für beide Termine und des Vorverfahrens. Unserem Empfinden und unserer Auffassung nach hat der widerliche Angeklagte milde, viel zu milde Richter gefunden. Er mißbraucht seine wirthschaftliche Ueberlegenheit als Arbeitgeber zu Attentaten gegen die Ehre und Sittlichkeit seiner Arbeiterinnen, die er dem geilen Verlangen seines Alters firren will. Sein schmutziges Verbrechen aber wird nur mit einer verhältnißmäßig geringen Geldstrafe und den Kosten der Ver­fahren geahndet. Es fällt uns nicht ein, behaupten zu wollen, daß die milden Richter irgendwie das Recht gebeugt hätten. Trotzdem aber drängt sich uns die Frage auf, ob wohl die Strafe ebenso be­scheiden ausgefallen wäre, wenn ein Arbeiter sich wiederholt unfitt­licher Angriffe gegen eine Bourgeoisdame schuldig gemacht hätte. Uns scheint, daß in dieser besten aller Welten Arbeiterinnentugend zu einer Waare herabgewürdigt wird, die in den Augen der Herren Bourgeois nicht hoch im Preise steht.

Frauenbewegung.

Ein Schreiben an den preußischen Kriegsminister, den Chinafeldzug betreffend, haben die radikalen Frauenrechtlerinnen Frl. Augspurg, Frau Cauer und Frl. Heymann eingereicht. Das Schreiben brandmarkt scharf die gewaltsame Schändung und geschlechtliche Mißhandlung wehrloser Chinesinnen, welche die Be­richterstatter der zuverlässigen Presse aller Länder übereinstimmend gemeldet haben. Es fragt an, was von Seiten der deutschen Armee­verwaltung geschehen ist, um festzustellen, ob deutsche Soldaten und welche? an solchen Unthaten betheiligt gewesen sind". Es fordert weiter, daß unsere Militärjustiz sich mit den angeführten Berichten beschäftigt, um auf Grund genauester Nachforschung entweder das tief erschütterte Zutrauen weiter Bevölkerungskreise zu der Haltung unserer Truppen wiederherstellen zu können oder die etwa begangenen Verbrechen durch strengste Ahndung zu sühnen". Wir sympathisiren gewiß mit den Gefühlen, welche das Schreiben diktirt haben. Was aber das Ansuchen an den Kriegsminister anbelangt, so ist es ebenso ehrenvoll für die gute Absicht der Frauenrechtlerinnen, als kompro­mittirend für ihre politische Einsicht.

Die Frauenfrage auf der Generalversammlung deutscher Gefängnißmänner in Nürnberg . Wäre es zweckmäßig, in An­stalten für weibliche Gefangene, abgesehen vom Arzte und dem Geist­lichen, ausschließlich weibliche Beamte anzustellen und einem männ lichen höheren Gefängnißbeamten nur eine Art Oberaufsicht in den­selben zu übertragen?" So lautete ein Punkt der Tagesordnung der oben genannten Generalversammlung, deren Erörterung zu Ausein­andersetzungen über die Frauenfrage führte. Der Referent, Straf­anstaltsdirektor Fliegenschmidt- Wehlheiden- Kassel, führte u. A. aus, daß es sich für die Generalversammlung nicht darum handeln könne, die Frauenfrage im Allgemeinen mit ihrer Welt voll ungelöster Pro­bleme auch nur anzuschneiden, betont aber müsse werden, daß sie existire und ihre Daseinsberechtigung habe. Für die unteren Beamten­stellen im Strafhause sei die Frage der Zulassung weiblicher Beamten als erledigt zu betrachten. Das preußische Ministerialreskript vom 11. April 1842 läßt Frauen als Aufseherinnen zu. Die steigende Verwendung der Frauen im Schul-, Post-, Eisenbahndienst, dem Handelsgewerbe habe die Befähigung des weiblichen Geschlechts für schwierigere Berufsaufgaben dargethan. Es sei deshalb im Allge­meinen nicht zu ersehen, weshalb man mit der Heranziehung der Frau zum Strafanstaltsdienst bei der Stellung der Aufseherin bezw. Oberaufseherin Halt machen solle. Was die erzieherisch- sittliche Seite der Frage anlange, so seien schon aus Anstandsgründen bei gewissen Funktionen( Aufnahme, Entkleidung, Baden, Krankenpflege, nächtliche Visitationen der Schlafsäle u. s. w.) weibliche Bedienstete zu fordern. Weiterhin sei wohl fein Streit darüber, daß auch um der sittlichen Hebung der Gefangenen willen die Aufsicht und Leitung durch Frauen geschehen müsse. Endlich bedürfe zur richtigen Beurtheilung des weiblichen Charakters( Gemüthsleben, Nervenzustände, Schwanger­schaft u. s. w.) auch der tüchtigste Direktor der Hilfe weiblicher Be­amten. Redner legte folgende Thesen zur Annahme vor:" In Weiber­strafanstalten sind die Stellen a) der Werkführer, Aufseher und Ober­uusseher unbedingt mit weiblichen Beamten, b) der Expeditions-, Rassen und Wirthschaftsbeamten, des Lehrers und des Arztes thun­lichst mit weiblichen Beamten, c) der Wächter, Boten, Handwerker, des Geistlichen und des Direktors dagegen nur mit männlichen Be­amten zu besetzen." In der Erörterung nahm zunächst der Direktor der Hamburger Gefängnißanstalten, Dr. Gennat - Hamburg , das Wort, um sich für die weitgehendste Freigabe des Strafanstaltswesens für die Anstellung von Frauen auszusprechen, und zwar auf Grund der Erfahrungen, welche er in der mit 450 Frauen besetzten Ham­burger Anstalt in einer beinahe neunjährigen Thätigkeit gemacht hat. Er bat folgendem Antrag zuzustimmen:" In Weiberstrafanstalten sind

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die Stellen a) des polizeilichen Unterpersonals, der Aufseherinnen, Oberaufseherinnen, Hausmütter unbedingt; b) die übrigen thunlichst, soweit besondere Vorbildung erforderlich oder vorgeschrieben, unter Nachweis dieser mit weiblichen Beamten zu besetzen." Pfarrer Mayer­Sulzbach erklärte sich gegen eine weibliche Oberleitung der Straf­anstalten, da es den Frauen vielfach an dem nöthigen Takt für dieses Amt fehle. Auch Strafanstaltsgeistlicher Reuß- Preungesheim- Frank­furt a. M. protestirte dagegen, die Frauen im Gefängnißwesen mit leitenden Stellen zu betrauen. Die Erfahrung habe erwiesen, daß die Frau niemals den geistigen Einfluß erzielen werde, den der ernste Mann, zumal der Geistliche, auszuüben im Stande sei. Seinem Ge­fühl als Geistlichen und Angestellten würde es widerstreben, eine Frau als Oberin über sich zu haben. Strafanstaltsdirektor Kopp­Freiburg i. Br. wollte die Frauen ebenfalls von den leitenden Posten ausgeschlossen wissen. Ein Regiment Soldaten sei leichter zu fom­mandiren, als eine weibliche Strafanstalt zu leiten. Dazu komme, daß die leitende Persönlichkeit bei Meuterei, Feuersgefahr 2c. vor die schwerwiegendsten Entscheidungen gestellt werde, einer Ruhe, Kalt­blütigkeit und Unparteilichkeit bedürfe, welche der Frau in Augen­blicken der Erregung oft mangle. Direktor Baeßler- Voigtsberg wen­dete sich gegen weibliche Leitung mit der Begründung: Mit der Faust komme man weiter als mit dem Maule." Direktor Büttner­Breslau wies die Gründe zurück, welche gegen die Anstellung der Frauen auf höhere Posten geltend gemacht worden waren. Partei­lichkeit, Ungerechtigkeit, Mangel an Ruhe, Kaltblütigkeit 2c. seien nicht spezifisch weibliche Eigenschaften, sondern kämen auch beim Manne vor. Auch Geheimer Oberregierungsrath Krohne- Berlin trat für eine umfassende Heranziehung der gebildeten Frau zur Straf­vollzugspflege ein. Charakteristisch ist, was Herr Krohne unter ge­bildeten Frauen" versteht. Nämlich: Frauen, die wirthschaftlich, praktisch und sozial vorgebildet seien, und die dabei alle jene Herzens­tugenden besäßen, die für den Umgang mit den Unglücklichen unbe­dingt nöthig seien. Dagegen möge Gott das Strafanstaltswesen vor dem Zuzug jener Frauen bewahren, die in der sogenannten " Frauenbewegung" ständen.( Heiterkeit und Beifall.) In den preu­ßischen Anstalten, die die Frauen fast in alle Fächer, vor Allem in das Verwaltungswesen übernommen hätten, habe man bisher die besten Erfahrungen gemacht. Bei der folgenden Abstimmung wurden die Thesen des Referenten angenommen, der Antrag Gennat- Hamburg dagegen abgelehnt. Angesichts der ungeheuren Rückständigkeit auf dem Gebiet des deutschen Strafvollzugs ist es immerhin etwas, wenn das Maul" hier doch weiter gekommen ist als die Faust". Bemerkens­werth ist noch, daß alle Redner zu der Frage das vorliegende Be­dürfniß der klein und mittelbürgerlichen Frauenwelt zu höherer Berufsthätigkeit anerkannten und im Allgemeinen für berechtigt er= flärten. Der geschmacklose Ausfall des Herrn Krohne gegen die so­genannte Frauenbewegung" richtet sich selbst als ein Ueberbleibsel des alten Zopfes, das dem Träger unbewußt im Nacken baumelt.

Vom Verein Frauenbildung- Frauenstudium ging uns fol­gende Einsendung zur Veröffentlichung zu:

Preisausschreiben.

Der Verein Frauenbildung- Frauenstudium erläßt ein Preis­ausschreiben zur Erlangung einer Propagandaschrift für die Frauen­bewegung.

Nach Art eines Katechismus sollen in Frage und Antwort Ent­stehung, Entwicklung, gegenwärtiger Stand und Ziele der deutschen Frauenbewegung kurz und klar dargelegt werden.

Der Preis, der

F1000 Mark

beträgt, kann ganz oder getheilt zuerkannt werden, wofür die Schrift Eigenthum des Vereins wird.

Die Namen der Preisrichter werden noch bekannt gegeben. Sie sind berechtigt, an dem von ihnen preisgekrönten Werke zweckent­sprechende Aenderungen vorzunehmen.

Die Arbeiten sind mit einem Kennwort versehen bis spätestens 1. Februar 1902 an die Schriftführerin der Kommission einzusenden; ein geschlossener Briefumschlag mit gleichem Kennwort hat Name und Adresse des Verfassers zu enthalten.

Die Mitglieder der Kommission sind gerne zu näherer Aus­kunft bereit.

Marie H. von Helldorff, Schriftführerin ( Weimar , Ackerwand 13).

Fanny Boehringer( Mannheim ). Dr. Anna von Doemming( Wiesbaden ). Dr. Richard Knittel( Karlsruhe i. B.). Dr. Selma von Lengefeld ( Weimar ).

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Alara Bettin( Bundel) in Stuttgart . Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. 6.) in Stuttgart .