die Betreffenden zwei Jahre in der Fabrik thätig sind, so erhalten sie das Lehrgeld zurückgezahlt. Wer da weiß, welche Rolle für die Existenz der Arbeiterin 33 Mark spielen, dem ist auch klar, daß die Aussicht auf Rückerstartung des Lehrgeldes eine Kette ist, welche die Betreffenden an die Fabrik bindet. Manche Demüthigung, mancher Lohnabzug, mancher sanitäre Uebelstand wird der 33 Mark wegen schweigend und geduldig ertragen. Uebrigens scheint eine Abmachung zwischen den einzelnen Firmen zu bestehen, dahingehend, daß sie gegen­seitig bestrebt sind, die angelernten Arbeiterinnen längere Zeit in dem Lehrbetrieb zu halten. Wenigstens läßt der Umstand darauf schließen. daß es Arbeiterinnen selten gelingt. Beschäftigung in einer Fabrik zu finden, ehe sie nicht zwei Jahre bei der Firma thätig waren, wo sie das Zigarettenmachen erlernten. Die Arbeitsbedingungen der Dresdener   Zigarettenarbeiterinnen erweisen sinnenfällig die Nothwendigkeit eines besseren gesetzlichen Schutzes der weiblichen Arbeitskräfte. Sie predigen laut und ein­dringlich die Nothwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen. Viele der Uebel, unter denen die Zigarettenarbeite­rinnen seufzen, würden verschwinden, wenn den ausbeutenden Unter­nehmern nicht unaufgeklärte, ängstliche Frauen und Mädchen in Ver- einzelung und Schwäche gegenüberständen, vielmehr wissende und fest zusammengeschlossene Gewerkschaftsmitglieder, hinter denen stützend und schützend die Macht der Organisation steht. W. Kühler. Aus der Bewegung. Von der Agitation. Auf Veranlassung der Vertrauensperson der Genossinnen von Mülhausen   i. E.. Genossin Emmel, sprach Genossin Zietz in einigen Versammlungen der dortigen Gegend. Die erste Ver­sammlung in Mülhausen   war vom FrauenvereinReform" einberufen. Die Referenlin behandelte das Thema:Die Ziele der modernen Frauenbewegung." Einige Genossinnen betheiligten sich recht lebhaft an der Diskussion. Da sie im Dialekt,Mülhüser Dülsch", sprachen, kamen ihre Gedanken recht urwüchsig und drastisch, darum aber auch recht packend zum Ausdruck. Eine Reihe von Frauen und Mädchen meldeten sich zum Beitritt, so daß der Verein jetzt circa 120 Mitglieder zählt. Die zweite Versammlung tagte in Gebweiler, einem kleinen Gebirgsstädtchen in den Vogesen  . Das kleine Städtchen hat Weltruf erworben durch denSchlumberger-Faden", der hier fabrizirt wird, wie denn überhaupt die Textilindustrie hier vorherr­schend ist. Ein eigenartiges Bild gewährt das Städtchen am Abend, wenn die Fabriken ihre Arbeitsbienen ausspeien. Es hastet alles nach Haus. Um 3 Uhr Abends sind jedoch die Straßen wieder be­lebt, wie in einer Großstadt. Da spaziert alles. Alt und Jung, auf und ab, ein wenig Luft zu schöpfen. Die Männer bilden jedoch bei Weitem die Mehrzahl, Frauen sieht man fast garnicht, höchstens junge Mädchen. Die Frauen sind eben daheim eingespannt, wo sie zu schaffen, zu schaffen und abermals zu schaffen haben. Der große Saal, in dem die Versammlung geplant war, wurde vom Wirth unter einem nichtigen Vorwand verweigert, und wir mußten uns mit einem kleineren begnügen. In Gebweiler   fand keine öffentliche, sondern eine private Versammlung statt, die auf Grund des geltenden französischen  Rechts einberufen worden und zu der nur geladene Gäste Zutritt hatten. Allerdings