Verdienst ist im Tage 1,84 Mt. bei 14 stündiger Arbeitszeit, dagegen verdient neben dem Hauswesen eine Frau z. B. nur 52 Pf. im Tage. Es wird so nach und nach diese Hausindustrie aussterben. Dagegen war heuer sehr lebhaft, wie seit fünf Jahren nicht mehr, die Stroh­bezw. Panamahutflechterei, welche in fünf Dörfern mit etwa 70 Haus­haltungen an der elsaß  - lothringischen Grenze eingeführt ist. Hier nur trifft man ausschließlich nette und gute, seltener arme Haus­haltungen; meistens nur Mädchen flechten im Winter und Frühjahr Hüte und gehen zu acht und zehn zusammen, was sie Maien" heißen. Die alten Männer und nach geschehener Tagesarbeit Abends die jungen Burschen richten das Material, die sogenannten gebleichten Palmenblätter, welche in Streifen geschlitzt und glatt geputzt werden. Der tägliche Verdienst bei 12- bis 14 stündiger Arbeitszeit ist 80 Pf. bis 1 Mt., bei feineren Hüten aus Reisstroh auch 1,50 Mt., diese werden jedoch seltener gemacht. Kinder fangen schon in frühester Jugend spielend die Flechterei an, erst mit dem zehnten und zwölften Jahre arbeiten sie neben dem Schulbesuche die gröberen Hüte und verdienen einige 30 bis 40 Pf. des Tags über, doch werden sie nicht strenge an die Arbeit gehalten, da das Anlernen zu viel Beihilfe beim Ein­flechten und Formen von den Erwachsenen verlangt, und diese die Zeit für ihre Arbeit besser ausnüßen. Im Sommer ruht diese Haus­industrie ganz. Die Hüte werden meist nach Saarbrücken   geliefert und dort zum Versandt fertig gestellt."

Die Revisionen und Erhebungen, welche den vorstehenden Mit­theilungen zu Grunde liegen, erstreckten sich auf 120 hausindustrielle Betriebe oder Familien. In den meisten Fällen wurde hier die Schuhindustrie, in einigen die Seidenindustrie und in 19 die Strohhut­flechterei betrieben. Als Arbeitskräfte kamen in Betracht 158 zur Familie gehörende erwachsene weibliche Personen, 11 Töchter der Hausindustriellen und 2 fremde Mädchen von 14 bis 16 Jahren, 3 Töchter der Strohhuthausindustriellen unter 14 Jahren, die nicht mehr schulpflichtig und 5 weitere, die noch schulpflichtig waren.

