ständig vereinbar ist, die Frauen nicht ausgeschlossen werden von diesen Fachvereincin Die Frauen sind selbst nicht ausgeschlossen von politischen Versammlungen, welche zu einem bestimmten Zwecke von einzelnen Personen oder Gruppen von Personen berufen werden; ausgeschlossen sind sie nur von der dauernden Thätigkeit in politischen Vereinen, und zwar solchen Vereinen, deren Zweck es ist, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern. Das ist die gesetzliche Grundlage, an der etwas zu ändern ich wenigstens keinerlei Be- dürfniß empfinde. Ich bin dann vom Abg. Dr. Sattler gefragt worden, wie sich mit diesen Bestimmungen des Gesetzes die neue Anordnung des Polizeipräsidenten von Berlin bezüglich der Zulassung von Frauen zu Vereinsversammlungen politischer Vereine vertrage, tz 8 des Vereinsgesetzes bestimmt, daß Vereine, die bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge als Mitglieder nicht aufnehmen sollten. Die Zuwiderhandlung wird ausdrücklich unter Strafe gestellt. Es ist weiter gesagt, Frauenspersonen dürsten den Versammlungen und Sitzungen solcher politischen Vereine nicht beiwohnen. Das klingt ebenso apodiktisch als wie:„Sie dürfen nicht Mitglieder werden", es ist aber anders gedacht. Aus den Verhandlungen der Kommission dieses hohen Hauses geht das ausdrücklich hervor. Es soll darnach nicht die Anwesenheit einer Frau in solchen Versammlungen direkt unter Strafe gestellt werden, das würde zu weit führen. Es soll nur der Polizei Gelegenheit gegeben werden, auf die Entfernung dieser Frauen hinzuwirken! Erst dann, wenn diese Gelegenheit ergriffen ist und dem Gebot der Polizei nicht gefolgt wird, soll eine Strafe verhängt werde». Der Schlußsatz des Paragraphen lautet deshalb ausdrücklich: „Wenn die Frau auf die Aufforderung des anwesenden Abgeordneten der Obrigkeit sich nicht entfernt, so ist Grund zur Auflösung der Versammlung oder der Strafe vorhanden." Es wird also hier auch nicht eine Strafe festgesetzt, sondern nur konstatirt, daß ein Grund zur Auflösung gegeben sei. Es kommt nun hier zweierlei in Betracht. Erstens ist die Polizei nicht verpflichtet, einer jeden Versammlung eines politischen Vereins beizuwohnen. Es ist der Polizei nur die Befugniß, das Recht dazu eingeräumt. Der Erfolg dieser Bestimmungen ist der gewesen, daß in sehr zahlreichen Vereinen in der ganzen Monarchie, bei deren Versammlungen Abgeordnete der Polizei nicht anwesend waren, Frauen den Versammlungen unbeanstandet beiwohnten. Zweitens kommt in Betracht, daß, wenn die Polizei von ihrem Rechte Gebrauch macht, solchen Versammlungen beizuwohnen, sie auch wiederum das Recht, die Befugniß hat, die anwesenden Frauen zu entfernen und dazu aufzufordern. Sie ist aber nicht gezwungen dazu und so ist es thatsächlich in der ganzen Monarchie gehandhabt worden. Nun ist richtig, daß scharf auftretenden Vereinen gegenüber die Polizei geneigt ist, anders vorzugehen, wie gegenüber anderen Ver- Erfundene Anekdote, aber gut erfundene ist es, daß sie ihr Nichtkommen auf eine Einladung kurz vor ihrem Ende entschuldigt haben soll mit den Worten:„Die Frau Rath hat alleweile keine Zeit, sie muß ganz nothwendig sterben!"— Am 13. September 1808 starb die herrliche wunderbare Frau, deren Namen mit goldenen Lettern in die Ehrenannalen des ganzen weiblichen Geschlechts eingetragen steht für alle Zeiten. Manches wackere Weib und manches anständige Mädchen aus dem Volke, denen ich die Bekanntschaft mit der Frau Rath vermittelt habe, haben mir sofort eingewendet:„Ja, lieber Genosse, der Frau Rath Goethe hat es materiell an nichts gefehlt, sie kannte keine Nahrungssorgen, lebte in guten reichlich bürgerlichen Verhältnissen, hatte einen berühmten Mann zum Sohne und viele gute, ja vornehme Verbindungen; kurz, sie war, wie wir Sachsen zu sagen pflegen: schöne'raus! Sie hatte es leicht, allezeit guten Humors zu sein!" Das ist ja ganz gewiß wahr und richtig. Ebenso wahr und richtig ist auch, daß im Jahre 1902 andere politische und soziale Verhältnisse, eine vielfach grundverschiedene Art des Fühlens und Denkens herrschen: das allgemein Menschliche ist aber heute noch so wie damals, und das allgemein Menschliche war auch der Frau Rath auferlegt zu tragen. Und sie hat's getragen, hat's meist auch siegreich überwunden.„Leben heißt ein Kämpfer sein!" hat ihr großer Sohn gesagt; und das gilt heute in einem viel höheren Grade wohl als jemals in der ganzen Geschichte der Menschheit; auch das gebe ich zu. Die Frau Rath hat aber sicherlich auf ihrem Schlachtfeld, mit ihren Waffen und der Taktik der Besten ihrer Zeit und ihrer Klasse einen guten Kampf gekämpft, tapfer und treu und einen, deren Verhandlungen in einem ruhigen Fahrwasser sich bewegen.(Lebhafte Zurufe links.— Aha! Bund der Landwirthe! Große Unruhe!) Das ist an und für sich vollständig naturgemäß, das ist geschehen, und daraufhin bin ich hier im Abgeordnetenhaus apostrophirt worden:„Es wird mit zweierlei Maß gemessen!"(Zurufe links: Sehr richtig!— Unruhe.) Um dem abzuhelfen und um in der ganzen Monarchie gleiches Maß zu schaffen, habe ich die Ver- fügung erlassen, auf Grund dessen der Polizeipräsident nunmehr die Polizeiorgane zur Anwendung dieses Paragraphen angewiesen hat. Die Verfügung geht ausdrücklich dahin, daß ohne Unterschied der Partei überall mit gleichem Maß gemessen werden soll, und daß von der Befugniß der Polizei, die anwesenden Frauen aus Versammlungen politischer Vereine zu entfernen, thunlichst dann kein Gebrauch gemacht werden soll, wenn durch die äußeren Thatumstände dokumen- tirt ist, daß die Frauen nicht als eigentliche Theilnehmer auftreten. Den Schmerz, der für die Frauen nach Herrn Dr. Krieger darin liegt, zur Schweigsamkeit verurtheilt zu sein, will ich ihnen gerade bereiten, ich will nicht, daß sie in politischen Angelegenheiten mitreden.(Sehr gut! rechts.) Es sähe schlimm aus um unseren preußischen Staat, wenn die leichte Erregbarkeit der Frauen in öffentlichen Versammlungen das Volk bewegen sollte.(Vielfaches Sehr richtig! rechts.) Davor müssen wir uns hüten. Es ist aber etwas ganz anderes, wenn an politischen Versammlungen die Frauen nur als Zuschauerinnen theilnehmen. Wenn das äußerlich dokumentirt ist durch eine Abtrennung, durch Anweisung getrennter Plätze, so wollen wir den Frauen aller Stände gegenüber und den Vereinen aller politischen Richtungen gegenüber höflich und entgegenkommend sein.(Zustimmung rechts.) Diese Anordnung ist nicht nur für Berlin getroffen, sondern sie ist allen Regierungspräsidenten zugegangen, und sie wird gehandhabt werden von Memel bis an die Mosel . Die Frauen aber mögen sich hüten, dies Entgegenkommen zu mißbrauchen.(Aha! links.) Dann würde ich von der Befugniß, die das Gesetz einräumt, wieder einen schärferen Gebrauch zu machen gezwungen sein.(Beifall rechts.) Der preußische Minister hat als Schirmherr des Philisterzopfes und als Sachwalter der besitzenden Klassen gesprochen. Als Schirmherr des Philisterzopfes erklärte er mit der überzeugenden Wucht einer Bierbankargumenlation: Die Entwicklung des Rechtes des weiblichen Geschlechtes muß stillestehen, denn siehe! für meinen Amtsverstand hat die Welt der geschichtlichen Entwicklung seit fünfzig Jahren stillgestanden.„Ich will nicht, daß Frauen in politischen Angelegenheiten reden." Als Sachwalter der herrschenden Klassen aber schmettert er mit der fröhlichen Selbstverständlichkeit eines ministeriellen Naturburschen in die Lüfte: Jawohl, die Behörden haben auf dem Gebiet des Vereins- und Versammlungsrechts mit zweierlei Maß gemessen. Das Gesetz verpflichtet sie nicht, es berechtigt sie nur dazu— wie Anita Augspurg als ahnungsvoller juristischer Engel sang— alle nach ihrem besten Wissen und Können für das höchste Ziel der Menschheit. Der tüchtigen braven Hausfrau, der sorgsamen treuliebenden Gattin, der zärtlich um ihrer Kinder Glück besorgten Mutter, als die Goethe seine Mutter all seine Tage kennen gelernt und gesehen hatte, hat er nicht nur in seiner Selbstbiographie, sondern in drei liebwerthen Frauengestalten seiner Dichtungen ein dauerndes ehrendes Denkmal gesetzt: in der biederen Gattin des Götz von Berlichingen , Elisabeth, in der Mutter des Helden des Epos„Hermann und Dorothea " und in der Mutter der Hauptfigur des Romans „Wilhelm Meister". Zu einer besonderen„Aristeia", das heißt einer ausführlichen historisch-poetischen Darstellung und Verherrlichung der Tüchtigkeit seiner Mutter, die ein besonderes Kapitel seiner eigenen Biographie bilden sollte, kam Goethe nicht, obwohl ihm eine solche sehr am Herzen lag lange Zeit. Aber die Frau Rath hat auch so des Glückes und Ruhmes genug genossen ohnedies, in sich selbst und namentlich in und durch ihren großen Sohn Wolfgang. Mit vollem Rechte durfte deshalb Sophie von Laroche an Merk schreiben: „Mutterfreuden sind wohl unter den süßesten auf Erden, und ich möchte wohl sagen, daß vielleicht keine Mutter lebt, die diese Freude so sehr verdient als Frau Goethe ." Aber das Beste und Schönste von allem Glück, das ihr vom Schicksal beschieden war, hat sie ehrlich und tapfer selbst erkämpft und erstritten, also reichlich verdient. Ihr Andenken wird gesegnet werden von allen Enkelgeschlechtern, die sie noch kennen lernen werden und denen sie allezeit ein leuchtendes Vorbild echter, edler Humanität sein wird.
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12 (21.5.1902) 11
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