kleide- und Aborteinrichtungen, feuergefährliche Treppenanlage, grobe oder unanständige Behandlung seitens Vorgesetzter. Sieben dieser Beschwerden wurden dem Gewerberat, vier der amtlichen Vertrauensperson der Gewerbeaufsicht übermittelt. Leider erhielt die Kommission nur bei wenigen Fällen Nachricht über den Erfolg der Beschwerden. Die Fabrikinspektion ließ ihr keine diesbezügliche Mitteilung zugehen, und von den Arbeiterinnen war oft nichts zu erfahren, da sie meist die Beschwerden erst nach Verlassen ihrer Stellung anhängig gemacht hatten. Was den Rest der eingelaufenen Klagen anbelangt, so hatte die Kommission sich zweimal mit Krankenkassensachen und zweimal mit den Angelegenheiten von Dienstmädchen zu befassen. Diese vier Fälle konnten durch Erteilung von Rat erledigt werden. Einmal war ein Unfallrentengesuch abzufassen und dreimal wegen Lohnverweigerung bei fündigungsloser Entlassung oder berechtigtem Verlassen der Arbeit Klage beim Gewerbegericht einzureichen, zweimal mit vollständigem, einmal mit teilweisem Erfolg.
Aus den vorstehenden Mitteilungen erhellt, daß die Tätigkeit der Beschwerdekommission im ersten Jahre von bescheidenem Umfang gewesen ist. Zum Teil ist das mit auf Rechnung des schlechten Geschäftsganges zu setzen. Er hat die Geduld und Ergebung der Arbeiterinnen aufs äußerste gesteigert, ihren Mut aber, ihre Widerstandsfraft gegen ungünstige Arbeitsbedingungen auf ein Minimum herabgesetzt. Immerhin scheint die Beschwerdekommission der Genossinnen das Vertrauen der Arbeiterinnen bereits in höherem Maße zu ge= nießen als die amtliche Vertrauensperson. Laut Bericht der Gewerbeinspektion für 1901 gingen ihr im Verlauf dieses Jahres aus dem ganzen freishauptmannschaftlichen Bezirk, auf den sich ihre Tätigkeit erstreckt( Leipzig , Wurzen , Döbeln ), nur neun Anzeigen zu. Es sei bemerkt, daß der angezogene Jahresbericht unserer Beschwerdekommission mit folgender Ausführung Erwähnung tut:„ Zur Entgegennahme von Beschwerden über Mißstände und Ungesetzlichkeiten in Fabrifen aus dem Kreise der Arbeiterinnen hat sich im Berichtsjahr in Leipzig ein weiblicher Ausschuß gebildet, welcher der Inspektion auf schriftlichem Wege einige zum Teile begründete Klagen übermittelt hat."
Soll die Beschwerdekommission immer mehr werden, was sie ihrem Wesen und dem ernsten Wollen der Genossinnen nach sein kann, so müssen die Gewerkschafter, die Parteigenossen die Arbeiterinnen bei jeder Gelegenheit auf die Einrichtung aufmerksam machen, die ihnen bei Verteidigung ihrer Interessen mit Rat und Tat helfend zur Seite steht. Die Beschwerdekommission.
Notizentheil.
Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung in Defterreich. Die österreichischen Genossinnen haben im letzten Jahre erfolgreich die Organisation der Heimarbeiterinnen gefördert. An ihren ersten Verein zu Wien haben sich mehrere blühende Ortsgruppen daselbst angegliedert und neue sind im Entstehen begriffen. In der Provinz, vor allem in Steiermart, steht die Gründung von Organisationen der Heimarbeiterinnen bevor. In West böhmen beraten die Genossinnen darüber, an Stelle der Arbeiterinnenbildungsvereine eine Organisation für die im Hause erwerbstätigen Frauen ins Leben zu rufen. Allerdings wurden manche bestehende Organisationen aufgelöst, aber dies zu dem Zwecke, daß alle tätigen Genossinnen ihre Kräfte der Organisation der Heimarbeiterinnen widmen sollen. Der im letzten Jahre gegründete ,, Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen" zu Wien , dessen Konstituierung erst nach Überwindung zahlloser Schikanen seitens der Behörden möglich war, hat in drei Bezirken der Hauptstadt eine aussichtsreiche Arbeit begonnen: in Landstraße, Favoriten und Simmering . Er betrachtet es als seine Hauptaufgabe, Aufklärung über die sozialen und politischen Verhältnisse unter der proletarischen Frauenwelt zu verbreiten. Erfreuliche Fortschritte hat die gewerkschaftliche Organisation der Tabatarbeiterinnen zu verzeichnen. Zu Pfingsten 1902 fand in Wien die Reichskonferenz der Tabatarbeiterinnen statt, die erste gewerkschaftliche Konferenz österreichischer Arbeiterinnen überhaupt. Der Wiener Tabatarbeiterinnenverein, der im November sein erstes Stiftungsfest feierte, hat sich seither günstig entwickelt. Von Ende November bis Mitte Dezember wurden drei Ortsgruppen der Tabakarbeiterinnen gegründet: in Wien - Rennweg, in Stein und Hainburg in Nieder österreich . Auch in anderen Teilen des Landes existieren Fachorganisationen der Heimarbeiterinnen, welche sich jedoch langsamer entwickeln. In Floridsdorf haben die Genossinnen den in Wien zu gunsten der Heimarbeiterinnenorganisation aufgelösten Verein
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,, Libertas" neugegründet. Die Arbeiterinnen- Zeitung" ist das Publikationsorgan all der genannten Organisationen. Von dem ,, Verein der sozialdemokratischen Frauen und Mädchen", sowie bei den organisirten Heimarbeiterinnen ist sie obligatorisch eingeführt. Die Reichskonferenz der Tabatarbeiterinnen faßte einen entsprechenden Beschluß, der jedoch noch nicht in Praxis umgesetzt worden ist. Die Genossinnen nahmen regen Anteil an allen wirtschaftlichen und politischen Kämpfen des Proletariats, ganz besonders auch an der Protestbewegung gegen die Mezeleien zu Triest und Lemberg und an dem Landtagswahlkampf in Niederösterreich . Sie dürfen mit Befriedigung auf das zurückblicken, was sie im letzten Jahre erstrebt und geleistet haben.
Julius Popp in Wien+. Die österreichischen Genossinnen trauern mit dem kämpfenden Proletariat ihres Heimatlandes, mit der sozialistischen Internationale zusammen an dem Grabe eines der besten, aufopferndsten, treuesten Männer, die für die Befreiung der Arbeiterklasse gestritten und gearbeitet haben. Kurz vor Weihnachten starb in Wien Julius Popp. Jm Rahmen dieser kurzen Notiz läßt sich auch nicht einmal andeuten, was er für unsere österreichische Bruderpartei gewesen ist, zu deren Einigung er seinerzeit wesentlich beitrug, für deren innere und äußere Entwicklung er bis zuletzt seine Lebenskraft Atom für Atom, Tag für Tag eingesetzt und hingegeben hat. Wie er regen und verständnisvollen Anteil an der Gewerkschaftsbewegung nahm, so war er auch ein treuer, einsichtiger Freund und Förderer der Frauensache innerhalb des proletarischen Befreiungstampfes. In einem warm empfundenen Nachruf der„ Arbeiterinnen- Zeitung" hebt Genossin Schlesinger hervor, daß der Verstorbene gewiß niemals einer besonderen Nur- Frauenbewegung nach irgend einer Richtung hin das Wort geredet hätte, daß er aber ,, einen klaren Blick und das feinste Verständnis für die notwendige Eigenart der Agitation unter den Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen besaß. Mittelbar hat er die sozialdemokratische Frauenbewegung auch dadurch unterstützt, daß er der erfahrenste und sorgsamste Berater seiner Gattin, unserer Genossin Adelheid Popp , war. Mit liebevollem Zartgefühl war er stets bemüht, alle Hindernisse aus ihrem Wege zu entfernen, und viel lieber verzichtete er auf manche Bequemlichkeit in seinem häuslichen Leben, als zuzugeben, daß seine Frau ihre Tätigkeit in der Partei um seinetwegen eingeschränkt hätte." Wer da weiß, wie start aller theoretischen Einsicht ungeachtet, Vorurteil, Egoismus und Gewohnheit leider noch immer oft genug im praktischen Verhalten des Mannes zur Frau sind: der wird letzteren Umstand Genossen Popp zur besonderen Ehre anrechnen. Es ist unendlich viel, was der Tod Genossin Popp geraubt hat. Aber daß er ihr so unendlich viel rauben fonnte, mag zusammen mit dem Ausdruck allgemeiner Verehrung und Dankbarkeit für den Verschiedenen und herzlicher Anteilnahme an ihrem Lose ein Trost in ihrem heißen Leide sein. Genosse Popp hinterläßt zwei Söhnchen zartesten Alters. Daß sie sich einst des Vaters würdig erweisen, in seinem Geiste für die höchsten Ziele der Menschheit wirken, dafür wird die Erziehung der Mutter, dieser Mutter, das Ihrige tun. Die deutschen Genossinnen haben erst kürzlich begeistert den Ausführungen Adelheid Popps gelauscht. Sie gesellen sich tiefbewegt zu denen, welche der tapferen, schwer getroffenen Vorkämpferin ihr aufrichtiges Beileid be= zeugen, welche einen Lorbeer der Anerkennung am Grabe des stillen Helden niederlegen.
Weibliche Fabrikfinspektoren.
Das Tätigkeitsgebiet der Fabrikinspektorin in Dänemark ist mit dem 1. Januar 1903 bestimmt umgrenzt worden. Die Direktion der Arbeits- und Fabrikaufsicht hat der Beamtin für die Bezirke in Kopenhagen und außerhalb der Hauptstadt die Kontrolle über die Nähstuben, Wäschereien und Plättereien, sowie über die Trifotfabriken übertragen, in denen ausschließlich oder überwiegend weibliche Arbeitsfräfte tätig sind. Die Aufsicht über die maschinellen Einrichtungen bleibt jedoch nach wie vor dem technisch gebildeten Inspektor vorbehalten.
Frauenbewegung.
Als Zivilingenieur hat in Frankreich die erste Frau ihr Examen an der Schule für Brücken- und Wegbau zu Paris erfolgreich bestanden. Die betreffende Dame, Frl. Kaßjersti, bewirbt sich auf Grund dieses Examens um eine Anstellung an der russischen Eisenbahn.
Die ersten Approbationsprüfungen an dem Petersburger medizinischen Institut für Frauen fanden im letzten Jahre statt und wurden von 111 Studentinnen bestanden. Im laufenden Winterhalbjahr studieren 412 Frauen an dieser Hochschule.
Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart .