zahlen und die Waisenkinder unterstützen, sondern man könnte auch genossenschaftliche Verkaufsstellen für die Arbeitserzeugnisse errichten, neue Industriezweige ins Leben rufen und so bis zum höchsten Grade der Organisation der Arbeit" gelangen.
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So war die Philanthropin mit dem goldenen Herzen, die unaufhörlich bis in ihr hohes Alter hinein weiter wirkte, allmählich fast zu einer Sozialistin mit weitem Blick geworden. Durch die Begründung einer Schule für die des Lesens und Schreibens unkundigen Arbeiterinnen, in welcher sie übrigens selber mit dem größten Eifer lehrte, trug sie nicht wenig dazu bei, das Mailänder Proletariat auf die Stufe geistiger Entwicklung zu bringen, auf der es heute steht. Laura Solera Mantegazza krönte ihr Werk durch die im Jahre 1870 erfolgte Gründung der ersten weiblichen Gewerbeschule, in welcher die Mädchen lernen sollten, im Kunstgewerbe oder Handwerk sich auf ehrliche Weise durchs Leben zu schlagen. Erwähnt sei noch, daß später die ersten staatlich angestellten weiblichen Telegraphenbeamten den Zöglingen dieser Schule entnommen wurden. Laura Solera Mantegazza entschlief, erst sechzigjährig, im Jahre 1873.
Die praktische Tätigkeit der Mantegazza wurde in gewissem Sinne ergänzt durch die zeitlich etwas späteren mehr theoretischen Bemühungen einer anderen Frau, welche dem weiblichen Proletariat auf ihre Weise ebenso nützlich geworden ist, als die unermüdliche Mailänder Praktikerin. Diese Frau war Anna Maria Mozzoni.
Hatte sich die Mantegazza an die Klasse der Arbeiterinnen gewandt und ihr gezeigt, wie sie durch praktische Arbeit die Emanzipation des Geschlechtes und der Klasse zugleich vorbereitet werden könnten, so wandte sich die Mozzoni als die erste der italienischen Frauenrechtlerinnen an die damals noch sehr kleine- sozialistische Partei mit der Forderung um theoretische Anerkennung der Gleichheit der Frau.
Die sozialistische Partei in Italien ist, ähnlich wie die in Deutsch land , aus der Vereinigung verschiedener lange Zeit von einander getrennt fechtender Gruppen entstanden. So hatte es anfangs der achtziger Jahre in Italien neben der sozialistisch- transigenten unter dem direkten Einfluß von Bénoît Malon stehenden und von Ettore Bignami und Osvaldo Guocchi- Viani geführten und der anarchisteln den Gruppe Amilcare Ciprianis und anderen noch eine rein proletarische Arbeiterpartei gegeben, welche ihr Zentrum in Mailand hatte. Diese Partei, der nur Handarbeiter beitreten durften, hatte im Jahre 1883 unter dem Namen„ La Lega dei Figli del Lavoro"( Bund der Söhne der Arbeit) gelegentlich der Wahlen einen neuen, wenn auch furzen Aufschwung genommen und in Mailand eine neue Zeitung gegründet, die den Namen„ Il Fascio Operaio, voce dei figli del lavoro"( Arbeiterbund, Stimme der Söhne der Arbeit) trug und deren Leiter Antonio Maffi war. Der neue Parteiname und die neue Zeitung erforderten auch ein neues Programm. In den Sagungen desselben finden wir nun folgende Stelle:" Der, Fascio Operaio wird überdies für die völlige Emanzipation der Frau fämpfen, ohne welche weder wahre Bildung noch wahre Gleichheit möglich ist, fernerhin für wirtschaftlich intellektuelle Hebung unserer Brüder, der Bauern, für Abschaffung der stehenden Heere, für eine Hygiene der Arbeit u. s. m., furz, er wird sich mit allen den Fragen beschäftigen, welche von humanitärem, pädagogischem und wirtschaftlichem Standpunkt aus der Arbeiterklasse Vorteil bringen können."* Durch diesen Satz war also die Gleichstellung der Frau programmatisch festgelegt. Als aber die Fusion der einzelnen sozialistischen Gruppen zu einer größeren, wenn auch noch nicht großen sozialistischen Partei stattfand und ein neues Programm entworfen wurde, da wurde die frauenrechtliche Forderung des„ Fascio Operaio" nicht mit aufgenommen.
So blieb das Postulat der politischen Emanzipation der Frau wieder privaten Kräften überlassen, und aus diesem Grunde ist das mutige Auftreten der Mozzini in Italien historisch nicht hoch genug zu bewerten.
Anna Maria Mozzoni war die unbeugsamste Verfechterin der Frauenrechte im Italien der siebziger und achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Ueber ihre Forderung gleichen Stimmrechtes, sowie ihre Tätigkeit zur Verbesserung der Stellung der Frau vor dem Gesetz wird noch in anderem Zusammenhang die Rede sein. Hier haben wir nur ihres Zusammentreffens mit den Sozialisten kurz zu gedenken.
