Jobst übte. Einstimmig fand eine Resolution Annahme, die strikte Ablehnung des Tarifs, Abschließung langfristiger Handelsverträge und Abschaffung aller Zölle und Steuern auf Lebensmittel fordert.

L. Z.

Im Auftrag des Gauvorstandes für Braunschweig   unter­nahm Genossin Ziez- Hamburg vom 10. bis 23. Oftober eine Agi­tationstour für den Fabrikarbeiterverband. Versammlungen fanden statt in Broizem, Wolfenbüttel  , Schöningen  , Helmstedt  , Braunschweig  , Holzminden  , Holzen  , Holenberg  , Eschers hausen, Blankenburg  , Braunlage  , Thale  , Hasselfelde   und Rübeland  . Mit einer einzigen Ausnahme waren sämmtliche Ver­sammlungen start besucht, zum Theil sogar überfüllt, so in Rübeland  , Braunlage   und Braunschweig  . Dabei ist es just in der Stadt Braun­ schweig   in Folge des reaktionären Vereinsgesetzes und der erzreaktio­nären Auslegung desselben außerordentlich schwer, eine Versammlung mit Frauen zu Stande zu bringen. Trotzdem waren beide Säle des Gewerkschaftshauses überfüllt, und obgleich Genossen und Genossinnen in drangvoll fürchterlicher Enge" beieinander saßen und standen, folgten doch Alle dem Vortrag mit größter Aufmerksamkeit. In Holzen  , Holzminden  , Eschershausen   und Braunlage   verbot die Polizei das Reden, da Frauen nicht an Versammlungen theilnehmen dürfen, in denen öffentliche Angelegenheiten erörtert werden. Wir haben darüber bereits in letzter Nummer der Gleichheit" berichtet. Trotz­dem wurden in jeder Versammlung 17 bis 20 Neuaufnahmen von Mitgliedern vollzogen. In überaus traurigen Verhältnissen leben die Arbeiter und Arbeiterinnen in dem herrlich gelegenen, hochindu­striellen Rübeland  , das seiner beiden Tropfsteinhöhlen halber das be­liebte Ziel vieler Harzreisenden ist. Zu beiden Seiten der Bode ziehen sich die Häuserreihen und industriellen Etablissements hin, sich gleichsam schutzsuchend an die mit herrlichem Nadel- und Laubwald bewachsenen Höhenzüge, an die gewaltigen, grotesken Ralfberge an­schmiegend. Obgleich hier die verschiedensten Arten von Industrie­betrieben vorhanden sind: Holzsägereien, Steinbrüche( Steinzerkleine­rungsmaschinen, statt Steinklopfer), Köhlereien, Hochöfen, Kalt: fabriken 2c., ist doch der Verdienst bei 11 bis 12 stündiger Arbeitszeit ein niedriger. Ebenso in Thale   und Braunlage  . Wir kommen noch an anderer Stelle später auf diese Verhältnisse zurück. Erfreulicher Weise war fast überall die Betheiligung der Frauen an den Ver­sammlungen eine gute. Die Noth öffnet mancher die Augen. Der Anblick des schönen Harzes, das im herrlichsten Herbstschmuck prangte, wurde einem oft vergällt, wenn inmitten all der Pracht plötzlich ein altes Mütterchen oder gar eine hochschwangere Frau mit einem ge­waltigen Holzbündel auf dem Rücken auftauchte. Die Unglücklichen haben für all die Naturschönheiten längst kein Auge mehr, und wenn den Arbeitern und Arbeiterinnen die Feierstunde schlägt, ist Alles in Dunkel gehüllt. Außerordentlich rege war auch in den Orten des ,, steinreichen" Wesergebirges   das Interesse der Frauen an der Ar­beiterbewegung. Stundenweit müssen hier die Frauen ihren Männern das Essen tragen. Sie wissen, daß das Steinbrechen, einerlei um welche Steinart es sich handelt, eine außerordentlich ungesunde Ar­beit ist, die um so verheerender wirkt, je schlechter die Nahrung aus­fällt. Deshalb scheuen die Frauen keine Wege und kein Wetter, um so viel in ihren Kräften steht, ihre Männer zu pflegen, sie wider­standsfähig und gesund zu erhalten. Die Agitationstour hat den Ver­band gestärkt. Es wurden ihm 220 neue Mitglieder beider Geschlechter zugeführt, es wurde der Muth der bisherigen Mitglieder belebt, so daß sie sich mit neuem Eifer der weiteren Agitationsarbeit widmen. L. Z.

