern Männer, die Bleicherknechte. Nur in seltenen Fällen ist dabei hier und da eine Frau mitbeschäftigt. Der„ Bleicher", also der Besitzer der Wäscherei, fährt mit seinem geschlossenen Wagen bei seiner Kundschaft von Haus zu Haus, holt die schmutzige Wäsche und liefert sie fertig wieder ab, nachdem die ,, Knechte" sie gewaschen, die Plätterinnen ihr„ Glanz und Schimmer" verliehen haben. Wenn die Damen unserer Bourgeoisie ihren schneeigen Lein" tadellos gebügelt und plissirt, fein säuberlich nebenund übereinander geschichtet, zurück bekommen, denken sie nicht oder höchst selten Derer, die durch ihrer Hände Arbeit sie selbst der Mühe des Waschens und Bügelns entheben. Und doch hat gerade diese Arbeit, namentlich das Plätten, nicht nur unendlich viele Schweißtropfen, sondern auch sehr oft die Gesundheit gekostet. Kein Wunder, ist doch die Arbeit des Plättens um zunächst bei dieser zu bleiben an sich eine äußerst schwere und angreifende und wird
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