dings auch ein zu herzlicher sein. Die Studentinnen genießen genau dieselben akademischen Rechte wie ihre männlichen Studiengenossen.
Auf diese Weise hat sich eine bedeutende Anzahl sehr tüchtiger weiblicher Gelehrter entwickeln können. Fast in allen größeren Städten sind weibliche Aerzte und Notare thätig. Nur zur Advokatur ist die Frau bisher noch nicht zugelassen worden. Doch hat der als frauenfreundlich bekannte republikanische Abgeordnete Ettore Socci in der Kammersizung vom 19. April 1902 beantragt, auch diese letzte Schranke fallen zu lassen. Weder in der Kammer selbst, noch bei den Regierungsvertretern erhob sich Widerspruch, und so ist die Möglichkeit vorhanden, daß Soccis Antrag durchkommt und also auch die Frau in Italien wie ihre Schwestern in Frankreich und Amerika die logische Konsequenz des ihr schon so lange gestatteten juridischen Studiums theilhaftig werden darf.
Auch abgesehen von den beiden erwähnten Privatdozentinnen an den Universitäten und den Lehrerinnen an anderen hohen Schulen, von denen noch zu sprechen sein wird, existirt in Italien eine ganze Reihe von gelehrten Frauen, die sich mit den ernstesten Studien beschäftigen. Bekannt ist die klassische Archäologin Contessa Ersilia Gaetani Lovatelli, aus dem Hause der Herzöge von Sermoneta stammend, das einzige weibliche Mitglied der berühmten akademischen Körperschaft der Accademia dei Lincei . Auch eine sehr tüchtige Historikerin ist den italienischen Frauen erstanden, Luigia Saredo, die ein recht bedeutsames Buch über die Herzogin Anna von Savoyen, die Frau Victor Amadeus' II. , geschrieben hat. In der jüngsten Zeit haben sich wissenschaftlich unter der weiblichen Gelehrtenwelt der Apenninhalbinsel namentlich die beiden Töchter des greisen Pathologen Cesare Lombroso , Paola, die Soziologin ( jetzt Gattin des Nationalökonomen Professor Carrara ), sowie Gina, die Nationalökonomin( jetzt Gattin des geistreichen Soziologen Guglielmo Ferrero ), sowie die aus Deutschland gebürtige Oda Lerda- Olberg hervorgethan. Diese jüngere Generation gelehrter Frauen steht aber bereits und das ist ein äußerst charakteristisches Zeichen für die progressistische Lebensauffassung des jungen Jtalien durchaus auf sozialistischem Boden.
Ebenso wie uns Italien in der sogenannten Universitätsfrage der Frauen voraus ist und in der Anzahl namhafter weiblicher Gelehrter uns weit hinter sich läßt, ebenso hat dort auch eine andere Frage, die bei uns noch arg in den Anfängen steckt, eine gesunde Lösung gefunden, nämlich die bürgerliche Lehrerinnenfrage.
Die„ höhere" Mädchenbildung liegt in Italien freilich noch stark in den Händen des Klerus, aber die höchste" Mädchenbildung ist diesem doch bereits seit 1873, aus welchem Jahre die ersten Anfänge staatlicher Lehrerinnenseminare datiren, entrissen worden. errichtete zunächst Spezialfurse im Anschluß an die Seminare für Elementarlehrerinnen( Scuole normali), denen weitere Schritte folgen sollten. Im Jahre 1882 wurden zu diesem Zwecke in Rom und Florenz zwei ausgezeichnete Istituti Superiori di Magistero Femminile( Lehrinstitute) gegründet und vom Staate auch dotirt. Die Zahl der Schülerinnen beträgt in Rom durchschnittlich 100, in Florenz durchschnittlich 90 bis 95. Die Aufnahme ist von einer jedesmaligen, sehr schweren Prüfung abhängig. Die Lehrfächer umfassen ein sehr großes Gebiet( vier neue Sprachen, nämlich italienisch, deutsch , französisch und englisch , außerdem Logik, Methodik, Ethit, Psychologie, Pädagogik und Gesundheitslehre sowie Mathematik außer den üblichen Schulfächern). Ihr Studiengang schließt sich auf das Engste demjenigen der Universitäten an, denen sie sogar im Range vollständig gleich stehen. Ein entsprechend schwieriges Examen schließt den in der Regel vierjährigen Kursus.* Man hat bei dieser Institution übrigens eine alte sozialistische Forderung der Verwirklichung nahe gebracht, nämlich die unentgeltlichkeit des Schulunterrichtes. Die Lehrerinnenſeminaristinnen haben kein Schulgeld zu entrichten. Die einzige Ausgabe, die sie während ihres Studienganges zu machen haben, ist die Zahlung von 20 Lire für die in Italien bekanntlich alle Jahre abzulegenden Zwischenprüfungen. Auf diese Weise ist der Besuch dieser Seminare also nicht mit allzu großen Kosten verbunden, und es wird deshalb auch mancher Proletarierin möglich gemacht, sich vermittelst ihrer eine gesicherte Lebensstellung zu erwerben.
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Die glücklich absolvirte Endprüfung giebt den jungen italienischen Oberlehrerinnen die weitgehendsten Rechte. Sie werden hierdurch befähigt, an allen höheren Schulen des Landes außer der Universität, also an Oberlehrerseminarien, höheren Mädchenschulen und Elementarlehrerinnenseminarien zu unterrichten. Sie erhalten den schönen Titel„, professoressa". Das Großartigste ist aber, daß sie den
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Näheres siehe Vortrag der Professorin Rea Silvia Petrini in ,, Der Internationale Kongreß für Frauenwerke und Frauenbestrebungen in Berlin 1896." Berlin 1897, S. 146.
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männlichen Lehrern in jeder Beziehung vollständig gleichgestellt sind. In der That beziehen sie genau dasselbe Gehalt übrigens schwankt dasselbe zwischen dem Minimum von 800 Lire und dem Maximum von 3000 Lire jährlich, genießen dieselben pädagogischen Befugnisse und haben auch die gleiche Pensionsberechtigung mit allen anderen Beamten des staatlichen Zivildienstes. Auch sonst erhielten die bürgerlichen Frauen manche ihrer Forderungen erfüllt. So gab das Gesetz zur Erlangung besserer Arbeitsbedingungen" vom 15. August 1893 der Frau das aktive und passive Wahlrecht für die neuzubildenden industriellen Schiedsgerichte, die sogenannten Collegi dei Probiviri, preis. Ebenso sind bereits mehrere Frauen zu Vorstandsmitgliedern und Verwaltungsbeamtinnen städtischer Krankenspitäler, Waisenhäuser und Erziehungsanstalten ernannt worden. Auch in Wohlthätigkeitsanstalten werden viele Frauen beschäftigt. Der wichtigste Gewinn ist aber die Zulassung der Frau zur Schulverwaltung, den den englischen School Boards entsprechenden Commissioni degli Studî.
Wir haben gesehen, wie gerecht und modern der Staat in Italien die Forderungen der bürgerlichen Frauen erfüllt hat, fast bevor sie überhaupt gestellt worden waren. Die ganz natürliche Folge davon mußte nun sein: 1. daß ein unendlich großer Theil der bürgerlichen Frauen Italiens aus dem menschlichen Gefühl des Egoismus heraus mit Gott und der Welt zufrieden gestellt war und sich sagte, daß ein weiterer Kampf für sie nun keinen Zweck habe, und 2. daß diejenigen Frauen, die nicht nur eine Gleichstellung der Frauen ihres Standes, sondern des ganzen Geschlechtes anstrebten, förmlich auf Gebiete gedrängt wurden, wo auch die Proletarierin eben anfing, alten sozialen Vorurtheilen und daraus entstandenen materiellen Beeinträchtigungen energisch und klassenbewußt auf den Leib zu rücken. So fanden sich weite Arbeitsfelder gemeinsamen Strebens. Diese liegen vor Allem auf dem Gebiete der Volksschulfrage, der Hygiene und der Friedensfrage.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Am 26. August tagte in Chemnitz eine zahlreich besuchte Frauenversammlung. Genossin Kähler- Dresden sprach über das Thema„ Emanzipation des Weibes und proletarische Frauenbewegung". An der Hand gut vorbereiteten Materials legte die Referentin den Anwesenden den Unterschied der Bestrebungen zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung dar. Sie betonte, daß eine unüberbrückbare Kluft zwischen beiden Richtungen bestehe und daß der Platz der Frauen und Mädchen des arbeitenden Volkes in den Reihen der Sozialdemokratie sei. Reicher Beifall lohnte die Referentin. Die Versammlung nahm darauf Stellung zur Frauenkonferenz in München und zum Parteitag und übertrug Genossin Kähler das Mandat zu beiden Tagungen. Wohl hatten bisher die Genossen häufig in den Mitgliederversammlungen der Organisationen Vorträge halten lassen, welche die Frauen besonders interessirten, aber eine große öffentliche Frauenversammlung war seit langer Zeit nicht einberufen worden. Die stattgefundene Versammlung war ein glänzender Erfolg des Bemühens, weitere proletarische Frauenkreise zur Erkenntniß zu wecken. Sie führte dem Textilarbeiterverband und der Parteiorganisation neue Mitglieder zu. Möge es der gewählten Kommission zur Förderung der Organisation unter den Arbeiterinnen im Verein mit den thätigen Genossinnen gelingen, endlich die Interesselosigkeit der Lohnsflavinnen zu bannen und sie zum Kampfe für ihre Befreiung, für die Befreiung der Arbeit zu wecken. W. K.
Im Auftrag des Kreisvertrauensmannes für den Kreis Dort mund- Hörde unternahm Genossin Ziez- Hamburg vom 15. Juli bis 4. August eine Agitationstour in folgenden Orten: Dortmund , Eichlinghofen, Despel, Kirchhörde, Aplerbeck, Wambel, Eving, Scharnhorst, Annen, Rüdinghausen , Mengede , Dorstfeld, Barop , Benninghofen , Holzwickede , Huckarde und Lünen . Wenn irgendwo, so haben im Dortmunder Kreis, ja im ganzen Ruhrgebiet , die Genossen mit außerordentlichen Schwierigfeiten zu kämpfen bezüglich der mündlichen Agitation in Versammlungen. Es versteht sich am Rande, daß die bürgerlichen Parteien, beseelt von echt deutschem Mannesmuth", sowie von christlicher Nächstenliebe" den Kampf mit geistigen Waffen" gegen die Sozialdemokratie zu führen suchen durch Saalabtreiben, durch Heß- und Schmähreden in ihren eigenen Versammlungen, in denen ein Sozialdemokrat natürlich nicht zum Worte kommt. Dererlei sind wir gewöhnt. Seit Jahren wurde außerdem auf die Hergabe eines Saales für sozialdemokratische Versammlungen prompt durch Verhängung der Schantsperre für den betreffenden Tag geantwortet. Was Wunder da, wenn die Wirthe es vorzogen, auf die Versammlungen zu verzichten? Erst durch den Bredenbeck- Prozeß, bei dem die Genossen Berge von Material bezüglich des gänzlich willkürlichen Verhängens