zubringen, so werden die Beschwerden sicherlich vereinzelt bleiben. Die Mädchen entschließen sich schon ohnehin schwer genug, sich einmal zu einer Klage aufzuraffen. Fordert man dann eine nochmalige Darstellung ihrer Arbeitsbedingungen und Beschwerden, die obendrein sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, so kann man sicher sein, daß sie von einer Beschwerdeführung abgeschreckt werden. Leider hören wir vom Resultat der Beschwerden nur in den seltensten Fällen. Die Inspektion gibt uns grundsätzlich keine Auskunft, und die Arbeiterinnen unterlassen meist, wieder vorzusprechen.
Bei einem Überblick über die Tätigkeit der Kommission ist noch zu erwähnen, daß auf ihre Anregung hin der Reichstagsabgeordnete Stadthagen es übernahm, einen Zyklus von Vorträgen über Arbeiterrecht abzuhalten. Der rege Besuch der Vortragsabende und die fleißige Beteiligung an den Debatten haben gezeigt, wie notwendig die Aufklärung weiterer Kreise über die gesetzlichen Bestimmungen zum Schuße der Arbeiter sind.
Wenn wir auf das letzte Jahr unserer Tätigkeit zurückschauen, so können wir befriedigt sein und mit der wohlbegründeten Hoffnung weiterschaffen, auch in der nächsten Zeit für die Arbeiterinnen Ersprießliches zu leisten. K. W.- Berlin .
Aus der Bewegung.
39
neten. Unter stürmischem Beifall der Versammelten geißelten die Genossen Lementow und Kasch das Vorgehen der Beamten, sowie die reaktionäre Gestaltung und Auslegung des Hamburger Vereinsgesetzes. Die Versammlung gestaltete sich zu einer glänzenden Demonstration für unsere Forderung eines einheitlichen und freiheitlichen Vereins- und Versammlungsrechtes. Der Aufforderung unserer Genossin Rost, dem Sozialdemokratischen Verein beizutreten, sowie die sozialdemokratische Presse zu abonnieren, folgten zahlreiche Personen. Uns dienen alle Dinge zum besten. Bringt jede Kaiserrede gegen uns hunderttausend neue sozialdemokratische Stimmen, so bringt uns jede Versammlungsauflösung eine stattliche Anzahl neuer Abonnenten und Mitglieder.
Notizenteil.
Soziale Gesetzgebung.
L. Z.
Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Verbot der Fabrikation von Weißphosphorzündwaren, den die Regierung Ende 1902 im Reichstag eingebracht hat, ist von diesem in erster Lesung beraten und einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen worden. Bereits beim Beginn dieser Legislaturperiode, vor fast fünf Jahren, hat die sozialdemokratische Reichstagsfraktion die gleiche Reform in einem Initiativantrag gefordert, der jedoch noch nicht zur Beratung kam Dagegen wurde die Forderung gelegentlich der Debatte über das Reichsamt des Innern von den sozialdemokra
Von der Agitation. In der zweiten Hälfte des Januar unternahm Genossin Zieß eine Agitationstour für den Fabrikarbeiterverband. Versammlungen fanden statt in Bremen , Woltmers hausen , Schwachhausen , Delmenhorst , Burgdamm, Varel , Obenstroh, Bracke und Nordenham . Sämtliche Versammtischen Rednern erörtert und begründet, jedoch von der Regierung
"
So
Die Krise und die Gewerkschaften" und" Der Zolltarif und die Gewerkschaften" waren die Themen, die zur Behandlung standen. In Nordenham wurde mit fünfzig Personen eine neue Zahlstelle des Verbandes gegründet. Den in den anderen Orten bereits bestehenden Zahlstellen wurden durch die Versammlungen neue Mitglieder zugeführt. Genoffin Zieß agitierte außerdem noch in einer Reihe von Einzelversammlungen unter den Fabrikarbeitern. sprach sie am 29. Januar in einer von über sechshundert Personen besuchten Fabrikarbeiterversammlung in Neumünster . Fünfunddreißig neue Mitglieder wurden für den Verband gewonnen und eine mindestens ebenso große Anzahl für die übrigen am Orte bestehenden Verbände, sowie für den Frauenverein und die politische Organisation. In der Versammlung ward einstimmig Genossin Gloy als weibliche Vertrauensperson gewählt. In ihrem Schlußwort streifte die Referentin nochmals die Kaiserreden, die sie in ihrem Referat bereits ausführlich kritisiert hatte. Der überwachende Beamte rief daraufhin dazwischen, sie solle jetzt endlich den Kaiser in Ruhe lassen. Genossin Ziet entgegnete dem Herrn, die Versammelten seien nicht im Reichstag und er, der Beamte, sei nicht Graf Ballestrem. Als sie im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen nochmals von dem Beamten unterbrochen wurde, gab sie dem Herrn über seine Befugnisse eine Rechtsbelehrung, die derselbe stehend und höhnisch grinsend an hörte. Dies veranlaßte die Referentin zu der Bemerkung, daß es der Versammlung wenig imponiere, wenn ein Polizeibeamter sich so in Positur setze. Als Genossin Zietz weiterhin nochmals den Kaiser erwähnte, erklärte der Beamte die Versammlung für geschlossen. Da Genossin Ziet sich nicht an seine Worte kehrte und ruhig weiter redete, drohte er mit der Verhaftung, weil seine Anordnungen nicht respektiert würden, worauf der Herr zur Antwort erhielt:„ Allerdings, soweit die Anordnungen ungeseßlich sind, respektieren wir sie nicht. Das Schließen der Versammlung besorgen wir selbst." Da endlich kam dem Überwachenden der Gedanke, daß er die Versammlung nicht schließen, sondern nur auflösen dürfe, was er dann schnell nachholte. Unter Absingung des Sozialistenmarsches leerte sich langsam das Lokal. Am 2. Februar wurde eine Protestversammlung gegen das Vorgehen des Beamten einberufen, zu der Genossin Zietz leider nicht erscheinen konnte. In der bereitwilligsten Weise hielt Genosse Adler Kiel das Referat. Wahrlich, der Agitationsstoff, den die Gegner uns liefern, ist kaum zu bewältigen! Nur so weiter, uns fann's recht sein. In einer glänzend besuchten Fabrikarbeiterversammlung in Ottensen sprach Genossin Zietz über:„ Die Gewerkschaften, ein Machtfaktor". Vierzig Mitglieder wurden dem Verband neu gewonnen, darunter zahlreiche Frauen. Starkbesuchte Fabrikarbeiterversammlungen, in denen auch Frauen gut vertreten waren, fanden ferner noch statt in Elmshorn und Grünhof- Tesperhude. Es ist eine Lust zu agitieren, geht es doch überall vorwärts. L. Z.