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Leider bekundet die Assistentin in der angeführten Schilderung eine zum Theil optimistische und unkritische, gleichzeitig aber auch widerspruchsvolle Auffassung und Beurtheilung der Hausindustrie. Erst schildert sie, zweifellos in voller Uebereinstimmung mit den That­sachen, das in der unendlich langen Arbeitszeit und in den unsäglich ärmlichen Hungerlöhnen sich äußernde Elend der Hausindustrie, unter dessen Druck die Kinder, das Hauswesen und die Fran selbst völlig vernachlässigt und verwahrlost werden, so daß der Schaden größer ist, als der Nutzen. Gleich darauf redet sie jedoch von der segens­reichen" Wirkung der Hausindustrie. Das sind recht unvereinbare Widersprüche. Alle die Fabrikinspektoren, welche sich eingehender mit dem Wesen und den Verhältnissen der Hausindustrie beschäftigt haben, sind zu Gegnern derselben geworden. Sie wenden sich gegen eine weitere Ausdehnung dieser gemeinschädlichen Produktionsform und fordern die Unterstellung der Hausindustrie unter die Arbeiterschutz­gesetze wie unter die Gewerbeaufsicht. Hoffentlich reift auch die Er­fenntniß der Münchener Assistentin noch so weit, daß sie sich den einschlägigen Standpunkt zu eigen macht. Die Nürnberger   Assistentin hat ebenfalls Untersuchungen über die hausindustriellen Verhältnisse vorgenommen und zwar hauptsächlich in Unterfranken  . Wir erfahren da, daß im nördlichen Spessart die Perl- und Flitterstickerei für einige wenige auswärtige Firmen in Berlin  , Frankfurt   und Offen­ bach   gegen sehr geringe Entlohnung betrieben wird. Bei fast un­unterbrochener Arbeit vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein soll der tägliche Verdienst nur 60 bis 80 Pf. und 1 Mt. betragen und nur im günstigsten Falle bei besonderer Gewandtheit 1,10 Mt. erreichen. Auch die Kinder, welche mit dem Anreihen der Perlen und Flitter beschäftigt werden, arbeiten wohl vielfach wenigstens in einem Orte nach Aussage des dortigen Lehrers den ganzen Abend hindurch bis 10 und 11 Uhr. Nach den Aussagen der Lehrer anderer Orte und der Leute selbst sollen dagegen die Kinder nicht so lange beschäftigt sein und meist schon um 9 Uhr zu Bette gehen. Immer hin wird nach dem Bericht der Assistentin von den verschiedenen Lehrern übereinstimmend eine gewisse Abspannung der Kinder des Morgens in der Schule als unverkennbare Thatsache konstatirt. Die Beschäftigung des Perl- und Flitterstickens ist sehr anstrengend und für die Augen um so schädlicher, als sie hauptsächlich im Winter und bei schlechtester Beleuchtung betrieben wird. Die Assistentin be­richtet demzufolge Klagen über anstrengende Arbeit und über Augen­schwäche. Das Aussehen der Mädchen- vorwiegend sind nur Mädchen mit der Perl- und Flitterstickerei beschäftigt-, namentlich der ärmeren, wird als ein ,, aufgedunsen bleiches" geschildert. Im Berichtsjahr wurde der Verdienst noch empfindlich gedrückt durch das Ausbleiben von Aufträgen in Folge des Krieges zwischen England und Transvaal  . Summa Summarum dessen, was die Nürnberger   Assistentin über die Hausindustrie berichtet: sehr lange Arbeitszeit, schlechtester Lohn, ungesunde Arbeitsbedingungen, das heißt hochgradiges Elend.

Daß die kapitalistische Gesellschaft diesem Elend Alles in Allem mit in den Schoß gelegten Händen zusieht, ist recht kennzeichnend für ihr ausbeuterisches Wesen, das der Rücksicht auf den Profit das Wohl und Glück der arbeitenden Massen opfert. An dem Proletariat liegt es, mit aller Energie den Kampf gegen das Heimarbeiterelend zu führen und die Hebung der Bevölkerungsschichten zu erstreben, die ihm verfallen sind. D. Z.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Mehrere Versammlungen in verschiedenen Gegenden Deutschlands   hielt Genossin Kähler- Dresden in letzter Zeit ab. In Schönberg( Oberlausit) sprach sie in einer öffent­lichen Versammlung der Textilarbeiter und Arbeiterinnen, die über­wiegend von älteren Hauswebern besucht war. Die Versammlung legte Zeugniß davon ab, daß auch diese Arbeiterkategorie zum Be­wußtsein ihrer Lage und der Nothwendigkeit des Kampfes für bessere Lebensbedingungen zu erwachen beginnt. Trotz der sprichwörtlichen Armuth der Hausweber wurden in Schönberg Abonnenten für die Arbeiterpresse gewonnen. Ueber die traurigen Arbeitsverhältnisse am Orte werden wir gelegentlich noch berichten. Die Reformvorschläge der Regierung" besprach Genossin Kähler in einer gut besuchten öffentlichen Versammlung der Schneider und Schneiderinnen zu Stettin  , einem Hauptzentrum der Konfektionsindustrie. Auf die traurigen Arbeitsbedingungen der Stettiner Konfektionsarbeiterinnen kommen wir an anderer Stelle zurück. Die Versammlung brachte dem Verband deutscher   Schneider und Schneiderinnen einen Mit­gliederzuwachs von 20 Personen. Vor den ungelernten Arbeitern und Arbeiterinnen von Kolberg   referirte Genossin Kähler über Die Organisationsbestrebungen der Arbeiter im 20. Jahrhundert". Leider steht den Arbeitern in Kolberg   nur ein kleines Lokal zur Ver­fügung. Die Versammlung war sehr gut besucht und führte dem Fabritarbeiterverband neue Mitglieder zu. Es geht vorwärts, dem Kapital zum Truz, der Arbeit zum Schutz, das ist der Eindruck, den die Referentin aus Kolberg  , wie aus den beiden anderen Orten mit heimnahm. W. K.

Tausende von Arbeiterinnen sind in der Kleineisenindustrie des Sauerlandes( Westfalen  ) beschäftigt. Sie für die Arbeiterbewegung zu gewinnen, war der Zweck einer Agitationstour, die Genossin Zieß- Hamburg vom 9. bis 17. September in der Gegend unter­nahm. Krisis und Brotwucher" lautete das Thema, über das sie. in Hohenlimburg   sprach. In der Versammlung waren außer der Wirthin und zwei jungen Mädchen zur Bedienung keine Frauen er­schienen, wohl aber standen eine Anzahl Proletarierinnen hinter den Fenstern. Im Sauerland   müssen die Frauen erst allmälig an den Versammlungsbesuch gewöhnt werden. Von Hohenlimburg   führte uns das Dampfroß durch das herrliche Lennethal über Letmathe   nach Altena  , wo eine prächtig besuchte Versammlung stattfand, leider ebenfalls ohne Frauen. Die Männer versprachen, das nächste Mal wenigstens ihre eigenen Frauen zum Besuch der Versammlung zu veranlassen. Außerordentlich industriereich ist das ganze liebliche Rahmedethal, durch welches der Weg uns nach Lüdenscheid   führte. Welche Mannigfaltigkeit der Fabrikationszweige hier. Da giebt es Drahtziehereien, Strick- und Häkelnadelfabriken, Fabrikation von Knöpfen, Spangen, Fingerhüten, Gardinenringen, Schirmfournituren, Fahrradfabriken u. s. w. Des Wassers und des Feuers Macht ver­bündet sieht man hier." Vielfach wird das Wasser der Rahmede als motorische Kraft verwendet, doch daneben sieht man auch Betriebe, deren gewaltige Schlote himmelan ragen. Dazwischen liegen Stein­brüche, in welchen dem Schoße der Berge die reichlich vorhandene Grauwacke entnommen wird. Eine Steinklopfmaschine bearbeitet sofort diejenigen Steine, die der Baumeister verworfen hat und die zwar nicht zu Ecksteinen, jedoch zu Schottersteinen für den Chauffee­bau verwendet werden. Bei Letmathe   wiederum sieht man, wie die Kalkindustrie die Berge buchstäblich auffrißt. Auf der anderen Seite entströmen giftige Dämpfe der im Thale   gelegenen Zinkhütte und Schwefelsäurefabrik und vernichten vollständig die üppigste Vegetation. Arbeitsgelegenheit und Naturschönheiten sind in Fülle vorhanden, aber die Arbeiterschaft profitirt von beiden wenig. Denn trotz der reichen Industrie, welche, soweit die Eisendrahtindustrie in Frage kommt, die bedeutendste nicht nur in Deutschland  , sondern auf dem Kontinent ist, werden bei sehr langer Arbeitszeit überaus niedrige Löhne gezahlt.

In Lüdenscheid   war erfreulicherweise die Versammlung von einer ganzen Anzahl Frauen besucht, die mit sichtlichem Interesse dem Referat über Die Frau im Erwerbsleben" folgten und im Privatgespräch ihr Einverständniß mit dem Gehörten bekundeten. Vorüber an herrlichen Höhenzügen, fruchtbaren Thälern, großen in­dustriellen Unternehmungen führte uns die Eisenbahn, der den Weg