Wohnsitz nehmen. Was Julius Motteler , der rothe Postmeister", unter den Nöthen des Ausnahmegesetzes der Sozialdemokratie gewesen und was er für sie gethan, das ist ein Stück der Geschichte jener glorreichen Tage. Was er als Freund, als Mensch ist, das wissen Alle, die ihn kennen. Sturm und Drang , Arbeitsmühen und Ver folgungen hat Genoffin Motteler überzeugungstreu mit ihrem Gatten getragen. Was er geleistet, das ist wesentlich mit ein Verdienst ihres treubesorgten, stillen, selbstaufopfernden Waltens. Schnee auf dem Haupte, aber jugendliche Begeisterung für unsere Ideale im Herzen fehren die Beiden heim, ungemaufert, überzeugungsstark, nicht ruhe­suchende Entmuthigte und Müde, arbeitsheischende, kampfessehnsüchtige Streiter, die sofort in Reih und Glied treten. Nochmals willkommen, Ihr Verdienten, ihr Theuren, willkommen zu Arbeit und Kampf! Und tausend heiße Wünsche für Euer langjähriges Wirken in Kraft und Freude in unserer Mitte.

Von der Agitation. Im Auftrag des Verbandes der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen, Gau 9, unternahm Ge­nossin Kähler- Dresden vom 29. Mai bis 13. Juni eine Agitations­tour durch Pommern. Versammlungen fanden statt in: Sagnik, Wolgast , Fürstenberg, Podejuch, Stettin , Bredow, Stolzen­hagen, Pöhlit, Köslin und Zarnekow. Leider konnten wegen Erkrankung der Referentin nicht alle Orte, die zum 9. Gau gehören, berücksichtigt werden. Genossin Kähler sprach über: Die Organi sationen der Jezzeit";" Den Kampf ums Dasein";" Die Gewerkschaftsbewegung als Kulturförderer". Alle Ver­sammlungen erfreuten sich eines guten Besuches, besonders auch seitens der Frauen. In Röslin, wo seit 10 Wochen der Kampf um das Koalitionsrecht tobt, war die Versammlung überfüllt, Saal und Garten zusammen boten kaum Raum genug für die Erschienenen. In dem benachbarten Barnekow tagte eine von circa 500 Personen besuchte Mitgliederversammlung des Verbandes. In diesem Orte wird die Mehrzahl der Organisirten von den Arbeiterinnen gestellt, die in den Zündholzfabriken beschäftigt sind. Die hier ausge­beuteten Frauen und Mädchen klagten lebhaft über niedrige Löhne, gesundheitsschädliche Folgen ihrer Hantirungen, schlechte Behandlung und ungenügende Fabrikinspektion. Wir kommen auf manche ihrer Beschwerden an anderer Stelle zurück. Der Verlauf aller Versamm­lungen berechtigt zu der Erwartung, daß die entfaltete Agitation den Muth der Arbeiterinnen und Arbeiter neu belebt und gestärkt, daß sie den Verband gekräftigt und ihm neue Mittämpfer gewonnen hat. W. K.

Anfang Juni hielt Genossin Zietz eine Reihe von Versamm­lungen ab. In der Volksversammlung, die in Kellinghusen tagte, waren die Frauen gut vertreten. Die Versammlungen in Limmer, Linden, Ricklingen und Hannover brachten dem Fabrikarbeiter­verband eine Anzahl neuer Mitkämpfer. Sehr zahlreich wohnten die Frauen der Volksversammlung bei, die in Bremen stattfand. Ge­nossin Zietz sprach hier über das Thema: Mehr Schutz gegen Unternehmer und Junker". In einer Volksversammlung in Hamburg , in der Genossin Ziet über dasselbe Thema referirte, waren ebenfalls sehr viel Frauen anwesend. Etwa ein Duhend von ihnen trat dem sozialdemokratischen Verein bei, und es wurden eine ganze Anzahl Abonnenten für die Gleichheit" gewonnen. L. Z.

Bremen . Eine Volksversammlung, die von der Vertrauens­person der Genofsinnen einberufen worden, tagte am 18. Juni in Bremen und brachte unserer Sache einen großen und schönen Er­folg. Genossin 3ieß- Hamburg referirte über das Thema:" Mehr Schutz gegen Fabrikanten und Junker". In trefflichen Worten geißelte sie scharf die unerhörte Ausbeutung, deren sich die Fabrikanten und Junker den Arbeiterinnen gegenüber schuldig machen. Gebührend be leuchtete sie die zahlreichen und schweren Mängel unseres gesetzlichen Arbeiterschutzes und stellte ihnen unsere Forderungen eines wirksamen Arbeiterinnenschutzes entgegen. Von der Versammlung, welche auch seitens der Frauen sehr gut besucht war, wurde der Referentin für ihren wohldurchdachten, packenden Vortrag stürmischer Beifall zu Theil. Hoffentlich bethätigen in Folge der stattgefundenen Agitation die Ar­beiterinnen etwas mehr Leben, etwas mehr Interesse für ihre eigenen Verhältnisse. Eine Verbesserung derselben thut dringend noth. Wie der Bericht des Arbeitersekretariats ausweist, ist auch in Bremen das Arbeiterinnenelend sehr groß. Namentlich in der Jute­spinnerei, in den Produkten- und Kaffeegeschäften lassen die Arbeits­bedingungen der Frauen und Mädchen oft alles zu wünschen übrig, und Wochenlöhne von 5 und 6 Mt. sind keine Seltenheit. Da fordern denn die Verhältnisse gebieterisch, daß auch die Arbeiterinnen zur Erkenntniß ihrer Lage erwachen und sich der Gewerkschaftsorgani­sation ihres Berufs anschließen, damit deren Macht erfolgreich für die Hebung ihrer tieftraurigen Lage eingreifen kann. A. B.

