Fabriken wird berichtet, daß Frauen vielfach das Löthen besorgen, aber auch an den Pressen, beim Gießen, Lackiren, Puzen, Einbinden findet man überall Frauen, und bei einfacheren Gegenständen sind ihnen sogar die Montirungsarbeiten übertragen worden. Bei der Verfertigung von Schlottern sind neben vielen Lehrlingen Hilfsarbeiterinnen beschäftigt. Die Schellen und Perlen werden von Heimarbeitern und Frauen und Kindern an die Schlottern gehängt. Die Stimmen für die Trompeten, die aus Zinkplättchen ausgestanzt wer den, wobei dann noch Federn auszuschneiden und zu vernieten sind, werden von Frauen hergestellt. Leider werden zu diesen Arbeiten, die vornehmlich Heimarbeit sind, auch Schulkinder zugezogen. Eine sehr große Rolle spielen die Frauen bei der Verfertigung von Zinnspielwaaren, vor Allem bei der sogenannten Bleisoldatenfabrikation. Hier kommen in Nürnberg auf 5 Betriebe 7 männliche und 48 weibliche Arbeiter; in Fürth auf 15 männliche 146 weibliche Arbeiter. Noch ungünstiger liegt das Verhältniß in der Heimarbeit, hier sind in der Zinnmalerei fast ausnahmslos Frauen und Kinder unter den denkbar ungünstigsten Bedingungen thätig. Für die Heimarbeit gilt auch hier überlange Arbeitszeit, sehr ungünstige Lohnverhältnisse, Wechsel zwischen todter Saison und Ueberarbeit. Die Frauenarbeit nimmt in allen Zweigen der Spielwaarenindustrie zusehends zu. Arbeiten, die früher nur von Männern ausgeführt wurden, wie das Pressen und Stanzen, das Gießen und Löthen werden seit 10 Jahren auch von Frauen ausgeführt. Als einziger Vortheil der meisten Arbeiten dieser Art wird angeführt, daß sie auch im Sißen ausgeführt werden können. Unfälle und Gesundheitsschädigungen resultiren aus ihnen. Die meisten der Arbeiten werden im Afford ausgeführt. Als Verdienst für eine Gießerin und Lackirerin werden 9 bis 10 mt. pro Woche, als Stundenlohn für Mädchen höchstens 20 Pf. angegeben. Lehrmädchen erhalten gleich vom Eintritt ab 4 bis 6 Mr. Wochenlohn. Die vorstehenden Lohnsätze gelten jedoch nur für Nürnberg , zum Theil auch wohl noch für Fürth . In den umliegenden Industrieorten, in denen auch vielfach Spielwaaren hergestellt werden, liegen die Verhältnisse bedeutend ungünstiger, und zwar nicht blos in Betreff des Verdienstes. Ist in Nürnberg und Fürth die Arbeitszeit in der Regel eine 9 stündige, so ist sie in Zirndorf in der Regel eine 12 stündige. In der Heimarbeit steigen die angeführten Arbeitszeiten, es fommen 70 bis 80 Arbeitsstunden pro Woche auch in Nürn berg vor.
So wenig befriedigend die Verhältnisse in der mittelfränkischen Spielwaarenindustrie auch sind, so liegen sie doch erheblich besser, als in den thüringischen Spielwaarengebieten. Der Rückhalt kräftiger Arbeiterorganisationen hat es meist zur tiefsten Verelendung wie dort nicht kommen lassen. Die allgemein bessere Lebenshaltung der Fabrikund Werkstättenarbeiter, die in Folge der Gewerkschaftsorganisationen in Nürnberg besteht, hat auch etwas bessernd auf die Verhältnisse der Heimarbeiter zurückgewirkt, die zum allergrößten Theile von der Organisation nichts wissen. Erst wenn auch sie sich organisiren, würden sie in die Lage kommen, günstigere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erzielen; der Unterstützung ihrer diesbezüglichen Bestrebungen durch die Arbeiter der geschlossenen Betriebe können sie sicher sein. a. br.
Eine Bewegung zur Besserung der Lohnverhältnisse der Weberinnen und Weber des Textilzentrums Greiz- Gera ist seit einigen Wochen in Fluß. Dieselbe bezweckt vor Allem, einheitlichere und gleichmäßigere Lohnfäße einzuführen und dadurch unmittelbaren und mittelbaren, oft recht willkürlichen Kürzungen des Verdienstes und verderblicher Schmußkonkurrenz einen Riegel vorzuschieben. Die erhobenen Forderungen sind die folgenden: für 100 Zahlen Schuß ( eine Zahl gleich 1000 Meter) soll gezahlt werden: Für Cachemir: Garnfette 2 Mt., Zwirnkette 1,90 Mt., Croissee und Thibet 2,20 bis 2,50 Mt. je nach Breite und Dichte der Waare. Für Satin
= Mousseline
=
=
=
=
222
=
=
=
=
schmal 2,30 Mt., breit 2,10 Mt. 2,50 2,30 3,90 N 4,20
Jacquard, 1 bäumig bis 12 gg.
2
über 12 gg.
M
V
mit Mohair, Kameelhaar, Cheviot oder Weft.
V
M
M
=
.
mit Seide oder Imitation. 4,20
4,50
ganz Mohair, Kameelhaar oder Weft 5,-
bei Doppelschlag soll der doppelte Lohn gezahlt werden. Schaftmaschine bis 12 gg..
:
.
=
=
3,30 Mt. über 12 gg.. 3,50 Coating, glatte Stühle 3 Mt., Schaftmaschine 3,50 bis 4,50 Mt., je nach Dichte der Kette.
Bei komplizirter Arbeit soll eine Abmachung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten. Als Tagelohn für Weber und Weberinnen ist 3 Mt. festgesetzt, bei Wechselstühlen 3,50 Mt. Beim Be
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ginn einer neuen Arbeit sollen Ketten- und Schußdichte und Lohn bekannt gegeben werden. Für Gera werden auf die angegebenen Lohnsätze 10 Prozent Zuschlag gefordert. Die Unternehmer haben auf die Zustellung des Tarifs nur vereinzelt und leider ablehnend geantwortet. In Gera gab der Fabrikantenverein die Ablehnung mittelst Anschlags in den Fabrikräumen bekannt. In einem Orte wurden die Forderungen als„ unverschämt" abgewiesen. Und doch würde bei ihrer Durchführung der Wochenverdienst der Weber und Weberinnen höchstens 15 Mt. betragen. Man kann hieraus ermessen, wie niedrig die Löhne gegenwärtig sind. Wie bereits erwähnt, wird jedoch ihre Unsicherheit, ihr Schwanken fast noch mehr als ihr tiefer Stand empfunden. Eine Statistik im Textilbezirk GeraGreiz hat ergeben, daß in den verschiedenen Orten und in den einzelnen Betrieben ein und des nämlichen Ortes die Löhne nicht selten bis über 50 Prozent differiren! Armuth und Unwissenheit verursachen, daß die Arbeitskräfte sich untereinander unterbieten. Eine Regelung der Lohnverhältnisse thut dringend noth. Die radifalste Besserung der einschlägigen Zustände würde ja durch die Beseitigung der Affordarbeit und des sie verschlimmernden Prämiensystems erzielt, wie sie von dem Textilarbeiterverband angestrebt wird. Aber im gegenwärtigen Augenblick ist an so gründlichen Wandel nicht zu denken. Die Textilarbeiter und-Arbeiterinnen sind nicht stramm genug organisirt, und der Geschäftsgang ist ein flauer, viele Arbeiter und Arbeiterinnen haben nur halbe Beschäftigung. Da erscheint denn die Erringung fester Lohnsätze als das nächste zu erstrebende Ziel, das die Arbeiter durch Verhandlungen zu erreichen suchen. Ihr Erfolg dabei hängt wesentlich davon ab, daß sie sich dem Verbande der Textilarbeiter anschließen und dem Unternehmerthum als geeinte Macht gegenübertreten. Die Arbeiterinnen sind besonders an der Erzielung fester Tariffäße interessirt, ihre Löhne sind nämlich stets die ersten, die direkt und indirekt gedrückt und herabgesetzt werden. Die Arbeiterinnen sollten deshalb vor Allem die W. Gl. Mahnung beherzigen: Organisirt Euch!
