Antrag, die Agitation unter den Arbeiterinnen betreffend. Dem Gewerkschaftskongreß liegt folgender Antrag vor, der vom Vor­stande des Verbandes der Buch- und Steindruckerei- Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen" eingereicht wurde:

,, Da es erwiesen ist, daß zur Gewinnung von Arbeiterinnen für die Organisation Frauen am besten und erfolgreichsten agitiren, be­schließt der Kongreß, daß die Generalkommission eine Agitations: fommission, bestehend aus Frauen, zu ernennen hat, die dann die Pflicht hat, in allen Berufen und in allen Orten Deutschlands , wo Arbeiterinnen in der Industrie beschäftigt sind, die Agitation unter diesen zu betreiben, um sie den Organisationen zuzuführen. Die Ge­werkschaften sind verpflichtet, dieser Kommission durch Ueberweisung von Material helfend zur Seite zu stehen und ist die Generalkommis­sion verpflichtet, auch die Unkosten für Versammlungen u. s. w. zu tragen, wenn die Gewerkschaften dazu nicht im Stande sind. Die der Agitationskommission entstehenden Kosten für Drucksachen, Porti, Sigungen trägt die Generalfommission, und ist diese jederzeit be rechtigt, den Sizungen der Kommissionen beizuwohnen und können Agitationstouren, für welche die Gewerkschaften die Kosten nicht übernehmen können, nur mit Zustimmung der Generalkommission unternommen werden. Die Kommission ist verpflichtet, halbjährlich im ,, Correspondenzblatt" Bericht zu erstatten."

Zu diesem Antrag äußert sich die Holzarbeiter- Zeitung" wie folgt: Ob sich, wie beantragt ist, die Einsetzung einer besonderen Frauen- Agitationskommission nothwendig macht, möchten wir billig bezweifeln. Wir meinen, daß die speziellen Interessen der Arbeite­rinnen auch ohne eine solche Kommission hinreichend gewürdigt werden können und daß, wie bisher, dahingehende Wünsche auch fernerhin Berücksichtigung finden werden. Wir wehren uns aber grundsäßlich gegen eine solche Kommission nicht, wenn, wie es in dem Antrag des Vorstandes der Buchdruckerei- Hilfsarbeiter heißt, ,, die Generalfommission zu den etwaigen Agitationstouren ihre Zu­stimmung geben muß". Zweckmäßig müßte sich die Frauenkommission dann aber am Site der Generalfommission befinden, damit, wenn nöthig, gemeinsame Berathungen gepflogen werden könnten."

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Die Buchbinderzeitung" schreibt zu dem Antrag, wie zur Hauptfrage der Agitation unter den Arbeiterinnen das Nachstehende: Die Agitation unter den Arbeiterinnen steht schon als besonderer Punkt auf der Tagesordnung und wird deshalb gewiß eine eingehende Erörterung hervorrufen. Dazu ist ein Antrag vom Verbande der Buchdruckereihilfsarbeiter gestellt, der die Einsetzung einer besonderen Agitationskommission bestehend aus Frauen verlangt... Durch noch so viel Agitationskommissionen und Wanderagitatoren wird der Gewerkschaftsbewegung nicht so viel genügt, wie durch die Agitation von Mund zu Mund in der Fabrik, in der Werkstatt und im Hause selbst die Erfolge lehren es täglich. Dafür wäre es unseres Erachtens praktischer, Unterstützungseinrichtungen innerhalb der Gewerkschaften zu schaffen, an welchen die Arbeiterinnen mehr interessirt sind; allerdings die niedrigen Beiträge lassen feinen großen Spielraum nach dieser Richtung." Wir sind der Meinung, daß die ,, Buchbinderzeitung" das Kind mit dem Bade ausschüttet. So unersetzlich die Agitation von Person zu Person ist, so macht sie doch feineswegs die Thätigkeit von Kommissionen und Wanderagitatoren überflüssig. Eine andere Frage ist die, ob die Einsehung einer einzigen Frauenkommission geeignet ist, die Agitation unter den Arbeiterinnen zu fördern. Was kann eine einzige Kommission für ganz Deutschland an praktischer Arbeit für die Organisirung der Arbeiterinnen leisten? Sie fann die erforderliche Agitation anregen, organisiren, leiten, sie kann das besonders für Bezirke und Erwerbsgebiete thun, wo die Gewerkschaften noch schwach sind, noch keinen festen Fuß gefaßt haben. Wir denken dabei an die Hausindustrie, an Posen, Schlesien 2c. Unseres Erachtens ist jedoch die Generalfommission" den Aufgaben nichts schuldig geblieben, welche in dieser Hinsicht vorliegen. Gewiß, daß noch manches mehr angeregt und in die Wege geleitet werden tönnte. Aber dieses Mehr kann ebenso gut, wenn nicht besser als durch eine Kommission, innerhalb der Generalfommission" selbst an­geregt werden und zwar dadurch, daß ihr wieder ein weibliches Mit­glied angehört. Wichtiger als die Einsetzung der einen Kommission dünkt uns deshalb ein Anderes: daß, dem Vorbild von Berlin ent­sprechend, Frauenkommissionen überall dort eingesetzt werden, wo die Nothwendigkeit empfunden wird, die Organisirung der Arbeiterinnen durch stete, lokale, planmäßige Arbeit zu fördern. Auch diesen Rom­missionen müßte an Unterstüßung gewährt werden, was der Antrag für die eine Kommission fordert.

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Frauenstimmrecht.