mußte dafür auch die Polizei fernbleiben. Von den zahlreich erschienenen Frauen belheiligten sich verschiedene an der Diskussion. Unter Anderen ein junges Mädchen, das sein volles Ein- verständniß mit dem Ausgeführten bekundete und dem Bedauern Aus­druck gab, daß kein Frauenverein bestehe. In den Reichslanden be­darf jedoch jeder Verein der Genehmigung seitens der Behörde, wodurch das Vereinigen naturgemäß außerordentlich erschwert wird und durch das Versagen der Genehmigung unmöglich gemacht werden kann. Ebenso bedarf jede öffentliche Versammlung der Genehmigung, die oft genug ausbleibt. Daher halten auch die Genossen von Colmar   eine Privatversammlung arrangirt. Das Lokal erwies sich als viel zu klein, und ein Nebenraum war ebenfalls überfüllt. Auch hier waren die Frauen stark vertreten. In Mülhausen   fand noch eine öffent­liche Protestversammlung gegen den Zolltarif statt. Vor der Eröff­nung war das Lokal überfüllt und wurde polizeilich abgesperrt, der ganze Hof war von Versammlungsbesuchern besetzt. Genossin Emmel wies bei der Eröffnung darauf hin, daß die erste öffentliche Ver­sammlung. die vom Agitationskomite der Frauen einberufen worden, durch ihren starken Besuch beweise, daß die Bildung des Komites einem vorhandenen Bedürsniß entsprochen habe und forderte in warmen Worten zur allseitigen Mitarbeit auf. Ueberaus lebhafter Beifall ward der Referentin und einer Genossin I. zu Theil, die sich an der Diskussion betheiligte. Ein hohes Kontingent der Besucher der imposanten Versammlung stellten die Frauen Es geht eben überall vorwärts, auch im Elsaß  , trotz Diktaturparagraphen und sonstiger Hemmnisse. I,. X. Auf Veranlassung der Vertrauensperson der deutschen Genossinnen, Genossin Baader, sollte versucht werden, auch im Großherzogthum Baden eine lebhafte Agitation unter dem weiblichen Proletariat zu entfalten. Genossin Zietz sollte zu diesem Zwecks im Anschluß an ihre Tour im Elsaß   in einer Reihe von Versammlungen referiren. Nicht in allen Orten, an welche Genossin Baader sich gewandt hatte. war es leider möglich Versammlungen zu veranstalten. Auf münd­liche Rücksprache mit verschiedenen Genossen haben dieselben jedoch versichert, im Frühling für eine weitere Agitation unter den Frauen sorgen zu wollen. Wo Versammlungen veranstaltet worden waren, so in Freiburg   i. Br., Emmendingen   und Mannheim  , war der Besuch ein sehr guter, und das Interesse, besonders seitens der anwesenden Frauen, ein sehr lebhaftes. In allen Orten gelang es, eine Genossin für den Posten der weiblichen Vertrauensperson zu gewinnen. In Freiburg   wurde Genossin Amt Hauer und als Stellvertreterin Genossin Klank gewählt, in Emmendingen  Genossin Till mann. In Emmendingen   spielt die Tabakindustrie eine große Rolle, und es ist deshalb doppelt erfreulich, daß sich Genossin Sillmann, selbst Tabakarbeiterin, zur Uebernahme des Postens bereit erklärt hat. Die führenden Genoffen beider Orte haben ver­sprochen, mit ganzer Kraft das Wirken der Genossinnen unterstützen zu wollen. In Mannheim   haben die Genossen, die an der Spitze der Bewegung stehen, in der bereitwilligsten Weise durch Vorschläge und Rücksprache geholfen, eine für den Posten der Vertrauensperson geeig­nete Genossin aufzufinden. In der Versammlung fanden besonders die Ausführungen der