lich nehmen die Zigarettenarbeiterinnen nurfreiwillig" Hülsen zum Kleben mit heim! Die Nothwendigkeit. die mit Fabrikarbeit ver­dienten paar Groschen durch Arbeit daheim nach Feierabend zu ver­mehren, gilt nicht für Zwang. Ein gesetzliches Verbot der Unter­nehmergepflogenheit, durch Mitgabe von Arbeit die Ausbeutung der Fabrikarbeiterinnen über die festgelegte Zeit hinaus zu verlängern, thut auch für die Zigarettensabrikation dringend noth. Hier wie in anderen Industrien hat der einschlägige grobe Unfug nur die Wirkung, dem Steigen der Löhne durch die höchste Anspannung und Ausnutzung der Arbeitskräfte entgegenzuwirken. Anlaß zur Klage über ihre Arbeitsverhältnisse haben die Dresdener Zigarettenarbeiterinnen auch oft noch in anderer Hinsicht. Es giebt Firmen, bei denen die Behandlung eine sehr grobe ist, es fehlt nicht an Geschäftsinhabern und Vorgesetzten, welche sich den Arbeiterinnen gegenüber schmachvolle Zudringlichkeiten erlauben. Die sanitären Be­dingungen lassen hier und da auch zu wünschen übrig. Bei einer Firma ist es zum Beispiel Sitte, daß an kalten Wintertagen des Morgens eine Bütte Kohlen zum Heizen des Arbeitsraums herausgegeben wird. Dieselbe reicht bei Weitem nicht hin, diesen tagsüber genügend zu erwärmen. Wenn die Arbeiterinnen beim Schaffen nicht frieren wollen, so sind sie gezwungen, von ihrem ärmlichen Verdienst Kohlen zu kaufen. Einen ganz besonderen Mißstand stellt die Lehrlingszüchterei dar, die von manchen Firmen systematisch und mit geradezu unredlichen Kniffen und Pfiffen betrieben wird. Ein Beispiel davon lieferte eine Verhandlung, die im Laufe des letzten Sommers vor dem Gewerbe- gerichl stattfand. Wegen Herausgabe von je 6 Mk. Lehrgeld klagten vier Lehrmädchen beziehungsweise Lehrfrauen gegen die Zigaretten­fabrik Ali Pascha Nachfolger. Die Beweisaufnahme ergab Folgendes. Zu den Gepflogenheiten der genannten Firma, deren geschäftliche Be­deutung keine besonders große ist, gehörte es seit längerer Zeit, in Dresdener Zeitungen, vor Allem in denNeuesten Nachrichten", Lehrmädchen und Lehrfrauen zur Erlernung des Zigarettenmachens zu suchen. Ihre Gesuche trugen die AufschriftLohnender Verdienst" oder ähnliche verlockende Ankündigungen. Den Lernenden wurde garantirt, daß sie innerhalb einer Woche zu perfekten Arbeiterinnen ausgebildet würden. Das verlangte Lehrgeld betrug gewöhnlich 6 Mark. Nun ist es von vornherein ausgeschlossen, daß die übernommene Ver­pflichtung erfüllt und das Zigarettenmachen in einer Woche gelernt werden könnte. Daraus kam es aber auch der betreffenden Firma gar Frau Rath Goethe. Von Manfred Wittich. Vom Vater Hab' ich die Statur, Des Lebens ernstes Führen, Vom Mütterchen die Frohnatur Und Lust zu fabuliren. Wolfgang Goethe . Wo soll ich anfangen zu reden von dieser herrlichen Frau, die uns unseren größten Dichter geschenkt, der ihrem ganzen Naturell so viele Eigenschaften verdankt, auf denen seine menschliche und künstlerische Größe beruht? Sie selbst hat in einem ihrer prächtigen Briefe ein treffendes Konterfei von sich selbst gezeichnet in Worten als Begleitung und zur Erläuterung einesSchattenrisses ", einer Silhouette, das heißt eines Profilbildnisses, ausgeschnitten aus schwarzem Papier, wie sie damals vor der Photographie Mode waren:Von Person bin ich ziemlich groß und ziemlich korpulent habe braune Augen und Haar und getraue mir, die Mutter von Prinz Hamlet nicht übel vorzustellen. Viele Personen... behauplen, es wäre gar nicht zu ve, kennen, daß Goethe mein Sohn wäre. Ich kann es nun eben nicht finden, doch muß etwas daran sein, weil es schon so oft behauptet worden. Ordnung und Ruhe sind Hauptzüge meines Charakters, daher thue ich gleich Alles frisch von der Hand weg das Unangenehme immer zuerst und verschlucke den Teufel (nach dem weisen Rath des Gevatters Wieland), ohne ihn erst lange zu begucken; liegt dann Alles wieder in den alten Falten. ist alles Unebene wieder gleich, dann biete ich Dem Trotz, der mich in gutem Humor übertreffen wollte."-- Katharina Elisabeth war die älteste, am 19. Februar 1731 geborene Tochter des Rathes Johann Wolfgang Textor zu Frank­ furt a. M. Trotz der angesehenen bürgerlichen Stellung der Eltern war Elisabeths und ihrer Geschwister Erziehung natürlich und schlicht, nicht an. Sie wollte blos ein gutes Geschäft machen, und sie machte es. Dank der wirthschafllichen Noth, die vielen proletarischen Frauen und Mädchen das vorgespiegelte Ziel als erstrebenswerth erscheinen ließ. Nachgewiesenermaßen hatte die Firma von Mitte April bis Mitte August einhundert und vierzehn Lehrmädchen und Lehrfrauen, von denen sie 784 Mark Lehrgeld einsäckelte. Noch in der Woche vor der Verhandlung vereinnahmte sie 183 Mark an Lehr­geld. Wie festgestellt wurde, verfügte die Firma nicht einmal über die nöthigen Lehrkräfte zur Ausbildung der Arbeiterinnen. Frauen und Mädchen, die kaum die Anfangsgründe des Zigarettenmachens erlernt hatten, mußten ihrerseits andere anlernen. Die Firma war ferner gar nicht in der Lage, dieangelernten" Arbeiterinnen be­schästigen zu können. Meldeten diese sich in einer anderen Fabrik, so stellte sich sehr bald ihre Leistungsfähigkeit heraus, und sie wurden entlassen oder mußten nochmals als Lernende anfangen. So erging es auch den vier Klägerinnen, und sie beschlossen, das unreelle, ver­werfliche Treiben vor die Oeffentlichkeit zu ziehen. Vor dem Ge­werbegericht wendete der Vertreter der verklagten Firma ein, die Lernenden hätten einen Vertrag unterschrieben, der sie über alles in- formirte, was sie rechtlich wissen mußten. Allein es stellte sich heraus, daß dieser sogenannte Vertrag nichts Anderes gewesen, als eine Art Liste, in welche die Lernenden Namen und Adresse eintrugen. Die Firma wurde denn auch kostenpflichtig verurtheilt, den Klägerinnen das Lehrgeld zurückzuzahlen, da ihre Handlungsweise eine gemein­gefährliche Machination gewesen und auf bewußter Täuschung beruht habe. Man bedenke nun angesichts der Thatsachen, welche die Ver­handlung enthüllte, daß nur 4 von 114 Arbeiterinnen, die der be­trügerischen Praktik der Firma Ali Pascha im Laufe von etwa vier Monaten zum Opfer gefallen sind, zu klagen und ihr Recht zu suchen wagten! Man erhält dann eine Ahnung von der Ausbeutung, oben­drein oft in rechtswidrigen Formen, welche das Kapital den Arbeite­rinnen in der Zigarettensabrikation aufzuerlegen vermag. Die systema­tische Lehrlingszüchterei wird gewiß nicht immer mit solch betrüge­rischen Manipulationen verzwickt, wie in dem angezogenen Falle. Dafür aber wird sie vielfach als Mittel ausgenutzt, die Arbeiterinnen für lange Zeit an einen Betrieb zu fesseln, ihnen die Möglichkeit zu rauben, sich anderwärts nach lohnenderem Verdienst umzusehen. Bei der Firma Mnitze zum Beispiel müssen die Lehrmädchen und Lehr­frauen 33 Mark Lehrgeld zahlen. Der Betrag wird ihnen nach und nach in Raten von 1 Mark pro Woche am Lohne abgezogen. Wenn und die angeborenen Anlagen des Mädchens, Heiterkeit, Witz und Lebendigkeit des Geistes wurden durch keinerlei Pedanterie verkümmert. Sie berichtet selbst:Wie ich jung war, wußte man von all den Verfeinerungen nichts, so wenig man von dem Staate was wußte, zu dem man jetzt die Kinder gewöhnt. Man ließ uns lesen lernen und schreiben, und übrigens hatten wir alle Freiheit und Freuden der ersten Jahre. Wir vermengten uns mit Kindern von geringem Stande, ohne daß das unsere Sitten verderbt hätte. Wir durften i wild sein und die Mutter fürchtete nicht für unseren Anzug, wir hatten keine Falbalas zu zerreißen, keine Blusen zu verschmutzen, keine Bänder zu verderben; unsere leinenen Kleidchen waren bald gewaschen. Keine hagere Deutsch -Französin zog hinter uns her, ließ ihren bösen Humor an uns aus und prätendirte etwa, wir sollten so steif, so eitel, so albern lhun wie sie. Es wird mir immer übel, die kleinen Mißgeburten in der Allee auf und ab treiben(zu) sehen. Nicht anders sieht's aus, als wenn ein Kerl in der Messe seine Hunde und Affen mit Reiflöcken und Fantangen mit der Peitsche vor sich her in Ordnung und auf zwei Beinen hält und es ihnen mit derben Schlägen gesegnet, wenn die Natur wiederkehrt und sie Lust kriegen, einmal ä kru- aiss(sprich a löhr ähs, d. h. nach ihrem Gefallen) auf allen Vieren zu trappeln.... Die besten, die ich in unserem Geschlecht habe kennen gelernt, waren eben die, auf deren Erziehung man am wenigsten gewendet hatte____' Auch diesen Zug zum schlicht Natürlichen hat Frau Rath aus ihren großen Sohn vererbt, der ja selbst einer der mächtigsten Rufer im Streite derGenieperiode" unserer Literatur werden sollte, in welcher man gerade allem Formalismus und gezierten gekünstelten Wesen in Leben und Dichtung so heftig den Krieg machte. Eine schlichte, tieswurzelude, aber keineswegs kopfhängerische oder muckerische Hausfiömmigkeit ist als weiteres Element ihrer Jugenderziehung zu erwähnen, sie war von der Art, wie sie sich auch derdezidirte Nichtchrist"(entschiedene Nichtchrist) Wolfgang Goethe später noch gefallen ließ.(Forlsetzung folgt.)