ringung der politischen Macht den Staat zwingen, den modernen Raubrittern in Landwirtschaft und Industrie das Handwerk zu legen; sie müssen ihn an seine Pflicht erinnern, durch eine vernünftige arbeiterfreundliche Sozialpolitik die maßlose Ausbeutung der Konsu menten durch das Unternehmertum zu verhindern. Leider hat die Proletarierin noch nicht das Recht, selbst an die Wahlurne zu treten und Partei zu ergreifen gegen die Brotwucherer, Hauspaschas und Lebensmittelverteurer, dennoch aber kann sie auch im politischen Leben ihre Interessen, die der Arbeiterfamilie und Arbeiterklasse verteidigen, indem sie die Männer an die Urne schickt und sie veranlaßt, sozial demokratisch zu wählen.

Neben der politischen und gewerkschaftlich: n Betätigung steht der Arbeiterfrau noch ein großes, wichtiges Feld zur Betätigung frei: das Genossenschaftswesen. Die Organisierung der Warenverteilung und die dadurch herbeigeführte Verbilligung der Massenartikel kommt der Haus­frau direkt zu gute. Gerade der Zwischenhandel mit seiner unvernünftigen Zersplitterung der Kräfte und Vergeudung von Arbeit, muß notwendig die Lebensmittelpreise verteuern oder die Güte der Waren verschlechtern. Dem kann eine geschlossene Vereinigung von Konsumenten entgegenwirken. Leider sehen dies heutzutage noch zu wenig Frauen ein, noch weniger Frauen aber denken daran, daß eine starte Konsumgenossenschaft all­mählich zur Eigenproduktion übergehen und dadurch für Artikel des Massenverbrauchs den Unternehmerkartellen einen Damm entgegen­setzen kann.

Wir kommen zum Schlusse und fassen uns dahin zusammen: Eine Arbeiterfrau muß politisch, gewerkschaftlich und ge­nossenschaftlich tätig sein, da sie als Finanzminister des Hauswesens verpflichtet ist, ihre Einnahmen absolut und relativ zu vermehren. Sie hat ein lebhaftes Interesse daran, daß das Quantum ihres Hausstandsgeldes größer wird, und daß die Kaufkraft dieses Geldes nicht sinft, sondern steigt.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Am Schlusse des vergangenen Jahres unternahm Genossin Greifenberg   einige Agitationstouren, um für verschiedene Gewerkschaften neue Mitglieder zu gewinnen. So fanden Versammlungen für den Deutschen Textilarbeiterverband statt in Fürth  , Nürnberg  , Erlangen  , Bayreuth  , Marktredwig, Wunsiedel   und Helmbrechts  . In Marktredwitz   und Helm brechts war ein so starker Versammlungsbesuch von seiten der weib­lichen Arbeiterschaft zu verzeichnen, daß die Räume viel zu klein waren, um alle Erschienenen zu fassen. War es doch das erstemal, daß eine Frau zu ihnen sprechen sollte. In musterhafter Ruhe und mit großer Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden den Ausführungen der Rednerin. Als Beweis ihres Einverständnisses mit dem Gehörten traten eine Anzahl Arbeiter und Arbeiterinnen dem Verband bei und versprachen, treu für denselben zu wirken. Der Deutsche   Berg­  

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eine öffentliche Versammlung einberiefen, in der sie scharfen Protest erhoben gegen die höchst unchristliche Herzenshärte und Untoleranz, welche ein Geistlicher zu Nirdorf am Grabe eines Selbstmörders bekundet hatte. Der Verdacht wurde bestärkt durch den regen An­teil, den seine Führerinnen und Mitglieder an der Wahlbewegung nahmen. Wie die übrigen Vorstandsmitglieder, so wurde auch Genossin Schackow wegen Vergehens gegen das Vereinsgefeß bestraft, ,, weil nicht zu bezweifeln gewesen, daß der Verein die Tendenz ver­folge, durch die Frauen auf die Männer und die Kindererziehung sozialistischen Einfluß auszuüben".

Die Behörden konnten zwar der Organisation das Lebenslicht ausblasen und ihre Führerinnen verurteilen, allein die sozialpolitische Überzeugung der tapferen, energischen Frauen vermochte sie nicht zu ertöten. So war es nur selbstverständlich, daß Johanne Schackow wie ihr Mann die Schärfe des Sozialistengesetzes zu kosten bekam. Beide wurden ausgewiesen und gingen zuerst nach Hamburg  , dann nach Magdeburg  . Unter dem bittersten Ringen und Sorgen ums Brot, unter den gefahrreichen Hindernissen, welche das Schandgesetz schuf, beteiligte sich unsere Genossin überall begeistert und opfer­bereit an der Bewegung. Das Übermaß dessen, was sie fronden, entbehren, dulden mußte, brach jedoch ihre Kraft. Krant und alt kehrte sie nach dem Falle des Schandgesetzes nach Weißensee zurück, dem ersten Orte ihrer Tätigkeit, denn hier hatte sie mit ihrem Manne unter den größten Schwierigkeiten die ersten sozialdemo= fratischen Zeitungen verbreitet. In der proletarischen Frauen­bewegung der späteren Jahre ist sie unseres Wissens nicht wieder

