wirthschaftlichen Ursachen der Prostitution" und von Frl. Salomon über Das Vereins- und Versammlungsrecht" sind bündige Beweise dafür. Auch die schwerfällige, zaghafte deutsche Frauenrechtelei marschirt, zwar noch mit dem österreichischen Landsturm, aber doch nach links.

Dom Hebammenelend.*

Von Marie Kunert. III.

Woher sollen die Hebammen die für eine gedeihliche Ausübung ihres Berufs unerläßliche Arbeitsfreudigkeit nehmen, wie sollen sie Andere in ihren Schmerzen trösten und aufrichten, ihnen Muth und Ruhe einflößen, wenn ihr eigenes Gemüth von drückenden, quälenden Sorgen erfüllt ist? Nur mit Grauen vermag die große Mehrzahl der Hebammen an die Jahre des Alters und der Arbeitsunfähigkeit zu denken. Viele Gemeinden zahlen allerdings ihren invaliden Hebammen eine Altersrente, aber sie ist auch darnach! Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel! Mit Ausnahme von Sachsen , wo die Altersversorgung der Hebammen durch Gesetz geordnet ist und jede Hebamme ein Recht auf 300 bis 400 Mt. Pension hat, werden im übrigen Deutschland nur selten Beträge dafür aufgewendet, welche die ortsübliche Armenunterstüßung überschreiten. So beträgt das Ruhegehalt der Hebammen in Baden 16 Mt. pro Jahr, in einer elsässischen Gemeinde 6 Mt. 75 Pf., in Arnswalde 12 Mt. u. s. w. u. s. w. So mancher Hebamme winkt im hohen Alter das Armenhaus. Knauferige Gemeinden mißbrauchen die Unwissenheit der Hebammen nicht selten beim Abschluß des Kontraktes und unterlassen absichtlich jede Feststellung über eine etwaige Altersrente. Dann ist so ein armes thörichtes Weib hinterher geradezu auf die Almosen der Bauern, die bekanntlich nicht gerade freigebig sind, und auf die der Taglöhner, die selbst nichts übrig haben, angewiesen.

Angesichts so unwürdiger Existenzbedingungen darf man sich wahrhaftig nicht wundern, wenn der heutige Hebammenstand das nicht leistet, was er im Interesse der Frauen und Kinder, die seiner bedürfen, leisten müßte. Von der ungebildeten Hebamme, die nur nothdürftig technisch geschult wurde, kann man nicht verlangen, daß sie volles Verständniß für die vorgeschriebenen aseptischen Maß­nahmen besitze. Die mit häuslicher Arbeit überbürdete Hebamme, die wohl gar selbst Mutter kleiner Kinder ist, kann sich nicht so sauber halten, wie es ihr Beruf erfordert; sie kommt leicht in die Ver­suchung, die Wöchnerin vor der angeordneten Wartezeit nach der Entbindung zu verlassen, um nach Hause zu eilen. Die stark be­schäftigte Hebamme in der Stadt wieder sucht möglichst viel zu ver­dienen, eilt von einem Gebärbette zum anderen, vernachlässigt dabei * Siehe Nr. 20 und Nr. 22 der Gleichheit".

Herbst im Spital. --

Herbst im Spital. Die Blätter glühen Im Garten. Herbe Lüfte ziehen Durchs angstgeschwängerte Gemach. Die blassen hageren Gesichter Umspielen rothe Sonnenlichter Ein letzter Gruß vom müden Tag.

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Gestreifte Kissen gleiche Decken, Drin welke Glieder sich verstecken, Aus denen mancher Seufzer quillt. An jedem Bette sitzt ein Schweigen, Denn Keiner mag dem Andern zeigen Was ihm die sieche Brust erfüllt.

Und leis, wie in den laub'gen Hallen Die staubgeweihten Blätter fallen

Aufs dunkelbunte Asternbeet,

Und wie der Wind mit rauhem Kosen

Die roth und gelben, heimathlosen

Hin über'n Gartensteg verweht:

Geht mit dem letzten Sonnenschimmer

Ein stilles Sterben durch das Zimmer. Otto Krille.

Mutter Jones.

( Fortsetzung.)

Eine lebendige Schilderung von der Persönlichkeit und dem Wirken der Mutter Jones entwirft William Mailly im wissen schaftlichen Organ der englischen Sozialdemokratie.* Er schreibt hier: Mutter Jones ist mit der Jungfrau von Orleans verglichen worden, aber sie ist mehr als diese.

Das französische Mädchen wurde durch die mystischen Schöpfungen eines Hirns angeregt, das von religiöser Ertase entflammt war.

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, The Social- Democrat", Vol. VI, Nr. 9, 15. September 1902.

Mutter und Kind und verschleppt leicht ansteckende Krankheiten. Kurz, die ganze Organisation des Hebammenberufs, wie sie heute ist, schreit geradezu nach einer durchgreifenden Reform.

Anfänglich fehlte es den Hebammen an jedem Solidaritäts­gefühl. Jede sah in der Kollegin nur die Konkurrentin und war be­strebt, sie zu unterbieten. Das Volk aber hatte mit seiner Gesund­heit dafür zu zahlen. Endlich jedoch fängt es hier und da an sich zu regen, aus dem dumpfen Vegetiren erwachen immer mehr Hebammen zur Erkenntniß ihrer Nothlage und bemühen sich, ihren Ursachen auf die Spur zu kommen. Eine große Anzahl von Heb­ammen schloß sich zu einer Vereinigung deutscher Hebammen zu­sammen, welche muthig an die schwierige Aufklärungs- und Agitations­arbeit unter den Berufsgenossinnen ging. Die Frage der Alters­versorgung erschien als eine besonders brennende. Man wollte sie anfänglich auf dem Wege der Selbsthilfe lösen und faßte den Plan zur Gründung einer besonderen Altersversorgungskasse. Nachdem aber festgestellt worden war, daß von 1000 Hebammen 198 3 bis 20 Geburten, 152 21 bis 30, 150 31 bis 40, 150 41 bis 50 Geburten mit einem Durchschnittshonorar von 6 Mt. für die Entbindung haben, daß also 650 von 1000 Hebammen einen Jahresverdienst von 18 bis 300 Mt. erzielen, sah man ein, daß die überwiegende Mehr­heit der Hebammen nicht im Stande sein würde, aus eigenen Mitteln die Beiträge für diese Kasse zu bestreiten. Da beschloß man, staat­liche Regelung der Sache zu verlangen und begründete dies damit, daß die Hebammen ja auch unter staatlicher Kontrolle stehen; sie werden ausgesucht, vorgeprüft, sie haben ein Staatsexamen zu be­stehen, einen Eid zu leisten, stehen nach Eintritt in die Praxis unter Aufsicht der Herren Kreisphysiker und Amtsärzte. Sie werden alle drei Jahre, zuweilen auch öfter, nachgeprüft; bestehen sie nicht, werden sie zu einem Nachkursus einberufen, sie erhalten Disziplinarstrafen und werden unter Umständen aus dem Stande entfernt. Hat der Staat dazu ein Recht, meinten die Hebammen, so ist er auch ver­pflichtet, für ihre Altersversorgung einzutreten. War man soweit, so lag es nahe, noch weiter zu gehen und nicht einzelstaatliche, sondern reichsgesetzliche Regelung und zwar nicht nur der Altersversorgung, sondern der gesammten uneinheitlichen Bestimmungen über das Heb­ammenwesen zu verlangen. Dies geschah auch. In mehreren Petitionen an den Reichstag suchten die organisirten Hebammen um Gewährung eines Normalgehaltes von 1200 Mt. nach, das in 30 jähriger Dienstzeit bis auf 1800 Mt. steigen sollte, und verlangten zwangsweisen Anschluß an die Alters- und Invalidenversicherung. Die erste Petition sollte auf Antrag der Kommission ein Begräbniß dritter Klasse erhalten; das heißt die Kommission beantragte, der Reichstag wolle beschließen, die Petition dem Reichskanzler als Material zu überweisen. Die zweite Petition wurde damit erledigt, daß die Mehrheit der Kommission den Petenten anheim stellte, von dem Rechte der Selbstversicherung Gebrauch zu machen. Ein magerer Sie war die Sklavin ihrer eigenen Phantasie. Sie kämpfte für das göttliche Recht der Könige" und starb als triumphirendes Opfer einer Sache, die in ihren Tagen siegreich war, die aber bald aufhören wird, die Welt zu schänden. Sie hat schon den ihr gebührenden Plaz erhalten als fanatische Vertreterin des mittel­alterlichen Aberglaubens.

Mutter Jones dagegen wird durch lebendige Männer und Frauen inspirirt, deren Hoffnungen und Aengste, deren seltene Freuden und überreichen Sorgen die ihren sind, mit denen sie weint und lacht. Sie wendet sich den Dingen zu, die sind, um die besseren Verhältnisse zu schaffen, die sein werden. Ihre Sache ist jene Eine, welche die Menschheit von materieller Knechtschaft und geistiger Blindheit erlösen wird, um endlich die Welt zu erneuern und zu verherrlichen.

Nur in Einem gleichen sich die beiden Frauengestalten: die Jungfrau von Orleans war das typische Produkt der thatsächlichen Verhältnisse ihrer Zeit, genau wie Mutter Jones das Kind der heute bestehenden gesellschaftlichen Zustände ist. Beide wären in einer anderen Geschichtsperiode eine Unmöglichkeit gewesen. Wie die Jungfrau von Orleans den Aberglauben und die geistige Nacht des Volkes verkörpert, das ihr als einer mit übernatürlichen Gaben Begnadeten zujauchzte und folgte, so ist Mutter Jones die Ver­förperung des neuen, flareren geistigen Lebens und Strebens, das die erwachende Arbeiterklasse unserer Tage charakterisirt. Sie ist der Fleisch und Blut gewordene Geist der Revolte, der Auflehnung gegen die Bedingungen, die der moderne Kapitalismus schafft, jener Geist, welcher seinen vollkommensten Ausdruck in der welt­umspannenden sozialistischen Bewegung findet.