Tag und bietenDas Buscherl zu 10 und 20 Kreuzer" den Vorüber­gehenden an> Die Blumenverkäuferinnen, die ihre Waare von den großen Blumenhändlern oder direkt von den Gärtnern beziehen, sind meist schon ältere Frauen, die nur der Volkswitz alsBlumen­mädchen" bezeichnet. In der Regel sind es arme Witwen, die für unmündige Kinder zu sorgen haben, oder aber Frauen, deren kranke und arbeitsunfähige Männer von den paar Groschen mitleben müssen, die der Blumenhandel in den Straßen einbringt. Seit zwanzig bis dreißig Jahren stehen bereits einzelne der Blumenverkäuferinnen am Graben oder in der Kärntnerstraße, ohne daß es Jemand eingefallen wäre, ihnen ihren armseligen Erwerb schmälern oder verbieten zu wollen. Da fühlten vor einiger Zeit die christlichsozialen Parlamentarier das Bedürfniß, irgend etwas zur Rettung des durch den Hausirhandel bedrohten Kleingewerbes zu unternehmen. Die von ihrer Seite inszenirte Aktion hatte den Er­folg, daß die Regierung den Entwurf einer Äenderung der Gewerbe­ordnung einbrachte, dahingehend, daß in Zukunft der Hausirhandel verboten werden sollte. Dieser Vorstoß zum angeblichenSchutze des Kleingewerbes" zeitigte zunächst eine Wirkung: er rüttelte viele Hausirer verschiedener Branchen aus der Indifferenz gegen ihre Lage empor und machte sie auf ihre Interessen aufmerksam. Auch unter den Blumen­verkäuferinnen entstand eine Bewegung zur Abwehr des Attentats auf ihre Existenz. Die erste Versammlung, in der sie Stellung zu dem Entwürfe nahmen, erboste das christlichsoziale, alias antisemitische Deutsche Volksblatt" derart, daß es in einem Schmähartikel die Blumenmädchen" als eine Schaar liederlicher Dirnen hinzustellen wagte, die ihren Tagesverdienst von 10 bis 20 Gulden mit ihren Liebhabern zusammen Abends verprassen. Diese gemeine Beschimpfung durch das führende christlichsoziale Parteiorgan bewirkte, daß die dem politischen Leben noch ganz verständnißlos gegenüberstehenden Straßen­verkäuferinnen schaarenweise in die Protestversammlung strömten, welche von Seiten des sozialdemokratischen Frauenreichskomites ein­berufen worden war. Von der Tribüne herab wurden die erlogenen Beleidigungen zurückgewiesen und lebenswahre Bilder von der traurigen sozialen Lage der Blumenverkäuferinnen gezeigt. Auch der Vorwurf, der Straßenverkauf schädige die Naturblumenhändler, ward widerlegt. In den meisten Fällen bedarf sogar der große Händler der Straßenverkäuferin, da diese, wenn länger im Geschäfte liegende Blumen zu welken beginnen, für einen raschen Detailverkauf in der Straße sorgt. Der durchschnittliche Tagesverdienst einer Blumenverkäuferin beträgt 1 Gulden 20 Kreuzer bis 2 Gulden. Das ist recht wenig. Man muß bei richtiger Bewerthung der Einnahme festhalten, daß die meisten Frauen eine Familie zu ernähren haben. Dann muß man die mancherlei Schattenseiten der Berufsthätigksit bedenkem Das Umherstehen und Umherlaufen bei jeder Witterung, oft in dürftigster Kleidung und bei ungenügender Ernährung, setzt die Gesundheit mancher Schädigung aus. Außerdem läuft die Straßenverkäuferin Betrachtungen. Von Multakuli. Druksch von Wilhelm Thal. I. Brot und Unsterblichkeit. Begleiten Sie mich heute Abend", sagte ein Freund zu mir, ein Bäcker wird einen Vortrag über die Unsterblichkeit der Seele halten, der Mann ist ein wahres Genie." Wo wohnt er?" Mein Freund sagte es mir. Ich ging sofort hin und kaufte mir ein kleines Brötchen es war schlecht. Abends hörte ich mir dann den Vortrag an. Ich weiß nicht, wie er war, denn ich verstehe von der Unsterblichkeit der Seele und von Vorträgen überhaupt nichts. Aber mein Freund erklärte mir, der Vortrag wäre sehr be­deutend gewesen. Glauben Sie mir, der Mann ist ein Genie." Seine Brötchen sind schlecht. Sehen Sie, ich habe ein Stückchen Krume aufbewahrt und muß bei der Substanz immer an einen Glaser denken." Ich will nicht leugnen, daß das Brötchen schlecht war, aber der Vortrag des Bäckers ist bedeutend; glauben Sie mir, der Mann ist ein Genie." Sein Brot ist schlecht!" Glauben Sie mir, dieser Mann ist ein Genie; ich gebe zu, daß sein Brot wie Glaserkitt schmeckt, aber sein Vortrag über die Unsterblichkeit... vergessen Sie nicht, daß er ohne Bcgeisterung bäckt und mit Leidenschaft Vorträge hält. Das eine ist sein Handwerk, in jeder Minute Gefahr, mit der Polizei in Konflikt zu kommen- Die den Hausirhandel regelnde Gesetzesbestimmung spricht nämlich von einemHandel im Umherziehen". Die wörtliche Deutung dieser Gesetzesstelle giebt nun jedem Wachmann das Recht, die Verkäuferin zur Anzeige vorzumerken", sobald sie einige Minuten auf der Straße stehen bleibt. Der Lebenslauf einer Straßenverkäuferin, die sich ein­mal das Mißfallen eines Polizisten zugezogen hat, ist ein wahres Martyrium. Vorladung auf Vorladung folgt, deren Ergebniß Ord­nungsstrafen von 5 bis 20 Gulden sind, die im Uneinbringlichkeits- falle in Arrest in der Dauer von 12 Stunden bis S Tagen umge­wandelt werden. Da das Verfahren einer prozessualen Grundlage entbehrt, so ist es der Angeklagten nicht einmal möglich, einen Gegen­beweis führen zu können, sie wird in der Regel einfach verurtheilt. Es giebt daher kaum eine Blumenhändlerin, die nicht mit der Polizei in Konflikt gekommen und bestraft worden wäre. Die meistensparen" sich ihre Strafmandate auf. bis sie sich zu einer längeren Arreststrafe summiren. Dann geschieht es freilich oft, daß eine solche Frau mitten in der Nacht von Wachleuten aus ihrer Wohnung geholt und zur Abbüßung der Strafe angehalten wird. Die Rücksichtslosigkeit der Wiener   Polizei geht sogar so weit, daß Frauen sieben Tage nach ihrer Entbindung zum Strafantritt geholt wurden. Diese Ordnungs­strafen werden um so härter empfunden, als sie in Arrestlokalen ver­büßt werden müssen, die sich oft in skandalösem Zustand befinden. Sie starren zuweilen von Schmutz und Ungeziefer und werden grund­sätzlich auch im strengsten Winter nicht geheizt. Was alle Ungunst der Lebensverhältnisse nicht vermocht hat, nämlich die Blumenverkäufe­rinnen zu selbständigem Vorgehen behufs Verbesserung ihrer Lage zu veranlassen, das hat die erwähnte Gesetzesvorlage zu Stande gebracht. Erklärlich genug. Sie war eine Gefahr für den Erwerb, die Existenz überhaupt. Vorläufig ist allerdings der Entwurf vom Herrenhaus abgelehnt worden. Es droht jedoch noch die Möglichkeit, daß der antisemitische Wiener   Magistrat im autonomen Wege versuchen wird, die Händlerinnen auf alle erdenkliche Art noch mehr zu chikaniren, um ihnen ihren Erwerb zu erschweren. Wird der Beschluß verwirk­licht, den die Blumenverkäuferinnen in der letzten Versammlung faßten, wird eine eigene Organisation gegründet, so gelingt es hoffentlich, neue Anschläge gegen den armseligen Beruf armer Frauen erfolgreich abzuwehren._ Franz Lill-Wien  . Aus der Bewegung. Bon der Agitation. Auf Veranlassung des sächsischen Agi- tationskomites der Textilarbeiter unternahm Anfang Dezember Genossin Kähler-Dresden eine Agitationstour, deren Zweck die Kräftigung und Förderung des Texlilarbeiterverbandes war. Ver­sammlungen fanden statt in Großenhain  , Mittweida  , Franken­ berg  , Eibenstock   i. Erzgebirge  , Gelenau  , Grüna und Burk­ hardtsdorf  . Die Referentin sprach überFortschritt und Elend" das andere sein Beruf. Das eine ist für ihn eine notwendige, aber unangenehme Anstrengung, die von vier Uhr Nachmittags bis acht Uhr Morgens dauert. Das andere ist ihm eine Freude, die er nur in den Mußestunden genießen kann. Es steckt etwas in diesem Manne; wir sollten ihm helfen, er ist nicht an seinem richtigen Platze." Dann mag er doch dahingehen, wo sein Platz ist." Aber ich versichere Sie, dieser Mann ist..." Mein Freund hielt mir eine endlose Rede über die verkannte» Genies die nicht existiren! und bemühte sich, mich zu ver­anlassen, etwas für den deplaziiten Bäcker zu thun. Ich überlegte. Ich legte die Lehmkrume des kleinen Brötchens neben die Unsterblichkeitskrume, die in meinem Gedächtniß klebte, und kam zu folgender Schlußfolgerung: Wenn die Unsterblichkeit der Seele weniger pappig und nahr­hafter ist, als die kleinen Brötchen, was ich nicht weiß, so sollte dieser Mann sein Handwerk und seinen Beruf anders einrichten. In diesem Falle sollte er von jetzt ab in seinen Mußestunden Brot backen und sich von vier Uhr Nachmittags bis acht Uhr Morgens mit der Unsterblichkeit der Seele beschäftigen. II. Ornis. Nach dem Tode seiner Frau kaufte sich mein Freund Ornis Vögel, um sich zu zerstreuen. Wenn ich den Schmerz, den ihm der Tod seiner Gattin bereitete, nach der Quantität der Vögel bemessen darf, die ihre Stelle einnahmen, so muß er sehr groß gewesen sein, denn die Zahl war bedeutend. Ornis besaß Staare,