Am 2. Februar tagte im Schwaffschen Lokal in Hamburg eine überfüllte Versammlung, in der die Genossinnen Protest erhoben gegen das Vorgehen der Hamburger Polizei bei der Protestversammlung gegen die Mundtotmachung unserer Reichstagsabgeord:
als noch nicht spruchreif" bezeichnet. Nun ist es der Regierung ge lungen, dem Reiche den Erwerb eines Verfahrens zur Herstellung einer Zündmasse zu sichern, welche aus inländischen Nadelhölzern und ohne Umgestaltung der Betriebsanlagen die Fabrikation von Zündhölzchen ermöglicht, die an jeder Reibfläche zünden. Das Verbot der Herstellung und der Einfuhr von Zündhölzern und Zündwaren aus weißem und gelbem Phosphor soll erst mit dem 1. Januar 1907, das Verbot des Verkaufs solcher Zündhölzchen und Zündwaren mit dem 1. Januar 1908 in Kraft treten. Eine Entschädigung der Fabrikanten für die Einführung der Reform sieht das Gesetz nicht vor. Es ist der unverantwortlichen Rücksicht auf das Interesse der Fabrikanten mehr als genug, daß das Verbot der Verarbeitung weißen Phosphors, welche für die Verarbeitenden die entsetzlichsten Leiden, Vernichtung unter unsäglichen Qualen zeitigt, nicht schon seit Jahren ausgesprochen worden ist, und daß auch jetzt noch jahrelang die Nefrose ihre Opfer fordern darf. Das Wort: besser spät als niemals ist ein schlechter Trost für die, welche dem Siechtum, dem Tode preisgegeben werden. Auf die Frage der nötigen Reform selbst werden wir später noch zurückkommen.
Weibliche Fabrikinspektoren.
Die Forderung weiblicher Gewerbeaufsicht vor dem braunschweigischen Landtag. Anfang Februar mußte sich die braunschweigische Landesversammlung", ein siebenmal gesiebtes Geldsacksparlament, mit der Frage der Heranziehung von Frauen zur Fabrikinspektion beschäftigen. Der Anstoß dazu war gegeben worden durch eine Petition des Gewerkschaftskartells zu Braunschweig , das in Übereinstimmung mit gewerkschaftlichen Organisationen und Versammlungen zu Wolfenbüttel , Braunlage , Fürstenberg a. W., Hasselfelde , Blankenburg a. H., Helmstedt und Harzburg eine Reform der Gewerbeaufsicht des Herzogtums gefordert hatte. Nach der Petition sollte§ 3 der Dienstanweisung für Gewerbeaufsichtsbeamte derart geändert werden, daß eine entschiedene Durchführung der vom Reiche und von Bundesratsverordnungen geschaffenen Arbeiterschutzbestimmungen gesichert würde. Des weiteren wurde die Verleihung ortspolizeilicher Befugnisse an die Gewerbeaufsichtsbeamten in Ausübung ihres Amtes gefordert, so daß es ihnen möglich sei, auch Verfügungen zu erlassen, welche eventuell im Wege administrativen Zwanges durchgeführt werden. Schließlich verlangte die Petition, „ den Gewerbeaufsichtsbeamten eine Gehilfin mit Beamten= qualifikation zur Seite zu stellen, welche ihre Tätigkeit besonders in Betrieben mit weiblichen Arbeitern auszuüben hat, wie es in anderen Bundesstaaten schon geschieht, und daß hierzu ein höherer Posten in den Etat für Fabrikinspektion eingestellt wird." Die drei Forderungen waren von der Vertretung der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen des Herzogtums trefflich und fachlich begründet worden. Welches geringe Verständnis für die Interessen der Lohnarbeitenden im Landtag zu erwarten war, das gelangte schon dadurch zum Ausdruck, daß die mit Prüfung der Petition beauftragte gewerblich- technische Kommission beschlossen hatte,