Genossin Zietz allseitigen Beifall, welche die Nothwendigkeit der Mitarbeit der proletarischen Frauen am Befrei­ungswerk der Arbeiterklasse betonten. Einstimmig ward die Genossin Caspar als Vertrauensperson gewählt. Dieselbe dankte in schlichten Worten für das erwiesene Vertrauen und versprach, bei der Agitation unter ihren Geschlechtsgenossinnen ihr Bestes zu leisten. Die Genossen versicherten, sie nach bestem Können bei ihrer Arbeil zu unterstützen. Der Erfolg wird sicher nicht fehlen. Auch die Ausführungen der Genossin Zietz bezüglich des Zolltarifs   die Versammlungen waren Protestversammlungen gegen denselben fanden lebhafte Zu­stimmung. Scharfe Protestresolutionen gegen den Zollwucher wurden einstimmig angenommen. Im Interesse unserer Gesammtbewegung wünschen wir den Anfängen einer offiziellen Betheiligung unserer badischen Genossinnen an der Bewegung eine gedeihliche Fortent­wicklung. l,. Anfang Februar fand in Halle a. S. anläßlich der Stadt­verordnetennachwahl eine sehr gut besuchte Frauenversammlung statt. Circa 600 Frauen hatten sich eingefunden. Genossin Kähl er­Dresden referirte über das Thema:Welche Lasten hat die Arbeiterfrau zu tragen?" Die Referentin ließ sich angelegen sein, das Interesse der Frauen für die wirthschaftlichen und politischen Kämpse der Gegenwart zu wecken. Nachdrücklich hob sie die Noth­wendigkeit der Mitarbeit der Frauen bei Kommunalwahlen hervor. An der Tagesordnung einer Stadtverordnetensitzung wies sie nach, daß fast jeder einzelne behandelte Punkt von Interesse für die Frauen­welt war. Die beiden sozialdemokratischen Kandidaten richteten gleich­falls die Ausforderung an die Frauen, indirekt an der Wahl sich zu beiheiligen und die säumigen Wähler zur Wahlurne zu lreiben. Im weiteren Verlauf der Versammlung wurde Genossin Sachse als Verlrauensperson der Frauen und Genossin Janke als Stellver­treterin gewählt. Hoffen wir, daß der Samen auf fruchtbaren Boden gefallen ist, und daß auch die Hallenser   Frauen sich aufraffen, um mit den Männern zusammen in den Kampf für Freiheit und Brot einzutreten. Auch in Würzen fand kürzlich eine sehr gut besuchte Frauen­versammlung statt. Genossin Kähler-Dresden referirte über das Thema:Die Einwirkung der schlechten Zeiten auf das Familienleben." Die Genossinnen in Würzen haben gleichfalls die Absicht, eine Vertrauensperson zu wählen. Man sieht, daß allenthalben auch unter den Frauen die soziale Aufklärung fortschreitet, und der Wille zur Betheiligung am Freiheitskampfe des Proletariats erwacht. VV. X. PondenOrganisationen. DerBildungsverein fürFrauen und Mädchen der Arbeiterklasse Berlins  " hielt am 3. Februar seine jährliche Generalversammlung ab. Nachdem Vorsitzende und Kassirerin ihre Berichte gegeben hatten, die eine erfreuliche Ent­wicklung des Vereins erkennen ließen, gelangte ein Antrag zur An­nahme, den Vorstand auf drei Personen zu reduziren. Das 3. Stiftungs­fest der Organisation, das am 9. Februar stattfand, war glänzend be­sucht und nahm den besten Verlauf. Im Mittelpunkt des Fest­programms stand die Festrede von Bebel, der in treffenden, wirkungs­vollen Ausführungen ein Bild von der Entwicklung der Frauenbewegung gab. Seine Worte klangen in dem Wunsche aus, der Verein möge zur Aufklärung der Frauen auf allen Gebieten der Kulturentwicklung