Einen Vers mehr zum alten Liede vom Konfektionsarbeiterinnenelend fügen die nachstehenden Feststellungen hinzu. In Seifhennersdorf wird das Nähen einer baumwollenen Männerhose mit 15 bis 24 Pf. gelohnt. Von diesem Schlemmerverdienst" gehen noch 4 Pf. ab für Zuthaten, wie Knöpfe, Schnallen, Zwirn zc Der Satz für das Nähen einer Stoff- Männerhose beträgt 35 Pf., von denen aber selbstverständlich ebenfalls die Aufwendungen für die nöthigen Zuthaten abgezogen werden müssen. In Eibau , einem Nachbarorte von Seifhennersdorf , erhalten die Näherinnen von Männerjoppen pro Stück 65 Pf. Für diesen Lohn müssen sie die Joppe fix und fertig und auch kunstgerecht abgebügelt liefern. Nur das Ausfertigen der Knopflöcher ist nicht ihre Sache, es geschieht von anderen Arbeitskräften auf der Maschine. In beiden Orten giebt es recht viele Ronfektionsnäherinnen, die es täglich nicht auf einen Verdienst von 1 Mt. bringen. Daß die Wohn- und Arbeitsräume der Aermsten meist sehr ungemüthlich und ungesund sind, daß ihre Ernährung im Zeichen der Kartoffel und Zichorienbrühe steht, ist selbstverständlich. W. K.
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Soziale Gesetzgebung.
Gesetzlichen Schutz für die Hausindustrie fordern Berliner Genossinnen, die in der gewerkschaftlichen Bewegung hervorragend thätig sind und die einschlägigen Verhältnisse gründlich kennen, in einer Eingabe an den Reichstag . Dieselbe hat folgenden Wortlaut: An den Hohen Reichstag richten Unterzeichnete das Ersuchen: durch gesetzliche Maßnahmen die hausindustriellen Arbeiter und Arbeiterinnen gegen die ungeheuerliche Ausbeutung, welcher diese in allen Industrien ausgesezt sind, zu schützen. An Stelle einer eingehenden Schilderung des Wesens und der Gefahren der Hausindustrie beziehen wir uns auf die dem Hohen Hause vom Verband der Schneider überreichte Denkschrift:„ Schuß den Heimarbeitern", in welcher die überaus traurigen Zustände, die in der Hausindustrie durchweg herrschen, eingehend geschildert werden. Wir bemerken nur, daß beispielsweise in der Weißnäherei, über deren elende Löhne und Arbeitsverhältnisse bereits eine amtliche Enquete Aufschluß gab, jetzt ebenfalls die Hausindustrie eine große, für die Fabritarbeiterin verhängnißvolle Rolle spielt. Ebenso aber auch in der Textil-, Tabat-, Posamenten, Blumen-, Metallindustrie u. a. m.
Nicht allein die Heimarbeitenden selbst leiden unter den in der Denkschrift geschilderten Uebelständen und Gefahren, sondern auch die Fabritarbeiter, deren Arbeitsgelegenheit in Folge der Konkurrenz vermindert, deren Löhne immer weiter gekürzt werden.
Die guten Wirkungen, welche die Arbeiterschutzgesetze für die in Fabriken Arbeitenden haben könnten, werden dadurch häufig aufgehoben. Nach Ablauf der 11 stündigen Arbeitszeit in der Fabrik sind