Es ist eine traurige Wahrheit, daß die damaligen noch nicht vereinigten sozialistischen Gruppen Italiens die Frauenkämpferinnen schroff abwiesen. Nun trägt die Mozzoni meines Erachtens sicherlich ein gut Teil der Schuld selber, denn sie erklärte kühn die Erreichung der politischen und sozialen Emanzipation der Frau für die überhaupt wichtigste aller sozialen Fragen. Andererseits war aber die sozia
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listische Partei in Italien damals noch im Embryozustand. Von der Regierung auf das schärffte verfolgt, hatten ihre Bekenner noch feine rechte Muße gehabt, über die Forderungen der Frau wieder nachzudenken. Auch lag noch kein praktisches Bedürfnis vor, die Frau als Kampfgefährtin zu bewillkommnen. Von gewerkschaftlicher und genossenschaftlicher Organisation war sozialistischerseits damals noch keine Rede. Der italienische Sozialismus, der damals noch sehr stark unter dem Einfluß Bakunins stand, beschränkte in den sechziger und siebziger Jahren seine Tätigkeit noch in der Hauptsache auf Vorbereitung kleiner Putsche, sowie auf Zeitungspolemiken seiner bedeutendsten Vertreter untereinander.* Dennoch aber ist der Vorwurf nur zu berechtigt, den die Mozzoni tief enttäuscht in ihre Worte legte:„ Genau dieselben Männer", schrieb sie in einer Broschüre, welche sich um die Fahne der Freiheit gesammelt hatten, die sie höher als alle anderen Güter des Lebens schätzten, genau dieselben konnten nicht begreifen, daß die Frau sich gegen ihre Fesseln aufbäumt, daß sie die elende Knechtschaft zerreißen und die schwere Last des Stimmrechtes auf ihre Schultern nehmen will."
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Trotzdem ließ die Mozzoni aber nicht ab, immer wieder von neuem ihren Sturmanlauf gegen die Gleichgültigkeit der sozialistischen und bürgerlichen demokratischen Parteien zu unternehmen, und mit großer Sachlichkeit und Ausführlichkeit alle Einwände, welche man gegen die Emanzipation der Frau von irgendwelcher Seite her erheben könnte, immer wieder von neuem kraftvoll zu widerlegen.*** ( Schluß folgt.)
Frauen als Arbeiter in Tongruben.
Von Louise Biek.
Die reiche Ausbeute an feuerfestem Ton liefernden Tonlager von Hettenleidelheim und Eisenberg haben ihre Besizer über Nacht zu reichen Leuten gemacht. Die Arbeiterschaft verspürt jedoch recht wenig von dem„ Goldregen", der über diese Orte in den letzten Jahren niedergegangen ist. Wohl kaum irgendwo anders tritt die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft so unverhüllt zu tage, wie hier. Müssen doch in Hettenleidelheim circa zwei bis dreihundert Arbeiter und Arbeiterinnen die fünfunddreißig Grubenbesitzer samt ihren Familien ernähren und obendrein den Geldsäckel derselben noch immer straffer füllen. Dabei verdienen die Arbeiter bei ihrer langen, harten, gesundheitsschädlichen und gefährlichen Fron nicht einmal soviel, um allein ihre Familie ernähren zu können. Das gilt ganz besonders von den Arbeitern im besten Mannesalter, die schon verbraucht", oder infolge der erlittenen Unfälle zum Krüppel geworden sind. Der Grubenbesitzer erscheint als eine Verkörperung der Dichterworte:„ Wie Vollmond glänzt sein feistes Gesicht, drei Männer umspannen den Schmerbauch ihm nicht." Der Grubenarbeiter dagegen leidet wahrlich nicht an Fettsucht, er muß oft genug den Hungerriemen enger schnallen. Da heißt es denn für die Frauen, mit Hand anlegen, um zum Unterhalt der Familie beizutragen, ist der Mann Invalide, zum Krüppel geworden, den Unterhalt aber gar allein zu erschwingen. Die meisten dieser Frauen suchen Beschäftigung beim„ Tonziehen".
Der Ton, der unten in der Grube von den Männern gehauen wird, muß mittelst Winde aus der Grube befördert,„ gezogen" werden. Dabei werden Frauen beschäftigt. Da die menschliche Arbeitskraft so außerordentlich billig zu haben ist, hat man es nicht für nötig befunden, zu dieser Arbeit modern konstruierte Maschinen zu verwenden, vielmehr werden Winden der primitivsten Art in Anwendung gebracht. Dieselben sind oberhalb der Grubenöffnung angebracht. Zu beiden Seiten ist ein Handgriff befestigt, an dem je eine Frau postiert wird, die unausgesetzt zu drehen hat. Es ist das eine äußerst schwere Arbeit, denn Tonstücke von einem bis zwei Zentner werden gezogen", daneben ist die Beschäftigung entfeßlich monoton, geradezu geisttötend, eine Tretmühlenarbeit im schlimmsten Sinne des Wortes. Man denke: unausgesetzt, ohne aufzuschauen, ohne ein Wort zu reden, muß lange Stunden die schwere Winde gedreht werden. Wer der Arbeit von der Ferne aus zuschaut, daher das Arbeiten der schwer nach Atem ringenden Brust nicht sehen kann, der glaubt, einen in Bewegung befindlichen Automaten vor sich zu haben. Fragt man einen Mann, ob er lieber Ton schlagen oder ziehen möchte, entscheidet er sich ohne weiteres für die erste Arbeit, obgleich diese sicher auch nicht leicht ist. Das Tonziehen ermattet aber nicht nur Körper und Geist, es ist direkt gesundheitsschädlich. Durch die gebückte Haltung und
* Siehe hierüber Alfredo Angiolini:" Cinquant'Anni die Socialismo in Italia", Florenz 1900, S. 36-91.
** Anna Maria Mozzoni:„ I Socialisti e l'Emancipazione della Donna", Alessandria , Tipografia Sociale Panizza.
*** Anna Maria Mozzoni ,,, La Donna nella Famiglia, nella Città e nello Stato", Bologna , Tipografia Pongetti 1891, S. 31 ff.