Von den Organisationen. Eine Mitgliederversamm­lung der politisch organisirten Frauen Hamburgs fand am

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14. Juni statt und war sehr gut besucht. Nachdem Genossin Zieg einen Vortrag über Heinrich Heine und seine Werke beendet, entspann sich eine äußerst lebhafte Debatte über den zweiten Punkt der Tages­ordnung: Wie agitiren wir in Zukunft?" Erfreulicherweise betheiligten sich an der Debatte auch einige ältere Genossinnen, die früher schon dem Frauenverein angehört hatten. Beschlossen ward Folgendes. Das von der Genossin Baader zu erhaltende Flugblatt zur Frage des Arbeiterinnenschutes in einigen Tausend Exem­plaren zu beziehen und bezirksweise zu verbreiten. Zwecks Agitation unter den gewerblich thätigen Frauen und Mädchen sich den Gewerk­schaften anzuschließen und dieselben thatkräftig zu unterstützen. Zur Agitation für die politische Organisation in bestimmten Zwischen­räumen größere Agitationsversammlungen abzuhalten, die aber die Genossinnen nicht der Pflicht der persönlichen Agitation entheben. Für die politisch organisirten Frauen sollen in allen Wahlkreisen von Zeit zu Zeit besondere Mitgliederversammlungen stattfinden, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, Aufklärung zu schaffen und die Frauen zu gewöhnen, durch Betheiligung an den Debatten ihren Gedanken Ausdruck zu geben. Schließlich soll von Zeit zu Zeit eine Agitation für die Gleichheit" entfaltet werden, und zwar vornehm lich mit solchen Nummern, die Artikel oder Notizen über Hamburger Verhältnisse enthalten. Auch diese Versammlung brachte den sozial­demokratischen Vereinen einen Zuwachs von 12 weiblichen Mit­gliedern, der Gleichheit" eine Reihe neuer Abonnenten. L. Z.

Als Vertrauensperson der Genosfinnen von Offenbach wurde in öffentlicher Versammlung unsere bewährte Genossin Tröger gewählt. Ihre Thätigkeit erstreckt sich auf den ganzen Reichstags­wahlkreis, dem Offenbach angehört. Der Vertrauensperson wurde das Recht zuerkannt, an den Berathungen des Vorstandes der sozial­demokratischen Parteiorganisation, sowie an der Kreiskonferenz theil­zunehmen.

Notizentheil.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Die Arbeiterinnen und die Krankenkassen. Interessantes Material zu dieser Frage, die bei der Novelle zum Krankenversiche­rungsgesetz eine große Rolle spielen wird und auch für die Frage der Ausdehnung des Arbeiterschußes, sowie für die Lohnfrage von hoher Bedeutung ist, findet sich in den Jahresberichten der Berliner Allgemeinen Ortskrankenkasse gewerblicher Arbeiter und Arbeiterinnen. Es betrugen die Gesammteinnahmen

1899

M

von den männlichen Mitgliedern

1900 M

Gesammtausgaben

Ueberschuß

1900 M

1899 M

1900 M

1899 M

Fehlbetrag

1075593,42 1064087,72 863 270,47 869 874,22 152322,50 194213,50 von den weiblichen Mitgliedern 435881,97 447792,17 520641,64 528 206,40 84759,67 80414,23 1900 waren die Einnahmen pro Kopf der männlichen Mit­glieder um 6,09 Mt. höher wie die Ausgaben, während die Ausgaben pro Kopf der weiblichen Mitglieder die Einnahmen um 3,12 Mt. überstiegen. Ob die gleichen Resultate zu Tage treten würden, wenn die Arbeiterinnen den gleichen Lohn wie die Arbeiter erhielten, wäre freilich festzustellen. Bei den elenden Arbeiterinnen­löhnen, die keine Möglichkeit anständiger Ernährung ge­währen, muß die Widerstandsfähigkeit der Arbeiterinnen geschwächt werden. Hierauf sind wohl die so ungünstigen Ergeb­nisse der Krankenkassenstatistik für die Arbeiterinnen hauptsächlich, wenn auch nicht allein, zurückzuführen. Wieder ein Beweis, wie sehr die Arbeiterinnen gegen ihren eigenen Körper sündigen, wenn sie nicht durch gewerkschaftliche Organisation eine Besserung ihrer Lebens­verhältnisse erstreben. a. br.

Die staatliche Tabakfabrik in Sevilla ( Südspanien) beschäftigt über 5000 Arbeiterinnen. Die Fabrit soll hygienisch musterhaft ein­gerichtet sein und menschlicher, als dies bei uns üblich ist, verfahren. Die Arbeiterinnen nehmen ihre kleinen Kinder in den Betrieb mit. Neben ihrem Arbeitsplatz haben sie die Wiege stehen; während sie mit den Händen an den Zigarren arbeiten, schaukeln sie mit den a. br. Füßen die Wiegen ihrer Säuglinge.

Hungerlöhne der Arbeiterinnen in den Zündhölzchen­fabriken zu Zarnekow. Der Tagesverdienst der Frauen und Mädchen, welche in den Zündhölzchenfabriken von Barnekow( Pom­ mern ) beschäftigt sind, beträgt bei elfstündiger Arbeitszeit 95 Pf. Anfängerinnen verdienen pro Tag gar nur 65 Pf. Der Verdienst der Arbeiter in diesen Fabriken stellt sich bei ebenfalls elfstündiger Arbeitszeit auf 1,65 Mt. Die vorstehenden Ziffern sprechen eine