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winnt, dem muß sich das Herz in bitterem Weh zusammenkrampfen, es sei denn, daß er statt eines solchen einen Kieselstein oder Portemonnaie in der Brust trägt. Die gezahlten Löhne sind so niedrige 5,25 bis 8 Mart pro Tausend Zigarren- daß von einer geregelten und begrenzten Arbeitszeit nicht die Rede ist. Es wird gearbeitet, so lange die Finger geregt, die Augen offen gehalten werden können, oft die halbe Nacht hindurch, manchmal bis in den grauenden Morgen hinein. Kaum daß die Sklaven und Opfer der ausbeuterischsten aller Produktionsformen, der Heimarbeit, sich die Zeit gönnen, hastig das dürftige Mittagsmahl hinunterzuschlingen, Frühstück und Vesperbrot wird meist bei der Arbeit verzehrt. Nach dem Ausspruch eines Arztes sollen die zahlreichen Unterleibserfran­fungen der Frauen in Hartha mit darauf zurückzuführen sein, daß die Heimarbeiterinnen das Austreten so lange als irgend möglich verschieben, um ja nicht bei der Arbeit gestört zu werden! Da trotz der ausgedehntesten Arbeitszeit und fieberhaft intensivem Schuften der Verdienst ein sehr geringer bleibt, so sucht in der Familie der Tabatarbeiter Jedes mitzuerwerben, von dem halbblinden 84 jährigen Mütterchen an bis zum Kinde von vier, ja drei Jahren. Ein Greis von 62 Jahren ist gezwungen, mehrmals die Woche bis Morgens 3 Uhr zu arbeiten, wenn er den unentbehrlichsten Lebensunterhalt verdienen will, denn er wird pro Tausend mit 5,25 Mark entlohnt und erhält noch die fürstliche Prämie" von 25 Pfennig pro Monat, wenn er in dieser Zeit mit dem übergebenen Tabak eine bestimmte Menge Zigarren herstellt. Betont sei, daß die Arbeitsräume fast durchgehends gleichzeitig Wohnräume, nicht selten auch Schlafräume für etliche Familienmitglieder sind. Die Wohnungsverhältnisse sind schon an und für sich sehr traurige, durch das Zigarrenmachen da­heim werden sie zu geradezu unerträglichen. Alle Räume des engen, beschränkten Heimes sind mit Tabakdunst geschwängert, und es fehlen natürlich alle Vorkehrungen, welche die Gesundheit der Arbeitenden gegen die verderblichen Wirkungen der Beschäftigung schützen könnten. Im Bunde mit der steten Unterernährung einer unvermeidlichen Folge der erbärmlichen Entlohnung trägt dieser Umstand ganz besonders zur Verwüstung der Lebenskraft bei. Hinzu gefügt sei noch, daß auch das Heimarbeiterelend in der Zigarrenindustrie von Hartha und Waldheim in hervorragendem Maße Arbeiterinnenelend ist. Etwa 80 Prozent der betreffenden Arbeiterschaft sind Frauen und nur 20 Prozent Männer. Ob den mühsal belasteten Frauen wohl Zeit bleibt, ihren Angehörigen himmlische Rosen ins irdische Leben zu flechten und zu weben?" Ein Narr nur wartet auf Antwort. W. K.

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Weibliche Fabrikinspektoren.

Als Assistentin der badischen Fabrikinspektion wurde an Stelle von Frl. Dr. von Richthofen Frl. Dr. phil. Marie Baum be­rufen. Die Dame ist bisher bei der Aktiengesellschaft für Anilin­fabritation in Treskow( Neu- Ruppin ) beschäftigt gewesen. Hoffent lich bringt sie für ihre Amtsthätigkeit die gleichen Vorzüge mit, die ihre Vorgängerin den Arbeiterinnen zum Nußen bethätigt hat.

Sozialistische Frauenbewegung im Auslande.

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Weibliche Delegirte zum Parteitag der deutschen Sozial­demokraten Oesterreichs , der vom 15. bis 18. August in Aussig stattgefunden hat, wurden sechs gezählt. Es waren die Genossinnen Lippa, Pohl und Popp aus Wien , Schrammel aus Aussig , Heger aus Bodenbach und Klose aus Sternberg. Genossin Boschet Wien, welche seit dem Parteitag zu Graz der Partei­vertretung angehört, war leider durch schwere Krankheit verhindert, an der Tagung in Aussig theilzunehmen und mußte sich damit be­gnügen, eine Begrüßung einzusenden. Sie wurde trotz ihrer Ab­wesenheit mit 126 Stimmen wieder in die Parteivertretung ge­wählt. In die Debatte des Parteitags griff Genossin Popp, Redak­teurin der Arbeiterinnen- Zeitung", ein. Sie begründete in überzeugender Weise die Nothwendigkeit, die Bestrebungen zur Organi sirung der Heimarbeiterinnen überall thatkräftig zu unterstützen und verwies dabei auf die in Wien bereits erzielten Erfolge.( Siehe Nr. 18 der Gleichheit".) Des Weiteren theilte sie mit, daß von Seiten der Genossinnen für nächste Ostern die Einberufung einer sozialistischen Frauenkonferenz in Aussicht genommen ist.

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Die Gründung eines sozialistischen Frauenbundes in Italien steht bevor. Dem Antrag der Mailänder Gruppe sozia­listischer Frauen entsprechend, beschloß die Leitung der sozialistischen Partei Italiens , die Gründung eines Frauenbundes in Mailand zu gestatten. Gleichzeitig billigte sie das vorgelegte Programm der neuen Organisation, die den Namen führen soll: Federazione delle Donne socialiste"( Sozialistischer Frauenbund). Der Bund"

ist verpflichtet, sich den am Orte bereits bestehenden Organisationen der Partei anzuschließen. Die Anregung zu der Neugründung ist von der sehr thätigen sozialistischen Kämpferin für Frauenrechte, Ersilia Maino- Bronzini, ausgegangen, welche in Mailand die ,, Unione feminile" herausgiebt, eine Monatsschrift, die einen noch unflaren, bürgerlich- frauenrechtlerisch angehauchten Gefühlssozialis­mus vertritt.

Frauenstimmrecht.

Eine Resolution zu Gunsten des politischen Frauenstimm­rechtes wurde beim 35. Jahreskongreß der englischen Trade Unions eingebracht, der am 1. September in London zusammen­getreten ist. Die Annahme dieser Resolution steht außer Zweifel.

Für die Zuerkennung des Wahlrechtes an die Frauen mit aller Energie im englischen Parlament zu wirken, hat der neulich gewählte parlamentarische Arbeiterabgeordnete Shackleton sich ver­pflichtet. Mr. Shackleton, der Sekretär der kräftigen Webergewerk­schaft von Darwen ist, vertritt den Wahlkreis Clitheroe, der zur Grafschaft Lancashire gehört, einem der Hauptzentren der englischen Textilindustrie. Die gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen des Kreises, die seit Langem nachdrücklich für das Frauenstimmrecht ein­traten, entfalteten während der Wahlkampagne eine äußerst rührige Agitation zu Gunsten Shackletons. Umgekehrt erklärte sich Shackleton in seinen Kandidatenreden unumwunden als ein Anhänger des Frauen­stimmrechtes und begründete die Berechtigung desselben in trefflicher Weise. Die Agitation der organisirten Textilarbeiterinnen hat das Ihrige zum Siege des Arbeiterabgeordneten beigetragen und wird noch weiter gute Früchte zeitigen. Shackleton hat nicht nur die oben mitgetheilte Verpflichtung übernommen, sondern auch erklärt, mit aller Gewissenhaftigkeit die Interessen der Klasse vertreten zu wollen, der er angehört.

Genossenschaftsbewegung.

Der Jahreskongreß der englischen Frauengenossenschafts­gilde hat kürzlich in Newcastle getagt. 300 weibliche Delegirte vertraten die 14100 Mitglieder der Gilde, die in 293 Zweigvereinen organisirt sind. Die Verhandlungen zeigten die kräftige, gesunde Entwicklung der Frauengenossenschaftsbewegung in England. Die­selbe beschränkt sich nicht darauf, die Frauen zu guten Genossen­schafterinnen zu erziehen, welche die Genossenschaft höher bewerthen als ein Mittel zur Nur- Dividenden- Jägerei, sie sucht vielmehr ihr Interesse für alle Fragen des öffentlichen Lebens, des Allgemein­wohls zu erwecken. Das trat auch auf dem Kongreß deutlich zu Tage. Er nahm unter Anderem neuerlich eine Resolution an, welche die Konsumvereine auffordert, fein Töpfergeschirr zu führen, zu dessen Glasur Bleiweiß verwendet wurde, eine Resolution, die von der Rücksicht auf die Gesundheit der beim Glasiren beschäftigten Arbeits­kräfte diktirt und bereits vom letzten Jahreskongreß der Gilde an­genommen worden ist. Der Kongreß protestirte des Weiteren nach­drücklich gegen den eingeführten Getreidezoll und gegen das neue reaktionäre Schulgesetz, das den Seftengeist fördert, die direkte Schul­vertretung vernichtet und die Frauen von den Schulkommissionen

ausschließt.

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Eine deutsche Frauengenossenschaft hat sich nach dem Wochenbericht" der deutschen Großeinkaufsgenossenschaften kon­stituirt. Sie will ihren Mitgliedern ähnliche Vortheile gewähren, wie die Beamten- und Offiziersvereine, nämlich Vorzugspreise in Geschäften, Hotels, Sommerfrischen, Theatern, Ronzerten, Schulen, Akademien, Ausstellungen 2c. Ferner sollen die Genossenschafterinnen bei ihrer Erwerbsthätigkeit unterstützt werden durch Auskunftserthei­lung über Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeit, Stellennachweis, Rechtsschutz, Vertrieb von Arbeitserzeugnissen, Verwerthung von Er­findungen, Patenten 2c. Die Errichtung einer Kranken- und einer Darlehenstasse ist für spätere Zeiten in Aussicht genommen.

Die Gründung einer Genossenschaftsküche in Amsterdam ist von Frauen geplant. Die Vorarbeiten dazu sind von einer Kom­mission in die Wege geleitet worden, die im letzten April von einer Versammlung gewählt ward. Der Genossenschaft sollen hauptsächlich Frauen angehören, Frauen sollen mit der Leitung und Verwaltung des Unternehmens betraut werden. Soweit etwaige Ueberschüsse nicht zum Ausbau der Genossenschaft benöthigt sind, werden sie der Förde rung von Bestrebungen dienen, an denen Frauen unmittelbar betheiligt sind. Die Genossenschaftsküche soll errichtet werden, sobald die er forderliche Mitgliederzahl gewonnen, ein Kapital von 1500 Gulden vorhanden und ein täglicher Absatz von circa 180 Mittagessen ge sichert ist.

Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Sundel) in Stuttgart. - Druck und Berlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart .