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der Schantsperre beibrachten, sind die klassenbewußten Arbeiter von diesem Uebel befreit. Seit 1895 ließ man ferner in feiner Volksversammlung weder eine Frau reden noch Frauen zuhören. Der deutungsfrohen Auslegekunst der Behörden war es ein Leichtes gewesen, dem§ 8 des preußischen Vereinsgesetzes eine Interpretation zu geben, wonach alle Versammlungen mit Frauen entweder verboten wurden oder der Auflösung verfielen. Alle Beschwerden, die den vorgeschriebenen Instanzenweg wanderten, blieben erfolglos. Erst auf dem Wege des Verwaltungsstreitverfahrens und in einem anderen Falle dadurch, daß man sich direkt an den Minister wandte, ward hierin Abhilfe geschaffen und den Frauen ihr Bischen Versammlungsfreiheit sicher gestellt. Während der Agitation der Genossin Ziez versuchten nur noch vereinzelt die Beamten, den einen oder anderen Umstand gegen die Anwesenheit der Frauen auszuspielen, wogegen natürlich sofort wieder Beschwerde geführt ward. Hatten die Frauen solange auf ihr Versammlungsrecht verzichten müssen, so schien es, als wollten sie das unfreiwillig Versäumte jetzt nachholen. In fast allen Versammlungen waren sie stark vertreten. So in Dortmund in beiden Versammlungen, die stattfanden, sowohl in der ersten, wo " Die politische Rechtlosigkeit der Frau" zur Debatte stand, als auch in der zweiten, wo Genossin Zietz über das Thema referirte: „ Wohin steuern wir?", und wo 40 Abonnenten auf die Arbeiter presse gewonnen wurden. In Eichlinghofen, Despel und Barop bildeten die Frauen fast die Hälfte aller Versammlungsbesucher. Mit einer Aufmerksamkeit, wie wir sie selten beobachtet, folgten sie den Ausführungen; durch Zwischenrufe oder später im Privatgespräch be= fundeten sie ein Verständniß für die einzelnen Fragen, das geradezu überraschend groß war. Es erklärt sich dies einigermaßen dadurch, daß diese Frauen mehr Zeit haben, sich um öffentliche und politische Fragen zu fümmern, da sie gar nicht oder nur selten erwerbsthätig sind. Ist auch oft, namentlich bei starken Familien, Schmalhans Küchenmeister, so schlägt man sich doch eher durch, wo der Mann ins Bergwerk geht, als wo er in der Fabrik frohnden muß. Die ganze Arbeiterschaft im Kreise besteht aber fast nur aus Bergleuten. Der Aufklärung der Frau ist auch noch der Umstand förderlich, daß der Mann abwechselnd Tag und Nachtschicht hat, wodurch öfter eine Stunde für ein Sichaussprechen mit seinem Weibe übrig bleibt. In Kirchhörde entdeckte die Polizei plötzlich, daß der Wirth für den Saal teine Konzession habe, also daselbst kein Getränk verabfolgen dürfe. Und das obgleich der Mann bereits seit 8 Jahren Besitzer des Lokals ist, in welchem schon unzählige Vergnügen und Versammlungen ab= - selbstverständlich mit Verabreichung von Getränken gehalten worden sind. Unserer Versammlung that das unerwartete Verbot des Ausschants feinen Abbruch. Mit außerordentlicher Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden, die zum Theil stundenweit herbeigekommen waren, den Ausführungen, und jubelnde Zustimmung ward der scharfen Kritik an der geübten Polizeipraktik zu Theil. In Annen hatte die„ Segmentrede" Hammersteins augenscheinlich Verwirrung in den Köpfen des Ueberwachenden angerichtet. Allen Ernstes verlangte er, daß die Frauen abgesondert auf der linken Seite des Saales sitzen sollten. Die Referentin machte auf den Irrthum aufmerksam, sie verwies darauf, daß es sich in dem vorliegenden Falle nicht um eine politische Vereins-, sondern um eine Volksversammlung handele. Umsonst.„ Die Versammlung wird aufgelöst, wenn man meiner Anordnung nicht Folge giebt", erklärte der Polizeigewaltige. Da für den Augenblick Gewalt vor Recht ging, so fügte man sich, selbstverständlich ist aber Beschwerde eingelegt worden. Ueberfüllt waren die Versammlungen in Huckarde und Lünen . In Huckarde waren die Versammlungsbesucher stundenweit aus der Umgegend herbeigeeilt, so daß der geräumige Saal nicht alle zu fassen vermochte. Zum ersten Male seit langer Zeit fand in Holzwickede eine gutbesuchte Volksversammlung statt, förmlich andächtig lauschten die Anwesenden den Ausführungen über das Thema: Was bringt uns die nächste Reichstagswahl?" In sämmtlichen Versammlungen ward neben dem zu behandelnden Thema die Wichtigkeit der Presse hervorgehoben und zum Abonnement auf die Arbeiterblätter aufgefordert. Der Erfolg der Tour war auch nach dieser Richtung hin ein guter, es wurden insgesammt gegen 300 Abonnenten gewonnen. Sowohl der greifbare Erfolg der Agitation, als auch die begeisterte Stimmung, die überall die Versammlungsbesucher beseelte, sind gute Omen für die nächste Reichstagswahl.
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L. Z.
