Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.

Der Verein der Blumen, Blätter- und Federarbeiter

und-Arbeiterinnen zu Berlin   hielt kürzlich nach halbjährigem Bestehen seine erste Generalversammlung ab. Genossin Ihrer leitete dieselbe durch eine kurze Ansprache ein, in welcher sie einen sach kundigen Ueberblick über das Arbeitsgebiet der Organisation gab und in warmen Worten zur regen Agitation für sie anspornte. Die Vor­fizzende des Vereins, Genossin Rönsch, gab den Thätigkeitsbericht. Es fanden vier Vereinsversammlungen statt, außerdem wurde ver­sucht, Verbindungen in Straußberg  , Friedrichsberg und Fried richshagen anzuknüpfen. In dem letztgenannten Orte erzielte man den Erfolg, daß sich in der Versammlung, in der Genossin Ihrer sprach, 35 Heimarbeiterinnen der Federbranche der Organisation an­schlossen. Dieses Resultat ist um so beachtenswerther, als die Agi­tation für die betreffende Versammlung unter den schwierigsten Umständen erfolgte. So wurden z. B. den Flugblattvertheilern die Blätter aus der Hand geschlagen 2c. Nach dem Kassenbericht über­stiegen die Ausgaben die Einnahmen nur um ein Geringes, die Hauptausgaben wurden durch die Anschaffung der Vereinsutensilien nöthig. Behufs Förderung der Agitation schlug der Vorstand die Einsetzung einer besonderen Agitationskommission vor. Die General­versammlung trat dem Vorschlag bei und wählte Frau Ihrer, Frau Haucke und Herrn Sinn in diese Kommission. Ueber den weiteren Vorschlag, eine Delegirte in die Gewerkschaftskommission und eine zweite in den Ausschuß der Krankenkassen zu entsenden, entschied eine Vereinsversammlung, in der Dr. Freudenberg über die Wichtigkeit der Krankenkassen für die Arbeiterinnen" referirte. Die Entwicklung der jungen Organisation, für welche die Genossinnen Ihrer, Rönsch und Andere hervorragend thätig sind, verspricht gute Erfolge.

Die Zahl der gewerkschaftlich organisirten Frauen in Dänemark   beträgt 7243, davon entfallen auf Kopenhagen   allein 5244. Die gewerkschaftlich organisirten Frauen vertheilen sich auf 14 Ge­werbe und stellen etwa den vierten Theil der industriellen Lohn­arbeiterinnen des Landes dar. Am besten sind die Arbeiterinnen im Buchbindergewerbe, in der Textil- und Tabakindustrie organisirt. Ein ,, Arbeiterinnenverband", der in sieben Seftionen Angehörige verschie dener Berufszweige umfaßt, zählt 1400 Mitglieder. Für fast alle seiner Gruppen setzte er Lohnerhöhungen durch, theils durch Ver­handlungen mit den Unternehmern, theils durch Streifs. Die Mit­glieder einer Sektion der Maschinenstrickerinnen waren acht Wochen ausgesperrt, trugen aber einen bemerkenswerthen Sieg davon. Die Organisation der Herrenschneiderinnen zählte 1899 bereits 1200 Mit­glieder und erzwang durch einen vierzehntägigen Streit einen Tarif, der eine Lohnerhöhung von zwölf Prozent brachte. Die Organisation und ihr Erfolg verdient um so mehr Anerkennung, als es sich aus­schließlich um Heimarbeiterinnen handelt, die eine bewunderungs­würdige Solidarität bethätigten.

Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

Dem Parteitage der Sozialdemokratie Oesterreichs  , der vom 1. bis 6. November in Wien   tagte, wohnten 9 weibliche Dele­girte bei, die Genossinnen Koch, Schlesinger, Fingerhut  , Boschek ( Wien  ), Hudetschek( Linz  ), Jobst( Falkenau), Mayner( Sternberg), Perten( Bodenbach) und Kristan( Triest  ). Die wichtigsten Aufgaben, welche dem Parteitage oblagen, waren die Revision des Programms und die Stellungnahme zur Zoll- und Handelspolitik. Genossin Schlesinger wurde in die Kommission gewählt, welche den vorgelegten Programmentwurf durchzuberathen hatte. Die genannte Genossin sprach zur Frage der Alters- und Invaliditätsversicherung und der Witwen- und Waisenversorgung. Sie wurde in die Kontrollkommission der Partei gewählt.

Der sozialdemokratische Frauenverein der Vereinigten Staaten   zählt nach der letzten Jahresversammlung zu New York  in 14 Gruppen 326 Mitglieder. Die Organisation ist noch sehr jung. Die Zentralleitung veranstaltete im letzten Jahre 26 Agitations­versammlungen, welche Aufklärung über die Ziele des Vereins schaffen sollten und durchweg guten Erfolg hatten. Sie ließ 5000 Flug­blätter in deutscher und ebenso viele in englischer Sprache vertheilen, welche die Frauenfrage behandelten. Den Einnahmen von 332,54 Dollars stehen Ausgaben von 346,33 Dollars gegenüber.

Frauenbewegung.

192

Beschlüsse des zweiten Verbandstage der fortschrittlichen Frauenvereine. Wir haben bereits in Nr. 22 die wichtigsten Be­Berantwortlich für die Rebattion: Fr. Klara Bettin( Bundel) in Stuttgart  .

schlüsse des Verbandstags mitgetheilt. Im Folgenden die übrigen Resolutionen.

Waisenpflege: Zur Erzielung einer durchgreifenden Jugend­fürsorge ist es durchaus nothwendig, daß zu den Aemtern der Armen­pflege, Vormundschaft, Waisenpflege und Fürsorgepflege die Frauen gesetzlich gleichberechtigt, mindestens in gleicher Zahl wie die Männer berufen werden, daß nur charaktervolle, tüchtige und erfahrene Frauen für diese Aemter ausgewählt werden, daß die männlichen und weib­lichen Amtsgenossen in regelmäßigen gemeinsamen Sigungen, in denen Vertreter der Schule nicht fehlen dürfen, sich über die Auf­gaben ihres Wirkungskreises verständigen, daß das Publikum in weitesten Kreisen, besonders Frauen und Wohlfahrtsvereine, die amt­liche Fürsorgethätigkeit unterstützt.

Gemeinsame Erziehung der Geschlechter: 1. Die heutige höhere Mädchenschule entspricht den Anforderungen nicht mehr, die wir an eine Schule stellen müssen, welche auch die Grundlage für eine zureichende Berufsbildung der Frau bilden muß.

2. Als das beste Mittel, diese zu erlangen, sehen wir die ge­meinsame Erziehung der Geschlechter an, nicht weil wir eine absolute Gleichheit erzielen wollen, sondern weil wir glauben, daß die künst­liche Trennung und Entfremdung der Geschlechter nur auf diesem Wege beseitigt werden kann.

3. Wir erhoffen von der gemeinsamen Erziehung die sittliche Hebung des Mannes, die Festigung der Ehe und des Familienlebens. 4. Durch die gründliche Bildung der Frau hoffen wir auch, die­selbe zu ihrem mütterlichen Beruf tüchtiger zu machen.

Die Gartenbauschulen für Frauen in Schweden   haben sich in letzter Zeit vermehrt und vervollkommnet, so daß sie den verschie­densten Ansprüchen genügen. Die angesehensten dieser Gartenbau­schulen sind in Rieeberga bei Derebro, in Karlshamm, in Kalmar und in Malmsjä. Die Frauen werden hier theoretisch und praktisch in jeder Art Gartenarbeit unterrichtet, sowie in der Konservirung von Gemüsen und der Bereitung von Fruchtweinen. In der neu­gegründeten Gartenbauschule zu Malmsjä umfaßt der Lehrplan außerdem Unterricht in Landschaftsmalerei und in verschiedenen kunstgewerblichen Fächern.

Eine Oberrealschule für Mädchen in Mannheim   wird mit Genehmigung des großherzoglich badischen Ortsschulrathes errichtet.

Frauen in dem Vorstand von amerikanischen höheren Bildungsanstalten. In den Vorstand von vier sehr angesehenen höheren Bildungsanstalten der Vereinigten Staaten  , nämlich von Brown University  , Oberlin, Barnard und Wellesley College, wurde bei den letzten Wahlen je eine Frau als Dekan entsendet.

Frauenbewegung in Judien. Ein Frauenverein, der für die Ziele der Frauenbewegung Propaganda machen soll, wurde in Baranager( Indien  ) gegründet. Die Organisation giebt eine Monat­schrift heraus, die ähnlich der Pariser Tageszeitung" La Fronde" nur von Frauen geleitet und hergestellt wird.

Die erste Frau im pharmazeutischen Staatsdienst in Oester­ reich   ist ernannt worden. Frl. Kun wurde als pharmazeutische Aspirantin bei der Medikamentenregie der staatlichen Krantenanstalt zu Wien   berufen.

Verschiedenes.

Unentgeltliche Geburtshilfe in der Schweiz  . Die Regie­rung des Kantons Tessin   hat dem Großen Rathe( Landtag) einen Gesetzesentwurf betreffend die unentgeltliche Geburtshilfe vorgelegt, deren Kosten Gemeinde und Staat gemeinschaftlich tragen sollen. Voraussichtlich wird es im Kanton Tessin   selbst wie in der übrigen Schweiz   nicht an Opposition seitens bürgerlicher Kreise und Zeitungen gegen die vorgeschlagene Neuerung fehlen, und mancher schale, geist­reich sein sollende" Wit" wird dagegen verbrochen werden. Auf keinen Fall aber wird man gegen sie den sonst immer zur Hand liegenden, bequemen Einwand auszuspielen vermögen, daß mit ihr Mißbrauch getrieben werden könnte. Die Dinge liegen ebenso wie betreffs der unentgeltlichen Beerdigung, die in verschiedenen Schweizer­fantonen seit Jahren besteht. Die Unentgeltlichkeit der Geburtshilfe dürfte zweifellos fein einziges Ehepaar veranlassen, den Fall" recht oft herbeizuführen, um die Einrichtung recht oft in Anspruch nehmen zu können. Es sind gerade die Arbeiter, die von dem kommunalen und staatlichen Gemeinwesen am allerwenigsten Nutzen ziehen, und die daher mit Grund die Schaffung neuer Einrichtungen fordern, die auch für sie vortheilhaft sind.

Drud und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( 6. m. b. 5.) in Stuttgart  .

dz.