dringend auf, sich der Organisation der Arbeiterinnen anzunehmen.Im Verbandsorgan sagt vr. Hirsch, das Haupt der Harmonieapostel:„Jeder wahre Gewerkvereinler wird diesen Weckruf als höchst zeitgemäß und nothwendig begrüßen und sich mit Herz und Hand derneuen Bewegung anschließen. Gilt es doch die endliche Durchführungdes alten Gewerkvereinsgedankens, die Segnungen der Organisationauch unseren Arbeitsschwestern zugänglich zu machen, sie zur Mitarbeit und damit zur namhaften Verstärkung unserer großen undguten Sache heranzuziehen." Es hat fürwahr recht langer Zeit bedurft, ehe der Zentralrath der Hirsch-Dunckerschen sich zur„endlichenDurchführung des alten Gewerkvereinsgedankens" entschlossen hat.Kein Zweifel: die kräftige Entwicklung der freien Gewerkschaften, ihreernsten Bemühungen, die Arbeiterinnen ihrer klassenbewußten Berufsorganisation zuzuführen, haben im Bunde mit dem fortschreitenden Verfall der Gewerkvereine ganz wesentlich das Verständniß für die„endliche" Verwirklichung des„alten Gedankens" erweckt. Lange Jahre habensich die Gewerkvereine um die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen überhaupt nicht gekümmert. Dann kam die Zeit, wo sie derselben in der Theorie ein Kompliment machten, in der Praxis aberherzlich wenig für sie thaten. Nun aber werden die Arbeiterinnengesucht, um die Lücken zu füllen, welche das wachsende Klassenbewußtsein in die Reihen der Hirsch-Dunckerschen reißt; nun aber sind dieArbeiterinnen gut genug, um die„namhafte Verstärkung" zu bringen,die aus den Kreisen der Arbeiter nicht mehr zusammengetrommeltwerden kann. So unabweisbares Bedürfniß die gewerkschaftliche Or-ganisirung der Arbeiterinnen ist, so dringend nöthig erweist es sich,daß diese Organisirung auf der richtigen Grundlage erfolgt: auf derGrundlage des proletarischen Klassenkampfes, auf der die freien Gewerkschaften stehen, und nicht auf jener der kindischen Harmonieduselei.Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.Eine Demonstration der Wiener Genossinnen gegen denMilitarismus hat kürzlich stattgefunden. Den äußeren Anlaß dazuboten die schrecklichen Vorgänge in Trieft. Es wurden drei gleichzeitig tagende Versammlungen einberufen, in denen Genossinnen refe-rirten. Im Anschluß an die Vorträge, welche stürmischen Beifallfanden, gelangte in allen Versammlungen einstimmig eine Resolutionzur Annahme, welche betont, daß das stehende Heer eine Gefahr fürdie Volksrechte ist, und welche seine Abschaffung und Einführung derallgemeinen Volksbewaffnung fordert.Vereinsrecht der Frauen.Die Petitionen für eine Reform des Vereins- und Versammlungsrechtes, welche die„Gesellschaft für soziale Reform" und eine sehr große Anzahl frauenrechtlerischer Organisationen beim Reichstag eingereicht haben, standen neuerlich vor derPetitionskommission des Parlaments zur Verhandlung. Die Erörterung darüber war eine sehr eingehende, führte aber nicht einmal zurBerücksichtigung des bekannten schwächlichen Antrags der schwächlichenbürgerlichen Sozialreformler, den Frauen das Recht der Betheiligungan Vereinen zu verleihen, welche sozialpolitische Bestrebungen verfolgen. Wir verzeichnen diese Thatsache als charakteristisch für denreaktionären Geist, welcher die Mehrheit der Kommissionsmitgliederbeseelt, weinen ihr aber keine Thräne nach, die der sozialreformlerischeWechselbalg des Antrags wirklich nicht verdienen würde. Für einreichsgesetzliches, unbeschränktes, gleiches Vereins- und Versammlungsrecht für beide Geschlechter auf allen Gebieten— auch auf dem derPolitik— trat der Berichterstatter, der Freisinnige Müller-Mei-n in gen, nachdrücklich ein. Eingehend begründete er seinen Antrag,den vorjährigen Beschluß der Petitionskommission(Nr. 2 der„Gleichheit 1902) aufzuheben und die Petitionen der Frauenvereine demReichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Sein Standpunktwurde von den Vertretern der Mehrheit bekämpft. Diese machtengeltend, man müsse die Bestrebungen der Frauen„zurückdämmend"behandeln. Die Kommission beschloß dieser Einsicht und Gerechtigkeit„zurückdämmenden" Auffassung entsprechend, den vorjährigen Beschluß aufrecht zu erhalten. Am 27. Februar sollte der Reichstag imPlenum über Petitionen verhandeln, welche ein einheitliches Vereinsund Versammlungsrecht für das Deutsche Reich fordern. Auf Antrageines Zentrümlers wurde jedoch die Berathung von der Tagesordnungder sehr schlecht besuchten Sitzung abgesetzt.Für gleiches Vereins- und Versammlungsrecht für Allein Preußen trat der freisinnige Abgeordnete Dr. Wiemer impreußischen Landtag ein. Anlaß dazu bot ihm die in Berlin seitensder Polizeibehörden geübte zweierlei Praxis gegenüber der Versammlung des Bundes der Landwirthe und der Versammlung dessozialdemokratischen Wahlvereins des dritten ReichstagswahlkreisesVerantwortlich silr die Redallton � Fr. Klara Lettin iZundelt in Stuttgart(siehe Nr. 6 der„Gleichheit"). Or. Wiemer sagte u. A.: Der HerrMinister des Innern hat, als von der Versammlung im Zirkus Buschund der Zulassung der Frauen zu dieser Versammlung die Rede war,der Ansicht Ausdruck gegeben, daß Frauen auch an politischen Vereinsversammlungen theilnehmen dürften, wenn sie sich nicht an den Verhandlungen betheiligen und gesonderte Plätze einnehmen. Ich haltediese Interpretation des Vereinsgesetzes für einen Fortschritt, würdeaber wünschen, daß sie gleichmäßig allen Parteien zu Gute komme.Nun haben wir in der vorigen Woche die Probe auf das Exempelgehabt. Hier in Berlin hat eine Versammlung des sozialdemokratischen Wahlvereins des dritten Reichstagswahlkreises stattgefunden.Frauen haben an der Versammlung theilgenommen; die Voraussetzungen, die der Herr Minister aufgestellt hatte, sinderfüllt worden. Gleichwohl hat der überwachende Polizeibeamtedie Entfernung der Frauen aus dieser Versammlung verlangt. Undohne Zweifel wird auch in anderen Versammlungen, wo Gendarmendie Ueberwachung haben, ähnliches sich ereignen. Nun sind wir derAnsicht, daß eine derartige unterschiedliche Behandlung je nach derStellung der politischen Parteien unter keinen Umständen Platz greifendarf. Der Herr Minister des Innern wird sich der Verpflichtungnicht entziehen können, auf die einheitliche Ausführung der Interpretation, die er hier gegeben hat, zu dringen. Die Beamten, dieStaatsorgane müssen sich bewußt sein, daß alle Bürger vor dem Gesetzgleich sind, und daß alle politischen Parteien mit dem gleichen Maßstab gemessen werden sollen, und diese Meinung muß gegebenenfallsden Beamten durch eine einheitliche Instruktion von Oben her beigebracht werden." Bekanntlich antwortete der preußische Ministerauf diese unzweideutige Forderung einheitlichen Rechtes mit der„Richtigstellung" seiner früheren Erklärung, das heißt mit der Proklamationder Polizeiwillkür an Stelle der Anerkennung des Rechtes. Wir habendiese famose„Richtigstellung" bereits in der letzten Nummer unsererZeitschrift mitgetheilt und gewürdigt.Als juristische Kronzeugin für das formale Recht derPolizei, bei Praxis des Vereinsgeselzes mit zweierlei Mastmessen zu können, ist die„radikale" Frauenrechtlerin Frl. Augs-purg im„Tag" aufgetreten. Ihrer Ansicht nach steht es in demErmessen der Polizei, ganz nach Belieben von dem Rechte der Ausweisung der Frauen aus politischen Vereinsversammlungen Gebrauchzu machen, ohne damit die Pflicht gleichmäßiger Praxis dieses Rechtesauf sich zu nehmen. Zur Begründung dieser Auffassung machtFrl. Augspurg Folgendes geltend. Im preußischen Vereinsgesetzheiße es, daß politische Vereine, die Frauen als Mitglieder aufnehmen, geschlossen werden könnten, und daß Versammlungen solcherVereine, an denen sich Frauen betheiligen, aufgelöst werden könnten,sofern der Aufforderung der überwachenden Beamten zur Entfernungder Frauen nicht Folge geleistet werde. Die Auffassung, welcheFrl. Augspurg vertritt, scheint uns juristisch äußerst anfechtbar.Doch davon abgesehen dünkt es uns eine recht überflüssige und bedenkliche Liebesmüh', den ohnehin deutungsfrohen Behörden juristischeStrickleitern zu halten, auf denen sie zu der Höhe einer formal ein-wandsfreien Rechtspraxis emporturnen können. Derartige Aufgabenkönnten die Frauenrechtlerinnen seelenruhig den Behörden überlassen.Für ihren juristischen Uebereifer ist übrigens Frl. Augspurg gestraft genug. Schweinburg, der Preßkuli der schlimmsten Reaktionäre, hat sich sofort ihre Auslegung schmunzelnd angeeignet.Gebührend sei Frl. Augspurgs Erklärung vermerkt, daß das formaleRecht der Polizei zum ärgste» moralischen Unrecht wird.Eine zeitweilig vernünftige Praxis des Versammlungsrechts in Reust ä. L. hat neulich der Landrath von Greiz angeordnet. Bekanntlich bestimmt das Vereinsrecht des genannten Ländchens,daß weibliche Personen an Versammlungen nicht theilnehmen dürfen.Den etwa 1000 Greizer Textilarbeiterinnen, die sich unter den jüngstAusgesperrten befanden(Nr. ö der„Gleichheit") wäre es in derFolge unmöglich gewesen, den Versammlungen ihrer Schicksalsgenossen beizuwohnen. Nachdem ein Mitglied der Lohnkommissionbei dem Landrath vorstellig geworden, verfügte dieser, daß währendder Dauer der Lohnbewegung die Arbeiterinnen die Versammlungen besuchen durften. Die Gendarmen erhielten dienöthigen Instruktionen. Die Arbeiterinnen haben das vorübergehendgewährte Recht fleißig ausgenützt. Und Reuß ä. L. steht noch, obgleichobendrein— für viele Ohren schrecklich zu hören!— die Lohnbewegungin der Hauptsache mit einem bemerkenswerthen Erfolg der Arbeitergeendet hat.Zur Beachtung.Alle auf die Agitation unter den proletarischen Frauen bezüglichen Briefe und Sendungen sind zu richten an:Ottilie Vader, Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands,Berlin �V., Groß-Görschenstr. 38, II. Hof rechts, 3 Tr.t.— Druck und Verlag von I. H. W. Metz Nachf.(S. m.b.H.) in Stuttgart.