Halbjahresbericht der Vertrauensperson für Reichenbach i. Voigtl. Vor etwa dreiviertel Jahren nahmen etliche Genossinnen und Genossen die Agitations- und Organisationsarbeit unter den proletarischen Frauen und Mädchen von Reichenbach energisch in die Hand. Ihre Bemühungen, die Proletarierinnen politisch aufzu­flären und zu organisiren, sind nicht ohne Erfolg geblieben. Der Mitgliedschaft Reichenbach des sozialdemokratischen Wahlvereins für den 22. sächsischen Reichstagswahlkreis gehören jetzt 130 Genossinnen an, während dieselbe noch vor Jahresfrist nur einzelne weibliche Mitglieder aufwies. Die Beiträge der weiblichen Mitglieder, die 10 Pf. monatlich betragen, werden jeden Monat von beauftragten Genossinnen im Hause einkassirt. Diese Einrichtung trägt nicht nur zur regelmäßigeren Abführung der Beiträge bei, sondern unterhält und befestigt auch die persönlichen Verbindungen unter den Genos­finnen. Von Februar bis Ende Juli ds. Js. vereinnahmten die Ge­nossinnen 107,20 Mt., davon entfielen 80 Mt. auf regelmäßige Mit­gliederbeiträge, 27,20 Mt. auf freiwillige Beiträge, die mittelst von Listen erhoben wurden. Der Betrag der Listensammlungen wurde der Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands   überwiesen, die Mit­gliederbeiträge flossen zur Hälfte der Kreisvereinskasse, zur Hälfte der Reichenbacher Lokalkasse zu. Letztere trägt die Ausgaben für Agitation,

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Porti 2c. Es fanden fünf Versammlungen statt, um die politische Schulung der Frauen zu fördern. In drei derselben referirte Ge­nossin Zieß- Hamburg, Genossin Duncker- Leipzig und Genosse Goldstein- Zwickau, in den zwei anderen fanden Vorlesungen statt über die Frauenkonferenz zu Mainz   und über die Ziele der Sozial­demokratie. Die Versammlung, in welcher Genossin Zietz sprach, brachte der Parteiorganisation einen Zuwachs von 75 weiblichen Mitgliedern. Der gewerkschaftlichen Agitation haben die Ge­nossinnen eine rege Aufmerksamkeit zugewendet, da es in Reichen­bach Tausende von Textilarbeiterinnen giebt, die zum größten Theile ganz traurige Erwerbs- und Existenzverhältnisse haben. Erfreulicher Weise hatten auch die diesbezüglichen Bemühungen der Genossinnen endlich etwas Erfolg. Die Zahl der weiblichen Mitglieder des Textilarbeiterverbandes, die im letzten Quartal des vergangenen Jahres nur 9 betrug, ist auf 50 gestiegen. Freilich ist das blutwenig, wenn man die große Zahl der Reichenbacher Textilarbeiterinnen be­denkt. Immerhin ist es aber ein Anfang, der zu Hoffnungen er­muthigt und zu rastloser, geduldiger Weiterarbeit mahnt. Andere Gewerkschaftsorganisationen am Orte weisen leider noch gar keine weiblichen Mitglieder auf. Und doch thut gerade auch in Reichen­bach die starke gewerkschaftliche Organisation aller Arbeiter und Ar­beiterinnen dringend noth, da die Arbeitsbedingungen im Allgemeinen nichts weniger als zufriedenstellend, recht vielfach aber ganz erbärm­lich sind. Die Genossinnen ließen sich ferner angelegen sein, unter den Arbeiterinnen Verständniß für die gesetzlichen Schutzbestimmungen und die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren zu wecken und zu ver­breiten. Die brennende Dringlichkeit vermehrten gesetzlichen Schutzes und der Heranziehung von Frauen zur Gewerbeaufsicht wird fast täglich durch Thatsachen erwiesen. Wer Einblick in die Verhältnisse nimmt, muß sich überzeugen, daß die gesetzlichen Vorschriften zum Schutze der Arbeiterinnen vielfach nur auf dem Papier stehen, und daß die Sittlichkeit der Frauen und Mädchen in manchen Betrieben in schwerer Weise durch Chefs und ihre Söhne, durch Meister 2c. gefährdet und geschädigt wird. Die Genossinnen müssen deshalb den Arbeiterinnen klar machen, welche Rechte ihnen heute zustehen, wie ungenügend dieselben sind, und welche Forderungen sie zwecks besserer Nach all den gefenn­Wahrung ihrer Interessen erheben müssen.

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zeichneten Richtungen hin haben die Bestrebungen der Genossinnen gute Resultate aufzuweisen. Woran es fehlt, ist im Orte selbst oder in der Nähe eine geschulte, redegewandte Genofsin, welche die fleißige Kleinarbeit durch Vorträge unterstützen und die Aufklärungsarbeit in weiteren Kreisen fördern könnte. Ihr Wirken würde sehr viel zu einem raschen Aufschwung der proletarischen Frauenbewegung in Reichenbach beitragen. Trotz des empfundenen Mangels lassen jedoch die Genossinnen ihre Energie und Arbeitsfreudigkeit nicht lähmen. Von Pflichtgefühl durchdrungen setzen sie ihre besten Kräfte ein, und so wird hoffentlich auch im nächsten Halbjahr von Fortschritten be­richtet werden können. Pauline Göckriz, Vertrauensperson.

Notizentheil.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Für das Elend der Heimarbeiterinnen in der Stettiner Konfektionsindustrie einige Beispiele. Die Anfertigung einer Herren­hose wird mit 15 bis 25 Pf. pro Stück entlohnt, handelt es sich um Maßarbeit, die sorgfältig ausgeführt werden muß, so steigt der Satz auf 40 Pf. Einen besonders groben Unfug des Unternehmerthums stellt der Brauch dar, die Lieferungszeit der Arbeiterinnen auszu­nützen. In einzelnen Geschäften müssen nämlich die Arbeiterinnen während des Wartens Knöpfe annähen, und diese Arbeit wird auch nicht mit einem Pfennig vergütet. Die Herren Chefs denken offen­bar: Müßiggang   ist aller Laster Anfang und dehnen die Wartezeit, in welcher die Liefernden zum unentgeltlichen Schaffen herangezogen werden, oft recht lange aus. Der Kapitalismus   versteht es vortreff­lich, seinem Profithunger alle Umstände dienstbar zu machen. W. K. Die Hungerlöhne in der Oberlausitzer   Hausweberei wer den durch die folgenden Angaben illustrirt. Nach dem Jahresbericht der Zittauer   Handelskammer beträgt der Jahresverdienst der Haus­weber in der Oberlausitz   450 Mart, in Wirklichkeit stellt er sich aber für die meisten nur auf 200 Mart. Der Hausweber kann nur den ,, horrenden" Tagesverdienst von einer Mark erzielen, wenn er zu­sammen mit Weib und Kind arbeitet, welche spulen. Ohne die Mit­arbeit von zwei Familienangehörigen bleibt er mit seiner Einnahme hinter dieser Summe zurück. Den niedrigen Löhnen entsprechend ist die Lebenshaltung der heimarbeitenden Weberbevölkerung eine unbe­schreiblich elende. In manchen Familien ist der genügende Verzehr von Brot ein Luxus, die Kartoffel beherrscht die Ernährung. W. K.