Eine Resolution zu Gunsten des allgemeinen Frauenwahl­rechts hat die Frauenvereinigung der Norwegischen Ar­

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Alara Zetkin( Bundel) in Stuttgart .

beiterpartei" am 17. Mai, dem Verfassungstag der Norweger, in einer Wahlrechtsversammlung angenommen. Aus dem vorliegenden Bericht erhellt nicht, ob das allgemeine kommunale oder poli­tische Wahlrecht gefordert wurde. Bekanntlich ist in Norwegen das letztes Jahr eingeführte kommunale Frauenstimmrecht an einen Zensus gebunden, also nicht allgemein. Die beschlossene Resolution soll dem Storthing überreicht werden.

Eine große Petitionsbewegung für das allgemeine Wahl­recht in Ungarn ist von der Sozialdemokratie des Landes eingeleitet worden. Es werden überall Unterschriften von Männern und Frauen gesammelt, welche das allgemeine Wahlrecht fordern.

Weibliche Fabrikinspektoren.

Weibliche Fabrikaufsicht für Bremen forderte ein Antrag des Stadtverordneten Genossen Rhein. Nach eingehender Begründung wurde beschlossen, eine Kommission einzusehen zur Prüfung der Frage, obwohl der Vertreter des Senats um Ablehnung ersuchte.

Frauenbewegung.

Die Zulassung der Frauen zur Advokatur im Staate Maryland ist vom Unterhaus und Senat beschlossen worden. Die Zustimmung des Gouverneurs zu dem Beschlusse scheint ziemlich sicher. Miß Maddox aus Baltimore wird dann die erste Juristin sein, welche in Maryland vor Gericht plädirt. Nach Absolvirung der juristischen Studien hat die Dame mit größter Energie für die Zulassung zur Advokatur gekämpft und, wie der Beschluß der gesetz­gebenden Körperschaften zeigt, mit Erfolg.

Eine Privatdozentin an der Züricher Universität. Frau Dr. phil . Ritterhaus Bjarnason hat sich als Privatdozentin für alte und neue isländische Sprache und Literatur an der Universität zu Zürich habilitirt. Sie hielt ihre Antrittsvorlesung über die erste Entdeckung Amerikas um das Jahr 1000 nach isländischen Berichten. Ein zahlreiches Auditorium hatte sich eingefunden und zollte der Vorlesung reichen Beifall.

Literatur zur Frauenfrage.

,, Die Fabrikarbeit verheiratheter Frauen", dies der Titel einer sehr lesens- und empfehlenswerthen Broschüre, die Henriette Fürth kürzlich veröffentlicht hat( Frankfurt a. M., Verlag Dr. G. Schnapper), und der als Thatsachenmaterial die Reichsenquete von 1899 zu Grunde liegt. Nach einer kurzen Einleitung, welche den Unterschied zwischen der früheren hauswirthschaftlichen und der mo­dernen erwerbsthätigen produktiven Frauenarbeit darlegt, setzt sich die Verfasserin grundsätzlich mit der Frage auseinander: Soll die Fabritarbeit verheiratheter Frauen gesetzlich verboten werden? Vom wirthschaftlichen wie sozialethischen Standpunkt aus verneint sie diese Frage entschieden und begründet ihre Stellungnahme durch eine Fülle einwandsfreier Thatsachen und Urtheile aus der erwähnten Erhebung. An dem darin niedergelegten Material erweist Henriette Fürth des Weiteren die verhängnißvollen Folgen der schutzlos vom Rapital aus­gebeuteten Frauenarbeit für die Arbeiterin selbst, ihr Kind, ihre Familie. Ihre Ausführungen flingen in der nachdrücklichen Forde­rung gründlichen gesetzlichen Schutzes für alle Arbeiterinnen nicht blos die verheiratheten aus. Als Kernpunkt desselben verlangt

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sie den Achtstundentag für alle erwachsenen, einen kürzeren Arbeits­tag für die jugendlichen Arbeiterinnen. Kürzere Arbeitszeit und Sanirung der Arbeitsbedingungen soll die Gesetzgebung für jene Be­schäftigungsarten sichern, welche besonders gesundheitsschädlich sind. Der Wöchnerinnenschutz ist auszubauen und durch Mutterschaftstassen zu ergänzen und zu befestigen. Neben dem gesetzlichen Schuße der er­werbsthätigen Frau befürwortet H. Fürth noch eindringlich, daß die fommunale Sozialpolitik in den Dienst der Ergänzung und Erleichte rung der mütterlichen und hauswirthschaftlichen Aufgaben gestellt wird. Die Gleichheit" hat sich mit den Fragen wiederholt eingehend auseinandergesetzt, welche die Broschüre aufrollt. Es erübrigt des­halb ein Eingehen auf die Gedankengänge der Verfasserin. Hervor gehoben sei, daß sie klar und lichtvoll entwickelt sind und mit wohl­thuender Wärme in ruhiger Sachlichkeit vorgetragen werden. Dieser Umstand, wie das fleißig und übersichtlich verwendete, unanfechtbare offizielle Material lassen das Schriftchen als eine willkommene Be reicherung der Agitationsliteratur für die proletarischen Frauen er­scheinen. Zur Lektüre, zur Anschaffung und Verbreitung sei es ins­besondere Allen empfohlen, die für die Aufklärung und Organisirung der Arbeiterinnen wirken, die für die Hebung der traurigen Lage der Lohnsflavinnen kämpfen.

Drud und Berlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart .