die betreffende Arbeit sehr schwer und anstrengend ist und die Arbeitenden der Unbill der Witterung aussetzt. Wenn auch die Frauen der Kahnführer keine zerbrechlichen Salondämchen sind, so machen sich doch die Folgen der harten Arbeit, die oft unter un­gesunden Bedingungen vor sich geht, nachtheilig, ja verhängnißvoll bemerkbar. Der wirthschaftliche Gewinn" der Arbeit ist um so geringer, als die Familie durch die Abwesenheit der Frau vom Hause meist gezwungen wird, die Kinder in Pflege und Kost zu geben. In einem Falle mußte der Kahnführer fünf Kinder in Pension geben, damit seine Frau mit ihm zusammen arbeiten konnte. Man rechne nach, wieviel dem Ehepaar als Lohn" für die gemeinsame Frohn blieb! Wie gering aber auch der Verdienst ausfallen mag: die bittere Noth zwingt die Familie, wenigstens diese Bettelpfennige zu erwerben, und so muß auch die Frau zur Arbeit heran. Wie im Fabrik­proletariat, so sind es also auch hier das Elend, der Hunger, die zur Mitarbeit der Frau treiben. Die Frauen, welche mit ihren Männern auf den Oderfähnen arbeiten, flagen vielfach über ganz ungerecht­fertigte Lohneinhaltungen. Ein besonderes krasses Beispiel dafür sei hier angeführt. Ein Fischer hielt einer Arbeiterin den Lohn für sechswöchentliche Arbeit inne, weil ihr Mann, ein Trunkenbold, als untauglich zur Arbeit plötzlich entlassen werden mußte. Das arme Weib ist sicher schon mehr als genug dadurch gestraft, daß es an einen Trunkenbold gekettet ist und ihm das Brot verdienen muß. Es ist aber äußerst bezeichnend für die beutegierige Natur der heutigen Wirthschaftsordnung, daß der Unternehmer aus dem Unglück der Arbeiterin Profit zu schlagen bemüht war, sich nicht damit be­gnügte, die Arbeitskraft der Frau auszubeuten, sondern obendrein E. J. noch ihren persönlichen Jammer gewissenlos ausnutzte.

Gesetzlicher Arbeiterinnenschutz.

Zur Frage des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes ist kürzlich eine beachtenswerthe Broschüre erschienen: Die Erwerbsthätigkeit der Frau und ihre soziale hygienische Bedeutung von Dr. P. Epstein, prakt. Arzt in München.  ( Preis 80 Pf., Frankfurt   a. M. 1901, Dr. Eduard Schnapper, Verlagsinstitut für Sozialwissenschaften.) Dem Schriftchen liegt ein Vortrag des Verfassers im Münchener  sozialwissenschaftlichen Verein zu Grunde. Der Vortrag ging von der heute viel erörterten Frage aus, inwieweit die Bestrebungen wirklich erwünscht oder durchführbar sind, die Fabrikarbeit der Frauen im Allgemeinen und insbesondere die Arbeit der verheiratheten Arbeiterinnen einzuschränken oder gar zu verbieten. In der Haupt­sache kommt der Verfasser zu den gleichen Schlüssen wie die sozia­listische Kritik der betreffenden fozialpolitischen Forderungen des Zentrums. Die werthvollen Angaben, welche der Verfasser über gesundheitsschädigende Folgen industrieller Frauenarbeit aus der medizinischen Literatur und aus persönlichen Erfahrungen gemacht, sind in einer so populären und gut lesbaren Form gehalten, daß die ein­fachste Arbeiterin das Schriftchen mit Nutzen lesen kann. Wichtig sind auch die Bemerkungen über die Krippen, die ja leider in unseren heutigen Verhältnissen für die Kinder der Fabrikarbeiterinnen nicht entbehrt werden können. Dr. Epstein stellt fest, daß die Privatwohl­thätigkeit allein den in dieser Hinsicht vorliegenden Aufgaben durch­aus nicht gewachsen ist, und daß eine regelmäßige und sorgfältige Ueberwachung der Krippen durch Aerzte und Aerztinnen stattfinden müßte. Der Verfasser macht auch auf die große Bedeutung der Unter­ernährung der Arbeiterinnen aufmerksam, die schon an sich neben der Fabrikarbeit Tuberkulose   und Blutarmuth verursacht. Schärfer als gegen die Fabrikarbeit der Frau, die im modernen Wirthschafts­leben doch nicht entbehrt werden kann, spricht er sich gegen die viel In der gefährlichere Heimarbeit und Bauarbeit der Frauen aus. Uebersicht der beruflichen Erkrankungsursachen industrieller Arbeite­rinnen vermissen wir, daß die Erkrankungsgefahr durch Milzbrand­sporen fehlt. Das kleine Schriftchen, das nichts besonderes Neues bringen will, ist sehr werthvoll und nüßlich durch die Zusammen­stellung des Materials, das den Arbeiterinnen nur schwer oder auch gar nicht zugänglich ist, und durch den Standpunkt, von dem aus dieses Material verarbeitet wurde. Aus all diesen Gründen empfiehlt sich die Anschaffung der Broschüre für alle diejenigen Organisationen, die mit der Frauenarbeit in ihrem Gewerbe zu rechnen haben.

Frauenbewegung.

a. br.

Der Verband fortschrittlicher Frauenvereine hält seine diesjährige Versammlung vom 3. bis 6. Oktober ab. Auf der Tages­ordnung der öffentlichen Sitzungen stehen folgende Punkte: 1. Die Arbeiterinnenfrage( Fräulein Else Lüders- Berlin  ). 2. Die Waisen pflege mit Bezug auf das Fürsorgeerziehungsgesetz( Frau Schaaf

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Charlottenburg). 3. Die gemeinschaftliche Erziehung der Geschlechter ( Fräulein Dr. phil. Helene Stöcker  - Berlin  ). 4. Die Gründung von Rechtsschutzstellen( Fräulein Dr. jur. Marie Raschke  - Berlin  ). 5. Die politische Erziehung der Frau( Fräulein Dr. jur. Anita Augspurg  ). 6. Das Krankenversicherungsgesetz( Herr Dr. Silbermann- Berlin  ). 7. Bericht der Delegirten, die Verbandsarbeiten betreffend. 8. Be­sprechung der vorzunehmenden nächsten Arbeitsgebiete. 9. Wahl des Vorstandes. Zu den Punkten 1 bis mit 6 ist Diskussion vorgesehen. Der Geschäftsbericht des Vorstands, Kassenbericht, Organisations­fragen, Anträge 2c. werden in einer Mitgliederversammlung ver­handelt. Der Verband veranstaltet außerdem eine öffentliche Ver­sammlung, in der Dr. med. Flesch- Frankfurt a. M. über Hygiene und Sittlichkeit referiren wird, sowie eine öffentliche Kundgebung zum Zolltarifentwurf. Das Programm der Versammlung des Ver­bandes, wie der Umstand, daß die Sitzungen im Reichstagsgebäude  stattfinden, bestätigen wieder einmal mit herzerfrischender Deutlichkeit, daß von Seiten der Behörden der bürgerlichen Frauenrechtelei und der proletarischen Frauenbewegung mit zweierlei Maaß gemessen wird. Jede proletarische Frauenorganisation, welche sich mit Fragen beschäftigen würde, wie: Die politische Erziehung der Frau und Das Krankenversicherungsgesetz; welche sich erdreistete, eine öffentliche Kundgebung zum Zolltarifentwurf einzuberufen, verfiele in Preußen und anderwärts als politisch und gesetzbrecherisch unfehlbar der Auflösung. Ihre Verbandsmitglieder würden angeklagt und ver­urtheilt ,, von Rechtswegen". Den Leiterinnen der bürgerlichen Frauen­organisation, die sich mit politischen Angelegenheiten befaßt, geht keine Aufforderung zu, sich vor dem Kadi zu verantworten, dagegen die höfliche Mittheilung, daß dem Verband ein Saal des Reichs­tagsgebäudes für seine Zwecke zur Verfügung steht. Deutschland   ist das Land der vollendetsten Rechtsgarantien", und wer es dem Grafen Posadowsky nicht glaubt, der zahlt dem Reichsamt des Innern nach berühmten Mustern zwar nicht zwölftausend Mark, wohl aber einen Thaler.

Eine Monatszeitschrift für die indischen Frauen, die, wie das Pariser Tageblatt" La Fronde" nur von Frauen geschrieben und gedruckt wird, giebt eine frauenrechtlerische Organisation von Hindu­damen in Baranagar heraus.

Eine Bauschule für Frauen wird demnächst in Berlin   ins Leben treten. Das neue Institut will durch Erschließung des Bau­fachs für Frauen dem weiblichen Geschlecht einen neuen lohnenden Erwerbszweig zugänglich machen. Es soll zunächst mit der Heran­bildung von Bauzeichnerinnen, bautechnischen Hilfsarbeiterinnen 2c. begonnen werden, wie solche in anderen Ländern bereits mit gutem Erfolg thätig sind. Die Lehrgegenstände sind Konstruktionszeichnen, Formenlehre, Architektur, Entwerfen, Veranschlagen, höhere Mathe­matik und Statif.

Stellung des Justizdepartements der Schweiz   zur Frage der Frauenrechte. Das eidgenössische Justizdepartement hat dem ,, Bunde schweizerischer Frauenvereine" eine eigene Vertretung gewährt in der Kommission, welche mit der Vorberathung des fünf­tigen schweizerischen Zivilgesetzes betraut ist. Der Beschluß stellt ein anerkennenswerthes Aufdämmern der Erkenntniß dar, daß die Gesetze ebenso die Interessen der Frauen wie diejenigen der Männer berühren und daß sie deshalb Sache beider Geschlechter sein müßten. Der Bund schweizerischer Frauenvereine" hat mit seiner Vertretung Pro­fessor Gmür von der Universität Bern   betraut.

Frauenstimmrecht.

Die belgischen Sozialisten und das Franenstimmrecht. Wie wir an dieser Stelle wiederholt berichteten, bestehen im Lager der belgischen Sozialisten Meinungsverschiedenheiten darüber, ob gegenwärtig das Eintreten für das Frauenstimmrecht im Interesse der sozialistischen   Bewegung geboten sei oder nicht. Die Ansichten über die strittige Frage sind noch nicht geklärt. In Versammlungen und in der Presse werden die Debatten darüber fortgesetzt. In einer Versammlung der Genter Parteigenossen wurde kürzlich die Frage von ihrer prinzipiellen und ihrer praktischen Seite aus erörtert. Die Freunde des Frauenstimmrechts waren in der Mehrheit. Die Frau stehe dem Manne nicht nach, weder an Energie, noch an Intelligenz, noch an Aufopferungsfähigkeit, so machten sie geltend. Die Befürch­tungen eines Theiles der Sozialisten, die Verleihung des Stimmrechts an die Frauen könne dem Fortschritt schaden, seien übertrieben. Wie die Frau, so stehe auch ein großer Theil der Männer noch unter dem Einfluß der Geistlichen. Die Sozialisten verweigerten den vlämischen Bauern das Wahlrecht nicht, und doch wählen diese klerikal. Es könne auch nicht behauptet werden, daß alle Frauen noch klerikal seien; sie seien es nicht in den großen Städten und in den Industrie­zentren. Wenn wirklich in Folge des Frauenstimmrechts ein Rück­