Jahren hatte diese Frau ihre Stimmrechtsforderungen zum Ausdruck gebracht und sich, wie wir im vorigen Artikel bereits gesehen haben, mit den Sozialisten in Verbindung gesetzt.
In der Periode, in welcher die einzelnen sozialistischen Gruppen die Gleichstellung der Frau zu befürworten begannen, hatte die Mozzoni dann um eine praktische Agitation behufs Erlangung des Frauenstimmrechtes vergeblich gerungen. Nun, wo nach Zu sammenschluß vieler Hunderte zu einer sozialistischen Partei Italiens die den Frauen sfeptisch gegenüberstehenden Genossen die Oberhand behalten hatten, und die Frau zwar als Mitkämpferin begrüßt, aber derselben nur teilweise gleiche Rechte versprochen wurden, da sah sich die Mozzoni wieder um ein gutes Ende auf ihrem Wege zurückgeworfen. Trotzdem ließ sie sich aber nicht entmutigen.*
Wir werden im folgenden Teile unserer Betrachtung sehen, daß die Bemühungen der Mozzoni schließlich doch noch von Erfolg gefrönt wurden, wir werden sehen, daß hierzu aber zwei Dinge erforderlich waren, nämlich erstens der wenigstens äußerliche Uebertritt der Mozzoni zur sozialistischen Partei und zweitens das Auftreten einer anderen, und zwar durch und durch proletarisch denkenden Frau, Anna Kulischoff.
Zur Nachricht. Am Schlusse des Artikels in Nr. 1: Rück blick auf die Geschichte der proletarischen Frauenbewe gung in Italien ", heißt es irrtümlich: Schluß folgt. Der Abschnitt: " Die ersten Anfänge der proletarischen Frauenbewegung in Italien bis 1893", ist abgeschlossen.
Die Hausfrau als Finanzminister.
Plauderei von Brutus. I.
Von dem im vorigen Jahre verstorbenen Finanzminister Miquel hat man sehr viel Wesens gemacht, weil er, ein geborenes Finanzgenie, den Staatshaushalt im Interesse der herrschenden Klassen sehr geschickt zu verwalten verstand.
Wenn ich das Wirken dieses großen Finanzkünstlers beobachtete, so mußte ich häufig an unsere deutsche Arbeiterfrau denken, die ja in ihrem begrenzten Kreise ebenfalls als„ Finanzminister" fungirt und sich bemüht, das Schifflein des kleinen Hauswesens an der Klippe des Defizits vorüber zu steuern. Und da wollte es mich stets bedünken, als ob mehr Genie dazu gehöre, die Einnahmen und Ausgaben eines Arbeiterhaushaltes miteinander in Einklang zu bringen, als einen Staatshaushalt zu verwalten. Ohne Zweifel muß eine Arbeiterfrau
* Anna Maria Mozzoni ,,, La Donna nella Famiglia, nella Città e nello Stato", Bologna , Tipografia Pongetti 1891.
Der Schlag der Mitternachtsglocke hallt durch die Luft, kündend, daß das alte Jahr zu Ende ging. Wie viel Hoffnungen werden wohl mit ihm zu Grabe getragen, wie viel Flüche ihm nachgeschickt? Nun danket alle Gott, erschallt es von den Türmen. Einer alten Gewohnheit folgend greift das Weib zum Bleitiegel.
"
Plötzlich erbrausen nebenan mächtige Klänge. Wir Männer in der Bluse sind's, im Herzen treu und schlicht", wird beim Flurnachbar gesungen. Die verhärmte Frau schrickt auf, lauscht immer gespannter und wirft endlich den Bleitiegel weit von sich. Schritt für Schritt treibt es sie der Türe zu. Noch ein kurzes Besinnen und Zögern, und sie steht mitten unter der kleinen Gesellschaft von Männern und Frauen, die beim Nachbar vergnügt Silvester feiern. Von allen Seiten strecken sich ihr Hände zum Willkommen entgegen. Freundliche Worte und Wünsche tönen ihr ins Ohr und finden den Weg zum Herzen. Bald weicht die Befangenheit, welche die Seele der Vereinsamten anfänglich in Bann hält. Die Frau fühlt sich daheim, fühlt sich als Glied einer Gemeinschaft. Sie hört von Leiden, die ihre eigenen Leiden sind, sie hört aber auch von Hoffnungen, die sie nicht mehr zu denken wagte. Mit leuchtenden Blicken folgt sie den Gesprächen, die sich um die Kämpfe der Arbeitenden drehen, die von der Überzeugung des Sieges, der Befreiung durchweht sind.
Ein längst nicht mehr gekanntes Gefühl des Geborgenseins, stiller Befriedigung ergreift Besitz von ihr und weckt den Entschluß, für Freiheit und Glück zu kämpfen. Und ein heiliger Schwur antwortet in ihrem Innern, als einer der Anwesenden mit Ernst Klaars begeisternden Versen den Frauen zuruft:
Siehst du, Genossin, das glühende Licht,
Das flammend empor aus dem Dunkel bricht?
Es kündet den Tag!
Noch leuchten die Strahlen matt und fern, Doch kann ich nimmer sagen, wie gern
Sein Rot ich schauen mag.
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ein größeres Finanzgenie sein, als weiland Miquel es war. Letzterer wühlte in den Millionen und arbeitete aus dem Vollen heraus, erstere muß mit ihren paar Mark Wochengeld haushalten und jeden Pfennig dreimal in der Hand herumdrehen, ehe sie ihn ausgiebt. Wenn es bei Miquel irgendwo haperte, so öffnete er mit seinem Zauberstab rasch eine neue Steuerquelle, die bald fröhlich sprudelte; wenn es bei einer Arbeiterfrau knapp wird, so schaut sie sich meistens vergebens nach einer neuen Einnahmequelle um, sie muß sich vielmehr einschränken und, will sie keine Schulden machen, an allen Ecken und Enden sparen. Darum, so meine ich, ist jede Arbeiterfrau vom Schicksal zum Finanzminister vorausbestimmt.
Der männliche Arbeiter ist in dieser Beziehung besser daran. Er behält von seinem Wochenlohn denjenigen Teil zurück, den er für sich selbst benötigt, den Rest giebt er am Sonnabend seiner Frau mit den weisen Worten:" So, mein Kind, nun siehe zu, daß du damit rum kommst!" Dann fängt bei der sorgenden Hausfrau das Ueber= legen und Berechnen an. Und wohl ihr, wenn die Rechnung am Schlusse der Woche glatt aufgeht, ohne daß ein Defizit herausgewirtschaftet worden ist. Glücklich die Frau, wenn der Mann regelmäßig Arbeit hat und daher im stande ist, allwöchentlich das Haushaltungsgeld auf den Tisch zu legen. Wehe aber, wenn er arbeitslos wird, oder wenn unglückliche Zufälle: Krankheit, Tod u. s. w., den Haushalt aus dem Gleichgewicht bringen. Dann gleicht das Schifflein einem wrackgewordenen Fahrzeug, das, von den Stürmen gepeitscht, steuerlos auf den Meereswellen umhertreibt. Wer ein solches Elend noch nicht selbst mitgemacht hat, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte".
Der springende Punkt, um den sich das wirtschaftliche Leben einer Hausfrau dreht, die finanzielle Grundlage, auf das ihr Hauswesen aufgebaut ist, ist das Hausstandsgeld, das sie von ihrem Manne erhält. Das Quantum Geld, womit sie die Bedürfnisse ihrer Familie bestreiten soll, drückt ihrem Haushalt den Stempel auf und bestimmt die Lebenshaltung der Ihrigen. Es läßt sich nach zwei Seiten hin vermehren, direkt und indirekt. Direkt dadurch, daß das Quantum vergrößert wird, indem der Mann zum Beispiel statt 20 Mark 24 Mart pro Woche abladet; indirekt dadurch, daß die Kaufkraft des Geldes gesteigert wird, das heißt, daß für 20 Mart mehr Waren gekauft werden können wie früher. Nach beiden Richtungen hin ist die Hausfrau im stande, auf eine Verbesserung ihres Budgets hinzuwirken wenn sie will. Darum wollen wir die Sache einmal nach beiden Seiten hin beleuchten.
Zunächst hat eine Hausfrau ein lebhaftes Interesse daran, daß ihr möglichst viel Geld zur Verfügung steht, so daß sie ihrer Familie möglichst viel bieten kann. Es muß ja einer sorgenden Hausmutter das Herz schwer werden, wenn sie ihren Lieben nicht diejenige ErDenn Freiheit fündet sein flammend Not, Es kündet das Ende der Qual und Not, selige Zeit!
herrlicher Tag, da die Freiheit siegt Und rot im Winde ihr Banner fliegt, Dem ganzen Volke geweiht.
Auch dir, Genossin, die Freiheit schwand, Schwer liegt auf dir die eiserne Hand
Vom Kapital.
Ich reich' dir den Arm, die nervige Faust, Komm mit zu den Höhen, vom Sturm umbraust, Und sich des Frührots Strahl!
Sie werben um dich mit Schmeichelei'n, Die Schwestern aus der Bürger Reih'n, Sie nahn versöhnend dir. folge nicht dem Sirenengesang, Folg deines eignen Herzens Drang, Vertraue mir!
Ich bin, wie du, ein Kind der Not, Ich schlage mit dir den Kampf ums Brot, Bin arm wie du.
Drum schließ dich kämpfend an mich an, Weit stärkere Fäuste hat der Mann, Er schaffet Ruh'!
Komm mit, Genossin, schau das Licht, Das siegend aus dem Dunkel bricht, Es strahlt auch dir! Gemeinsam kämpfend, Hand in Hand, Erreichen wir der Zukunft Land, Genossin folge mir!