den er ehrenhaften Frauen zugefügt, öffentlich vertrete. Wenn sich die Kollegen jenes Lumpen von der Schmach nicht mitgetroffen fühlen, wenn es ihnen nichts verschlagen sollte, mit einem öffentlich als elenden Buben gebrandmarkten Subjekt an einem Redaktionstisch weiter zu sitzen, so würden sie ihre eigene Ehre aufs Spiel setzen, sie direkt preisgeben. Mit solcher Niederträchtigkeit hat die Politik nichts zu thun; wer die Ehre einer Frau besudelt, begeht die größte Niedertracht und die Verachtung jedes anständigen Menschen muß ihn treffen. Wir rufen die gesammte Deffentlichkeit zur Verachtung dieser Schändlichkeit auf! Wir sind deutlich und erklären nun die Verüber dieser gemeinen Rohheiten als elende Lumpen, als ehrlose, schuftige Gesellen.

Wahrlich, es giebt Niederträchtigkeiten so ungeheuerlicher, so aufregender Art, daß ihnen gegenüber jedes Wort der Abwehr zu schwach erscheint. Parteifanatismus hat in Wien   viel verbrochen, politische Gehässigkeit vieles Verwerfliche gezeitigt. Aber so etwas, wie diese unsäglichen Rohheiten, dergleichen war noch nie da. Der verkommenste der Menschen, der sich von allen Gesetzen der Sitte entbunden fühlt, wird vor der Frau Respekt haben, und ein an­ständiger Mensch ließe sich lieber den Arm abhacken, als ihn zur Befudelung ehrenhafter Frauen zu brauchen. Aber wessen der Strolch auf der Landstraße nicht fähig wäre, was der verkommenste Mensch als unwürdig weit von sich weisen würde: das ist dem christlich sozialen Schuften ein berechtigter Angriff; das im tiefsten Wesen Unfittliche: die Verhöhnung der Frau, dünkt ihm ein gelungener Spaß! Und solches Gesindel, bar der primitivsten Ehrenhaftigkeit, giebt in den christlichsozialen Zeitungen den Ton an! Noch nie ist das Amt, das die Zeitung auszuüben hat, so schrecklich geschändet worden, wie in dieser pöbelhaften Besudelung der Frauen, und wenn die Scham bei den Christlichsozialen nicht schon längst zu den Hunden geflohen wäre, so würden diese elenden Buben schon morgen zum Teufel gejagt werden. Jeder rechtliche Journalist, gehöre er welcher Parteirichtung immer an, muß sich im tiefsten Herzen schämen, daß solche Lumpenkerle wie der Deutsche Zeitung"-Schuft ihren ernsten Beruf schänden dürfen."

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Zwei der beschimpften Frauen, Genossin Schlesinger und Frau von Langenau  , die Witwe eines Botschafters, suchten den Redakteur der Deutschen Zeitung", den antisemitischen Stadtrath Dr. Wähner, in seiner Redaktion auf, um Genugthuung und Ab­bitte zu fordern. Nachdem dieser die erste Verblüffung überwunden, schrie und tobte er über den Skandal, daß eine Dame von adeliger Geburt für die sozialdemokratische Partei agitire." Mit namenloser Feigheit erklärten Herr Wähner und seine Redakteure, es werde in dem Artikel ja nicht von den agitirenden Frauen gesprochen, es feien ,, andere" gemeint gewesen." Der Zump, der eingestandener maßen den Artikel geschrieben, erklärte: Hier sind wir alle solidarisch, vom Chef bis zum letzten Lausferl." Wahrscheinlich werden die Ge­nossinnen in einer großen Versammlung Stellung zu den Bübereien der christlichsozialen Presse nehmen. In einer imposanten Volts­versammlung haben die sozialdemokratischen Arbeiter bereits Gericht über die antisemitischen Zeitungsstrolche gehalten. Die Genossen Dr. Adler und Schuhmeier und Genossin Schlesinger brand­markten unter stürmischer Zustimmung die Gemeinheiten der christlich­sozialen Presse.

Frauenbewegung.

Ein Prozeß gegen sieben Berliner   Aerztinnen, der seinem Ursprung wie seinem Inhalt nach als ein schmachvolles Zeichen der Zeit bewerthet werden muß, wurde Ende Juni vor dem Schöffen­gericht zu Moabit   verhandelt. Die sieben Angeklagten waren be= schuldigt, sich im Adreßbuch Bezeichnungen zugelegt zu haben, die ihnen nicht zuständen, einige von ihnen sollten außerdem auf ihren Schildern nicht ganz forrekte Angaben gemacht haben, die geeignet seien, beschränkte" Leute irrezuführen. Diese Delikte" sollen dadurch verübt worden sein, daß die Aerztinnen sich im Adreßbuch als: ,, Dr. med." bezeichnet haben, und daß auf ihren Schildern steht: " praktischer Arzt, in der Schweiz   approbirt". Nach der Auffassung des Staatsanwalts sind beschränkte" Leute dadurch der Gefahr aus­gesetzt worden, anzunehmen, daß die Aerztinnen Doktorhut und Appro­bation in Deutschland   erworben hätten und in der Folge vor dem Gesetz ihren männlichen deutschen   Kollegen gleichberechtigt seien. Jahrelang haben die betreffenden Bezeichnungen im Berliner Adreßbuch und auf den Schildern der Aerztinnen gestanden, ohne daß man darin eine Gefahr für den Glauben und die Gesundheit beschränkter" Leute und ein Attentat gegen das Gesetz erblickt hat. Wenn wir nicht irren, darf Professor Dr. Roßmann das Verdienst" beanspruchen, die Behörden zuerst auf ihre pflichtwidrige Versäumniß aufmerksam gemacht zu haben. In den Berliner   Blättern zur Bekämpfung des Kurpfuscher

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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( 8unbel) in Stuttgart  .

thums" schrieb dieser Edle im vorigen Jahre: Die weiblichen Kur­pfuscher in Berlin   gehen zum Theile, ohne bestraft zu werden, noch weiter. Eine solche Pfuscherin nennt sich im Berliner Adreßbuch von 1897: ,, Dr. med. für Frauen- und Kinderkrankheiten". Es sei dazu bemerkt, daß es Professor Koßmann beliebte, als Pfuscherin eine sehr angesehene Aerztin zu bezeichnen, die ordnungsmäßige Studien ab­solvirt und die Doktorwürde, sowie Approbation als praktischer Arzt im Ausland erhalten hatte. Dies aber nicht etwa wegen ungenügender Kenntnisse, sondern lediglich in Folge der reaktionären Bestimmungen, welche damals den Frauen verwehrten, die medizinischen Staats­prüfungen in Deutschland   zu bestehen. Die Denunziation des lang­jährigen unbeanstandeten Gebrauchs als einer Gesezwidrigkeit ist ein 3weig vom Stamme jener Konkurrenzfurcht, jenes Brotneids der Aerzte, der schon wunderbare Blüthen getrieben hat. Wir erinnern an die Hetze gegen die Kassenärztinnen in Berlin   und der Rhein­ provinz  . Was die Anklage vor dem Schöffengericht anbelangt, so wurden die sieben Aerztinnen freigesprochen, welche falscher Bezeich nungen im Adreßbuch beschuldigt waren. Leider war jedoch die Frei­sprechung keine grundsätzlich entscheidende, sie erfolgte vielmehr, weil Preßdelikte nach sechs Monaten verjähren. Hoffentlich halten die Aerztinnen ihre Bezeichnungen im Adreßbuch aufrecht und führen da­durch eine grundsätzliche Entscheidung herbei. Eine Aerztin wurde verurtheilt, weil ihr Schild die Inschrift trägt: praktischer Arzt, approbirt in der Schweiz  , und nicht Dr. med., approbirt in der Schweiz  . Nach der Gewerbeordnung darf sich nur Arzt" nennen, wer in Deutschland   approbirt ist. Die Delinquentin" hatte übrigens im Bunde mit der Polizei das Gesetz gebrochen", denn diese hatte die betreffende Bezeichnung bewilligt. Vor fünf Jahren war der Staatsanwaltschaft das nämliche Vergehen denunzirt worden, doch hatte sie damals das Verfahren eingestellt. Die Aerztin wurde diesmal zu 3 Mt. Strafe verurtheilt. Der nämliche, engherzige, zopfige Zunftgeist, der den Prozeß verursacht hatte und ihm seinen Stempel aufdrückte, kam auch in den Formen desselben zum unverfälschten Ausdruck. Der Prozeß wurde nämlich geführt ,, Wider die unverehelichte Tiburtius, wider die unverehelichte Bluhm, wider die unverehelichte Hacker u. s. w." Bei den Anreden wurden die Aerztinnen nicht mit ihrem Titel bezeichnet, sondern als Fräulein so und so, oder auch nur als die Hacker" 2c. Der Prozeß ist ein Dokument für die unsagbar niedrige und klein­liche Gesinnung, welche Zunftgeist und Konkurrenzfurcht in widerlicher Ehe gezeugt haben. Die muthigen Frauen, welche sich trot vieler Hindernisse die Möglichkeit zur Ausübung eines schweren, opfer­heischenden Berufs erkämpft haben, werden sich durch die Nücken und Tücken bestimmter ärztlichen Kreise ebenso wenig schrecken lassen, wie durch das Kleben der Behörden an dem Wortlaut von Bestim­mungen. Sie werden weiter arbeiten, weiter kämpfen.

Das aktive und passive Wahlrecht zu den österreichischen Aerztekammern ist den Frauen nun endgiltig durch den Verwal­tungsgerichtshof zuerkannt worden. Bekanntlich war der ersten Aerztin, welche an der Wiener Universität   promovirt hat, Baronin Gabriele Possanner  , das Wahlrecht für die Wiener   Aerztekammer verweigert worden. Das Ministerium des Innern bestätigte die Verweigerung. Der Verwaltungsgerichtshof erkannte jedoch, daß allen weiblichen Doktoren der Medizin, welche nach Ablegung der Prüfungen ord­nungsgemäß promoviren, das aktive und passive Wahlrecht zu den Aerztekammern gesetzlich ebenso zusteht wie den männlichen Doktoren.

Die Zahl der weiblichen Inspektoren für Elementarschulen soll in England laut Beschluß des obersten Schulraths vermehrt werden. Die Inspektorinnen der Elementarschulen beziehen ein Jahres­gehalt von 150 Pfund Sterling, gleich 3000 Mark.

Die Frauenfrage soll auf dem sechsten Charitastage ver­handelt werden, der vom 15. bis 17. Juli in Aachen   stattfinden wird.

Die Zuerkennung der gleichen elterlichen Gewalt für Mütter wie Väter ist vom Unterhaus des Staates Illinois   mit 119 gegen 1 Stimme und vom Senat mit 38 gegen 8 Stimmen be­schlossen worden. Im Staate Massachussets forderten mehrere Petitionen von Frauenvereinen für die Mütter das gleiche Recht. Die Kommissionen äußerten sich zu Gunsten derselben, doch ist ihre Berathung im Plenum auf die nächste Session vertagt worden.

Eine Frau als Vertreterin der Cherokesen vor dem Kon­greß der Vereinigten Staaten  . Die Cherokesen forderten von dem Kongreß der Vereinigten Staaten  , der in Washington   tagt, bestimmte Garantien für ihren Besitz an Ländereien. Mit ihrer Ver­tretung hatten sie eine Frau, Madame Sanders, betraut. Diese reiste in Begleitung von 700 Cherokesen nach Washington   und führte dort die Unterhandlungen mit der Kommission, welche sich mit den Angelegenheiten der Indianer zu beschäftigen hat.

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Drud und Berlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .