als Sie die Theilnehmer aufforderten, noch etwas in der Wirths­stube zu verweilen, nur die Warnung vor Fortsetzung der aufgelösten Versammlung in dem anderen Zimmer ausgesprochen, was er aller­dings hätte unterlassen können."

Während das Reichsgesetz von Rechts her den deutschen   Arbei­terinnen das Recht zur gewerkschaftlichen Organisation reicht, ent­reißen ihr die Behörden in Preußen und anderen deutschen   engeren" Vaterländern auf Grund einer kunstreichen Auslegung der einzel­staatlichen Vereinsgesetze von links her wieder das zuerkannte Recht. Denn auf Anderes läuft es in der That nicht hinaus, wenn die Arbeiterinnen wohl Mitglieder von Gewerkschaften sein, aber keiner Mitgliederversammlung derselben beiwohnen dürfen und ebenso wenig öffentlichen gewerkschaftlichen Versammlungen. Die behördliche Liebes­mühe, die Frauen aus allen Versammlungen fernzuhalten, sie abseits von der modernen Arbeiterbewegung zu drängen, stellt übrigens nur eine Seite der Praxis des Versammlungsrechts im Ruhrrevier dar. Hier, im Machtbereich der Industriebarone, steht das Vereinigungs­recht der Arbeiter meist nur auf dem Papier. Eines der beliebten Mittel, die öffentliche Ruhe und Sicherheit polizeilich zu schützen, besteht darin, Lokale, in denen Arbeiterversammlungen stattfinden sollen, mit Schanksperre zu beglücken. Zwar sind es immer nur Versammlungen der sozialdemokratischen Organisationen und der freien Gewerkschaften, welche durch die weise Fürsorge der Ordnungs­hüterei betroffen werden. Allein man braucht trotzdem nicht an der " guten Absicht" der Polizei zu zweifeln. Kürzlich wurden z. B. sämmtliche Lokale eines Ortes mit Schantsperre bedacht. Die Polizei hatte erfahren, daß die Genossen einer benachbarten Stadt anläßlich der Lassallefeier einen Ausflug nach dem betreffenden Orte unter­nehmen wollten, und sie sorgte deshalb für die öffentliche Ruhe in einer Weise, daß der ganze Ort in Folge des Massenaufgebots an Helmspitzen in Aufregung gebracht wurde. Von einem schönen Ge­rechtigkeitsgefühl für beide Geschlechter beseelt, streben die Polizei­behörden augenscheinlich darnach, durch verschiedene Mittel Arbeitern und Arbeiterinnen das Versammlungsrecht gleich illusorisch zu machen. ,, Lieb' Vaterland, kannst ruhig sein!"

W. D.

Resolution der Genossinnen gegen den Zolltarif. Nach­stehend die Resolution, welche die Genossinnen in den Frauenprotest persammlungen gegen den drohenden Zollwucher zur Abstimmung bringen.

Die am... in... versammelten Frauen und Mädchen pro­testiren mit allem Nachdruck gegen den vorgelegten Zolltarif, der in gemeingefährlichster Weise ihre Interessen als Konsumentinnen und Produzentinnen bedroht. Dieser Zolltarif bedeutet ein Attentat gegen den Beutel, das Erwerbsleben, die Lebenshaltung, Gesundheit, Bildung, Sittlichkeit und Freiheit der breiten Volksmasse zu Gunsten des Junkerthums und einzelner Kategorien der Großindustriellen.

Die Versammelten fordern deshalb die Ablehnung des Zoll­tarifs, langfristige Handelsverträge und Aufhebung aller Zölle und Abgaben auf Lebensbedürfnisse. Die Versammelten schließen sich der Protestaktion der Sozialdemokratie an, in der sie die einzige politische Macht erblicken, welche ihre Interessen auch in diesem Kampfe wahren wird.

Die Einberuferinnen und Leiterinnen der Protestversammlungen werden ersucht, der Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands  Mittheilung zugehen zu lassen von dem Stattfinden der Protest­versammlungen und der Zahl der Versammlungstheilnehmer.

Notizentheil.

Frauenstimmrecht.

Das Frauenstimmrecht und die belgischen Sozialisten. Der Generalrath der belgischen Arbeiterpartei hat in seiner Sigung vom 6. Oktober die neuerdings viel umstrittene Frage ent­schieden, ob es taktisch empfehlenswerth sei, die gegenwärtige Kam­pagne für Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts auch auf die Forderung des Frauenstimmrechts auszudehnen. Der Beschluß­fassung ging eine vierstündige Diskussion voraus, welche die Gründe zusammenfaßte, die seit Monaten für und gegen eine augenblickliche Aktion zu Gunsten des Frauenwahlrechts entwickelt worden sind. Das Prinzip der vollen politischen und sozialen Gleichberechtigung der Geschlechter wurde von Niemand bestritten. Die Debatten drehten sich lediglich um die taktische Seite einer gegenwärtigen Aktion zu Gunsten des Frauenstimmrechts. Die Gegner einer solchen beriefen sich vor Allem auf zwei Umstände. Auf den Augenblick@ vortheil, den die Einführung des Frauenstimmrechts unzweifelhaft der klerikalen Partei bringen würde. Auf den Widerstand der bürgerlich Liberalen, für die Eroberung des allgemeinen, gleichen Wahlrechts in einheit­

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licher Aktion mit den Sozialisten zusammen einzutreten, wenn diese auch für die Frauen das Wahlrecht forderten. Für das Frauen­stimmrecht sprachen die Genossen Vandervelde   und Destrée, sowie Ge­nossin Gil, dagegen die Genossen Maroille, Fauvieau, Smeets und De Bruyne. Zur Annahme gelangte mit 34 gegen 1 Stimme und 3 Stimmenthaltungen eine Resolution, welche das Prinzip der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter unzweideutig aner­fennt, aber erklärt, daß die Partei aus taktischen Rücksichten gegen­wärtig den Kampf für das Frauenstimmrecht einstellt. Die Resolution war von dem ,, Verband der sozialistischen   Frauen" eingebracht worden und wurde von Genossin Vandervelde   begründet. Sie lautet:

" In Erwägung, daß die politische Gleichheit der Geschlechter ein wesentlicher Grundsatz des Sozialismus ist; daß das Programm der Arbeiterpartei für die Frauen die Zuerkennung des aktiven und passiven Wahlrechts zu den Industrieräthen, Gewerbeschiedsgerichten, Gemeinde- und Provinzialräthen und Parlamente fordert;

aber in weiterer Erwägung, daß die augenblickliche Forderung des legislativen Frauenwahlrechts die Aktionseinheit der Anhänger des allgemeinen Stimmrechts für die Männer bedroht;

schlägt der Verband der sozialistischen   Frauen, dem das höhere Interesse der Arbeiterpartei am Herzen liegt, den Delegirten und Vertretern der Partei vor, die Bewegung zu Gunsten des allgemeinen Frauenstimmrechts bis zum Sieg des allgemeinen Männerstimmrechts zu vertagen.

Es wird jedoch in aller Form anerkannt:

1. daß die Agitatoren der Partei betreffs des Eintretens für das Frauenwahlrecht ihre volle individuelle Aktionsfreiheit bewahren; 2. daß, dem Programm der Arbeiterpartei entsprechend, alle sozialistischen   Vertreter im Parlament den in Uebereinstimmung mit dem Generalrath eingebrachten Gesetzentwurf votiren, der das all­gemeine Wahlrecht aller Belgier ohne Unterschied des Geschlechts zu den Kommunal- und Provinzialräthen fordert;

3. daß die Bezirksvorstände, die Agitatoren und die Presse so­fort eine energische Kampagne zur Förderung der politischen und gewerkschaftlichen Organisation der Frauen beginnen."

Ob der Beschluß des Generalraths in Sachen des Frauen­stimmrechts taktisch flug war, wird die Zukunft lehren. Die bürger­lich Liberalen in Belgien   sind im letzten Grunde eine reaktionäre Sippschaft. Das zeigt schon ihr Abscheu gegen das Frauenstimmrecht. Das zeigt das geltende Pluralwahlrecht, das zum großen Theil mit das Werk ihrer That- und Unterlassungssünden ist. Ob sie sich als eine zuverlässige Bundestruppe im Kampfe für das allgemeine, gleiche Männerwahlrecht erweisen, kann von vornherein keineswegs mit Sicherheit bejaht werden.

Die norwegischen Frauen und das Wahlrecht. Die prole­tarischen Frauen Norwegens   bereiten sich aufs Eifrigste für die in diesem Herbste stattfindenden Gemeindewahlen vor. Sie sind der Ansicht, daß sie das neugewonnene Wahlrecht am besten dadurch aus­nüßen, daß sie gemeinsam mit der Sozialdemokratie in den Wahl­kampf treten. Sie wissen, was sie wollen. Dagegen herrscht bei den bürgerlichen Frauen große Verwirrung. Sie wollen sich voraussichtlich feiner Partei anschließen und stellen eigene Frauenlisten" auf, auf denen freilich häufig auch Männernamen mit aufgeführt sind, weil es oft an geeigneten Damen fehlt. Die bürgerlichen Frauen wollen vor Allem unparteiisch" sein. Ihre Gewählten sollen gleichsam als Friedensengel in die Gemeindevertretungen einziehen und dem Kampfe der Parteien ein Ende machen. Eine ganz kindische Illusion, die zeigt, daß die norwegischen Frauenrechtlerinnen nicht wissen, in welcher Welt sie leben, und wie die politischen Verhältnisse liegen. Die Folge dieser unparteiischen" Politik wird sein, daß alle politischen Parteien die bürgerlichen Konfusionsräthinnen gleicherweise politisch verachten und als quantité négligeable" behandeln. Die Konservativen sind bekanntlich seiner Zeit für das Frauenwahlrecht eingetreten, weil sie darin ein Gegengewicht gegen das allgemeine Männerwahlrecht zu finden hofften. Nun sehen sie, daß die Neuerung zuerst nur den Sozialdemokraten zu Gute tommen wird. Die Sozialisten", so schreibt der Aftenposten"," stehen nun ihrem die Gesellschaft bedrohen­den Ziele näher, als je zuvor. Der Kampf gegen die Sozialisten ist der springende Punkt bei den kommenden Wahlen. Jetzt ist nicht die Zeit, um unpolitische Vereine zu gründen. Das Einzige, was man damit erreicht, ist die Zersplitterung und Niederlage der Partei, an deren Fortschritt man interessirt ist. Die sozialdemokratischen Frauen sind sich darüber vollkommen klar. Das konnte man auf der Versammlung hören, die sie diesen Sommer abhielten, wo sie ganz entschieden von der Gründung eines unpolitischen Vereins Abstand nahmen. Bei allen Rednerinnen kehrte der Gedanke wieder: Wir haben gar keine Ursache, unsere Stimmen an, unpolitische Experi­mente zu verschwenden, jede Einzelne von uns stimmt für die Ar­beiterpartei( Sozialdemokratie). Wir wollen unsere Macht aufs

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