, Arbeiterinnenschutz und Arbeiterinnenschutzheuchelei" sprach Genossin Bettin fürzlich in einer sehr gut be suchten öffentlichen Versammlung der Konfektionsarbeiter und Arbeiterinnen zu Berlin und in einer öffentlichen Frauenversammlung zu Schöneberg - Berlin . Letztere nahm zugleich Stellung zur Frauenkonferenz, zum Parteitag und zur Parteifonferenz für Berlin und die Provinz Brandenburg und beauftragte Genossin ThielTempelhof mit ihrer Vertretung. Beide Versammlungen er
klärten sich in einer Resolution für eine energische Weiterführung des gesetzlichen Arbeiterinnenschutzes, wie dieselbe von den Genossinnen gefordert wird. In Hamburg und Umgegend referirte Genossin Zetkin in sieben öffentlichen Partei- und Frauenversammlungen, die entweder von der Vertrauensperson der Genossinnen oder auf ihre Verlassung hin von den Genossen einberufen worden waren. „ Die revolutionäre Bewegung in Rußland und die Betheiligung der Frauen an ihr" war das Thema, das die Rednerin in Altona , Ottensen und in vier Versammlungen behandelte, die in verschieden Stadttheilen Hamburgs stattfanden. Diese Versammlungen wiesen in ihrer Mehrzahl einen glänzenden Besuch auf, und ausnahmslos waren die Frauen in ungewöhnlich großer Zahl erschienen. So stellten sie zum Beispiel in der einen Versammlung gut zwei Drittel der mehr als 3000 Personen, die den großen Saal von Tütje und den Vorraum bis auf das letzte Plätzchen füllten. Sogar den Versammlungen, die auf Tage fielen, an denen die Proletarierin besonders ans Haus gefesselt ist- Sonnabend und Sonntag Vormittag-, wohnten erfreulicher Weise verhältnißmäßig viel Frauen bei. In überwiegender Zahl von Frauen besucht war auch die siebente überfüllte Versammlung in Hamburg , in der Genossin Zetkin über„ Arbeiterinnenschutz und Mutterpflichten" referirte. Die Versammlung verlangte in einer Resolution eine wirksame Ausgestaltung des Arbeiterinnenschutzes, die den bekannten Forderungen der Genossinnen entspricht. Die übrigen Versammlungen nahmen einstimmig unter stürmischem Beifall eine Resolution an, welche die Haltung der russischen Regierung den Freiheitskämpfen gegenüber scharf brandmarkt und diesen selbst die Sympathie und Solidarität des deutschen Proletariats versichert. In allen Versammlungen wurden den proletarischen Kampfesorganisationen neue Mitglieder, der sozialdemokratischen Presse neue Abonnenten gewonnen. Am 14. August fand eine gut besuchte Volfsversammlung in Frankfurt a. M. statt, in der Genossin Zieß über„ Die politische Rechtlosigkeit der Frau" referirte. In der Diskussion wies Genossin Heyden auf die neugebildete Beschwerdekommission hin und forderte die Arbeiterinnen auf, sich gegebenenfalls vertrauensvoll an dieselbe zu wenden, um von bestehenden Uebelständen befreit zu werden. Auf den Vorschlag der Genossin Ziez, zur planmäßigen Agitation unter den Arbeiterinnen eine weibliche Vertrauensperson zu ernennen, ward einstimmig Genossin Heyden für diesen Posten in Vorschlag gebracht und auch gewählt. Genossin Heyden dankte für das Vertrauen, versprach alles zu thun, was in ihren Kräften stehe, um Leben in die Frauenbewegung zu bringen und bat um die Unterstützung der Genossinnen und Genossen, die ihr allseitig zugesagt ward. Wir rufen unseren Genossinnen in Frankfurt ein herzliches Glück auf" zu ihrer Arbeit zu. L. Z.
Anträge zur Frauenkonferenz. Antrag der Düsseldorfer Genossinnen: Um eine wirksamere und regere Agitation unter den Frauen zu betreiben, beantragen die Düsseldorfer Frauen, daß zur besseren Regelung der Agitation und Organisation unter denselben eine Person anzustellen ist, mit dem Sitz in Berlin .
Delegirte zur Frauenkonferenz und zum Parteitag. Als Delegirte zur Frauenkonferenz wurden bisher gewählt: Augsburg : Genossin Greifenberg ; Berlin : Genossinnen Weyl und Panzram; Düsseldorf : Genossin Weiß; Chemniz: Genossin. Kähler; Kalt bei Köln : Genosse Seiffert; Köln : Genossin Acker; Leipzig : Ge nossin Wehmann; Löbtau : Genossin Wackwitz; Netzschkau : Genosse Pezold; Nürnberg : Genosse Dr. A. Braun; Teltow Beeskow : Genossin Thiel; Stralsund : Genossin Wulff. Folgende Genossinnen wurden gleichzeitig mit einem Mandat für den Parteitag betraut: Greifenberg , Kähler, Thiel und Wehmann.
Eine Delegirte nahm an den Arbeiten der Parteikonferenz für Berlin und die Provinz Brandenburg Theil, die am 31. August und 1. September in Berlin tagte. Es war Genossin Thiel, welche vom Wahlkreis Teltow Beeskow entsendet worden war. Genossin Thiel gab einen Ueberblick über die Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung in diesem Kreise und hob rühmend das gute, gedeihliche Zusammenarbeiten der Genossinnen und Genossen hervor. Ihre wirksamen Ausführungen fanden lebhaften Beifall und werden sicherlich nicht ohne Einfluß darauf bleiben, daß die Genossinnen und Genossen sich auch in anderen Kreisen gegenseitig unterstützen und harmonisch miteinander für die gemeinsame Sache arbeiten.
Notizentheil.