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arbeiterverband hatte seinerseits in Hausham  , Penzberg  , Hetten und Peißenberg   Versammlungen veranstaltet, in denen Ge­nossin Greifenberg   referierte. Die Versammlungen waren hauptsäch= lich dazu bestimmt, den Frauen der Bergarbeiter die Notwendigkeit und den Nutzen der Organisation flarzulegen. Durch emsige Agi­tation hatten die Männer erreicht, daß eine bedeutende Zahl von Frauen und Mädchen in die Versammlung fam. Da, wo Mann und Frau nicht zusammen dem ergangenen Rufe folgen konnten, weil fleine Kinder zu Hause waren, schickte der Mann die Frau in die Versammlung, damit sie höre, was dort gesprochen werde, und er be­aufsichtigte unterdeß die Kleinen. Jedenfalls ein sehr lobenswertes Verhalten, das zur Nachahmung zu empfehlen ist. In München  sprach Genossin Greifenberg   in einer gutbesuchten Versammlung bei den Schuhmachern und in Kempten   bei den Holzarbeitern. In letztgenanntem Orte galt die Agitation hauptsächlich den Arbeitern und Arbeiterinnen der Zündholzfabrik. In derselben nimmt die Frauenarbeit immer mehr zu und ihre Konkurrenz für den Mann wird, wie es nicht anders sein kann, um so gefährlicher, je weniger die Arbeiterinnen organisiert sind. Vor kurzem war noch keine von den weiblichen Arbeitern der Zündholzfabrik organisiert, durch tüchtige, unermüdliche Agitation ist es jedoch in letzter Zeit den Männern ge­lungen, eine Anzahl Arbeiterinnen dem Deutschen   Holzarbeiterverband zuzuführen. Daß die organisierten Arbeiterinnen den Wert des ge­wertschaftlichen Zusammenschlusses begriffen haben, bewies die Ver­sammlung, in der zum erstenmal eine Arbeiterin in der Diskussion das Wort nahm. Die Erkenntnis der proletarischen Klassenlage bricht sich mehr und mehr auch unter den Frauen Bahn; die Aufklärung über das Wesen der heutigen Ordnung und der Notwendigkeit des Kampfes gegen sie dringt in immer weitere Kreise und führt uns neue Streiterinnen für die Befreiung der Arbeiterklasse zu. M. G.

Wöchentliche Diskussionsabende, welche den Zweck verfolgen, die Genossinnen mit Wissen auszurüsten, sie theoretisch und rednerisch zu schulen und dadurch Agitatorinnen heranzubilden, sind den An­regungen der Münchener   Frauenkonferenz entsprechend von den Leip­ziger Genoffinnen eingerichtet worden. Die Vorarbeiten dazu wurden von einer Rommission geleistet, welche auf den Vorschlag der Genossin Wehmann hin in öffentlicher Frauenversammlung gewählt ward und die gleichzeitig Auftrag erhielt, in Verbindung mit den Gewerk­schaften die regelmäßige, stetige Mitarbeit der Genossinnen bei der Werkstubenagitation unter den Arbeiterinnen in die Wege zu leiten. Was die Kommission, die aus den Genossinnen Friedrich, Schmidt und Wehmann besteht, in letzterer Hinsicht erreicht hat, berichten wir an anderer Stelle.

Die Behörden im Kampfe gegen die proletarischen Frauen. Die eingelegte Beschwerde gegen das Verbot einer Versammlung zu Königsberg  , in welcher am Bußtag Genossin 3ieg referieren sollte ( siehe Nr. 26 der Gleichheit" von 1902), hat der Regierungs­präsident für Königsberg   mit folgender Begründung abgelehnt: Die gegen das Verbot einer öffentlichen Versammlung am Bußtag in den Vordergrund getreten, aber mit unerschütterlicher Uber­zeugungstreue hat sie bis zuletzt dem Jdeal des befreienden Sozia­lismus angehangen.

Eine Pflicht der Dankbarkeit und Gerechtigkeit ist es, daß die Genossinnen einer Johanne Schackow wie all den ersten Pionie­rinnen unserer proletarischen Frauenbewegung ein ehrendes Andenken bewahren. Sie sind begeistert und mutig bahnbrechend in einer Zeit vorangegangen, wo es nicht verhältnismäßig so leicht war, wie heutzutage, als Frau fämpfend in den Reihen des klassen­bewußten Proletariats zu stehen. Außer den größten Schwierig­keiten und Gefahren, unter denen es den Behörden die geringste Beteiligung am öffentlichen Leben abzulisten und abzutrozen galt, hatten die Genossinnen damals nicht blos die härteste Verfehmung seitens der bürgerlichen Welt zu tragen, sondern vielfach auch das Vorurteil im sozialistischen   Lager zu überwinden. Die Frauen, die von dem Gedanken des Sozialismus ergriffen, für ihn wirkten und die Anfänge der proletarischen Frauenbewegung schufen, mußten ihre ganze Persönlichkeit für ihre uberzeugung einseßen und die höchsten Bürgertugenden entfalten. Das nie zu vergessen und sich am Beispiel der Wackeren zu erheben, sei das Gelöbnis, durch welches die Genossinnen Johanne Schackow den Zoll dankbarer Anerkennung spenden. Ihr Andenken bleibt in der Geschichte der proletarischen Frauenbewegung in Ehren.