Arbeiterinnen kennen sehr wohl die gesundheitsschädlichen, oft mörde­rischen Folgen einer zu frühen Wiederaufnahme der Arbeil. Das beweist ja unter Anderein der ihrerseits so lebhast geäußerte Wunsch auf Verlängerung der Schutzzeit. Aber der Hunger, dieser schreckliche, unerbittliche Feind der Armen, der seine Opfer körperlich und seelisch zu Grunde richtet, er treibt sie mit Geißelhiebe» wieder zur Arbeit. er läßt sie sehenden Auges ins Verderben rennen. Da thut es doppelt und dreifach noth, daß die Arbeiter beider Geschlechterihre Köpfe zusammenrotten zum Schutz gegen die Schlange ihrer Qualen und als Klasse ein Staatsgesetz erzwingen, ein übermächtiges gesell­schaftliches Hinderniß, das sie selbst hindert, durch freiwilligen Kon­trakt mit dem Kapital sich und ihr Geschlecht in Tod und Sklaverei zu verkaufen".' Das vom Medizinalkollegium erbetene ärztliche Gut­achten erklärt zur Frage Folgendes: Vom rein ärztlichen Standpunkte, der nur damit zu rechnen hat, in wie langer Zeit die durch die Schwangerschaft gesetzten Ver­änderungen nach stattgehabter Entbindung zur Norm wieder zurück­gebildet sind oder doch wenigstens soweit Rückbildung erfuhren, daß man den Körper als für alle Thätigkeiten, d. h. also Hausarbeit, Fabrikarbeit und sonstige gewerbliche Beschäftigungen, fähig erachten kann, ist ein Zeitraum von 4 und günstigenfalls 6 Wochen als ent­schieden zu gering bemessen zu erachten. Er ist zu gering für Frauen, die nähren und deshalb einer besonderen Schonung bedürfen, als auch für solche, welche ihr Kind nicht an der Brust haben. Besonders ist bei Beurtheilung der vorliegenden Frage noch im Auge zu behalten, daß es sich hier um die unbemittelten und durchschnittlich mit reichem Kindersegen beglückten Frauen der arbeitenden Klassen handelt, welche viel und oft schwere Hausarbeit selbst und ohne Hilfe zu verrichten haben und sich deshalb aus den Wochenbetten weit langsamer er­holen, als besser bemittelte Frauen. Soweit ärztliche Wünsche dem­nach mitsprechen, sei die gesetzliche Schutzzeit um 2 Wochen zu ver­längern, so daß 6 Wochen als die stets nothwendige Frist gelten, die durch ärztliches Attest noch um 2 Wochen erweitert werden darf. Dieser Veränderung wäre aber nur dann der von ihr gewollte prak­tische Nutzen gesichert, wenn gleichzeitig mit ihr der Z 20 des Kranken­kassengesetzes die analoge Modifikation erhielte." Auch vom Medi­zinalkollegium wird darauf verwiesen, daß ohne Aenderung des Krankenkassengesetzes die Noth und, heißt es weiter, der Wunsch nach Verdienst die Frauen zur Arbeit treiben würde. Der Gewerberath fügt dem noch das Nachstehende hinzu. In Hamburg   seien hinreichend genug Frauen erwerbsthätig, damit in ihrem Interesse und zu Gunsten der von ihnen geborenen und großzuziehenden Generation die vorgeschlagene Erholungsfrist dringend zu wünschen sei. Dagegen sei die Zahl der erwerbsthätigen Frauen doch nicht so * Karl Marx  . DasKapital", 1. Band, Seite 2KK. Grünes Reis unterm Schnee. Von L. Anzengruber." (Schluß.) Eine aufdringliche Wärme umwallte sie plötzlich, in den er­starrten Gliedern begann es auf ganz schmerzhafte Weise zu prickeln und zu rieseln, und unter dieser unangenehmen Empfindung wachte sie auf, öffnete die Augen und besann sich. Sie lag in eine grobe Kotze eingehüllt, auf einem Feldbett und dieses stand in einem kleinen Stübchen, dessen Wände waren von Holz, das einzige Fenster verfinsterten hängende Zweige der Tannenbäume, und die Thüre führte hinaus in den Wald. Es war das Innere der Waldhegerhütte, und wenn es das war, so mußte ein Blechofen dort in der Ecke stehen. Ein wenig hob sie den Kopf, der Ofen stand dort und sah rothglühend her, auf dem Stuhle neben dem Bette lag ihr nasses Umhängtuch, das dampfte, und Rauch durchzog die Stube, da mußte sie husten. Ein Mann, der in Hemdärmeln nahe dem Ofen stand, ließ das Stück Holz und die Feuerzange, die er in den Händen hielt, zur Erde fallen und wendete sich um. Die wettergebräunte Haut seines Gesichts stach gar sonderbar gegen die Schneeweiße seines struppigen Haares und Schnauzbartes ab, und der letztere war bedenklich zwischen der Geierschnabelnase und dem Kinne eingeklemnit. Der Waldheger wischte sich mit beiden Aermeln über das schweißtriefende Gesicht.No lahnst(thauesl) D' mir endlich auf?" sagte er.Hab' schon glaubt, ehender muß ich verbraten * Aus L. AnzengrubcrsGesaimiiclte Werke". Dritter Band: Dors- giinge. Verlag der I. G. Cottaschen Buchhandlung, Stuttgart   1897. groß, daß die Befürchtung gehegt iverden könne, den Kassen werde durch die geforderten Maßnahmen eine nicht leicht zu tragende Be­lastung erwachsen. Die Verlängerung der Schutzzeit um weitere 2 Wochen sei bereits im Hinblick auf die Durchführbarkeit der Maß­regel so niedrig angesetzt, als es mit den gesundheitlichen Interessen noch vereinbar wäre. Wie wohlthuend berühren der Ernst, die Ge­wissenhaftigkeit und das sozialpolitische Verständniß, die uns aus diesen Aeußerungen entgegenleuchten, im Vergleich zu Gutachten und Erklärungen von Aerzten und Fabrikinspektoren aus anderen Bezirken. So befürwortet beispielsweise ein Kassenarzt in Potsdam   die Wiederaufnahme der Arbeit 4 Wochen nach der Entbindung, da die schon bestehenden Vorschriften störend genug in die wirthschaftlichen Verhältnisse der Arbeiterin eingriffen. Hervorragende Gynäkologen hätten Frauen 4 Wochen»ach überstandener Laparotomie(Bauch­schnitt) stehend das Arbeiten gestattet. Daß Arbeite» und Arbeiten sehr verschieden sein kann, daß freiwillig irgend eine Arbeit kurze Zeit verrichten und in der Fabrik endlos lange Stunden bestimmte Arbeiten ausführen und ein gewisses Quantum Arbeit liefern müssen, himmelweit verschiedene Dinge sind, füllt dem Herrn Doktor augen­scheinlich nicht ein. Ein Darmstädter   Arzt äußerte sich zur Frage ebenfalls sehrverständig". Er erklärt nämlich kategorisch, daß der Schutz von 4 Wochen nach der Niederkunft genüge, denn man höre und staune! Ein Professor in Göttingen   lasse die Wöchne­rinnen in der Klinik bei normalem Verlauf der Entbindung sogar schon 3 Tage darnach sich bewegen!! Bei diesem Jünger Aeskulaps scheint sich bewegen und täglich 10 bis 11 Stunden der Erwerbs­arbeil nachgehen ein und dasselbe zu sein. Gegenüber so viel Weis­heit verhüllen wir demüthig unser Haupt und flehen zerknirscht: O Herr, verzeihe uns unsere Unwissenheit! Doch sei gleichzeitig den beiden einsichtsvollen, weisen Gutachtern verrathen, daß, wie das Resultat der Erhebung beweist, die weitaus meisten Aufsichtsbeamte» und befragten Aerzte dem erweiterten Wöchnerinnenschutz das Wort geredet haben, und daß auch viele Fabrikinspektoren und befragte Aerzte für den Schutz der Schwangeren eingetreten sind. So haben unter Anderem die Fabrikinspektoren für Unterfranke», Württem­berg II, Offenbach  , Hannover  , Baden den besseren Schutz der Wöch­nerinnen empfohlen. In Berlin   forderten Aerzte und das Gewerbe­gericht ausnahmslos den Schutz der Schwangeren, für den sich auch der Gewerberath von Frankfurt   a. O., der Medizinalrath von Pots­dam, ein Arzt in Köln   und unter Umständen die Handelskammer von Aachen   u a. m. erklärten. In denSozialistischen Monatsheften"' hat Or. Zadel nament­lich auch im Interesse des Säuglings einen Wöchnerinnenschutz be­fürwortet, der weit über unsere Forderungen hinausgeht. Sicherlich * Sozialistische Monatshefte, Heft III, 1901. und verprasseln. Was hast denn Du aber auch bei so ein' Wetter heraust z' suchen?" Den Weg nach'm Armen-Leut'-Haus", sagte sie. Oho", sagte er und ließ sich ihre Geschichte erzälen, und als sie damit zu Ende gekommen mar, begann er:Schau, alt' Regerl, was sollst Du Dich in Dein' Täg'n mit fremde Leut' h'rumbalgen? Taugt's Dir, so bleib' bei mir, da is auch a Arme-Leut'-Hütt', indem wir Gott sei Dank allzwei mit einander nix hab'n, aber friedsam gung's doch zwischen uns her." No, aber was möcht' ich denn da verrichten?" fragte Alt-Regerl. Was verrich'st denn dort? In uns're Jahr' reißt mer nix mehr z'samm' und baut mer nix mer auf. In Ruh säßest!" Was thäten aber auch d'Leut' dazu sagen?" Ei mein, ich denk', wir zwei könnten s' wohl schon reden lassen! Die Ein', die sich besinnen, daß vor Zeiten die Red' war, wir hätten uns einmal gern g'seh'n, die werd'n sich die Sach' reimen, und die Andern, denen kein Spruch drauf einfallt, die laß Du große Augen machen. Bleib' Du da, und weil wir sich kein' and're Treu' beweisen durften, soll der, dem's bestimmt is, dem Andern die letzte erweisen. No, ich für mein' Theil nimm's nit Gott noch Welt übel, daß's kommen, wie's kommen is, aber Du, armer Hascher, hast ans Weiberevangeli glauben müssen, ans Mannnehmen und Kinderkrieg'n; Du hast es auskost't, was s' d' weltlich' Freud' nennen, der die Pfaffen schlau g'nug aus'm Weg gehen,'s Zusammengesperrtsein taugt einmal'm Menschen nit." Die alte Negerl setzte sich im Bette auf, schlug mit der Rechten auf die grobe Kotze und sagte:So? Und nun sollt' ich mich doch mit Dir z'samm'sperr'n lassen?"