praktischen Erfahrungen die berufensten waren, über die Notwendig­keit oder Schädlichkeit derAuch-Reform" zu urteile». Mit leicht­fertiger Schlamperei, denn nachträglich wurde bekanntlich erklärt, der in Ziffer Xll des Entwurfes festgelegte Ausschluß der Frauen und Ausländer von der Kaffenleitung und-Verwaltung sei gar nicht be­absichtigt gewesen. Nicht beabsichtigt gewesen! Ei zum Teufel, dann haben also die Herren Bureaukraten des Reichsamts Bestimmungen zusammengeschrieben und abgeschrieben, ohne es der Mühe wert zu erachten, die amtlichen Nasen in den Text der kopierten Paragraphen zu stecken und sich höchstselbst darüber zu belehren, was diese Para­graphen denn eigentlich gesetzlich festsetzen. Und der Reichskanzler, der als vielbesungenermoderner Mensch" des bürgerlichen Preß- lakaientums das Recht der Ausländer und der Frauen doch mindestens gewohnheitsmäßigwohlwollend in Erwägung ziehen" mußte, hat die nachlässige und fehlerhafte Arbeit alsReformwerk" der Regie­rung abgestempelt, ohne auch nur zu bemerken, daß die Arbeit in den betreffenden Bestimmungen ihren Absichten schnurstracks zuwider­lief. Das nennen wir klarbewußt, sachkundig und gewissenhaft ein Gesetz schaffen, das für das Wohl vieler Millionen gerade in Zeiten entscheidend sein soll, wo sie besonderer sozialer Fürsorge bedürfen. Sehr lange ist die Regierung mit dem Entwurf zu einer Kranken­versicherungsnovelle schwanger gegangen. Viel zu lange mußten die Arbeiter und Arbeiterinnen auf die dringend nötige Reform warten. Und warum? Daß schließlich in letzter Stunde in nachlässiger Weise ein Entwurf zusammengestümpert wurde, der Neuerungen enthält, die-- gar nicht beabsichtigt waren! Zur Frage der Mitarbeit der Frauen in den Kassenverwaltungen schreibt man uns: Die Krankenversicherung ist bekanntlich in Deutschland die einzige Einrichtung, bei der den Frauen das aktive und passive Wahlrecht gewährt ist. Die weiblichen Kassenmitglieder sind also den männ­lichen Mitgliedern vollständig gleichgestellt. Sie können sich an den Wahlen zur Generalversammlung der Kasse gleich den Männern be­teiligen und von dieser auch in den Kassenvorstand gewählt werden. Dies ist speziell für die Ortskrankenkassen sehr wichtig, in dem be­kanntlich infolge"der Zweidrittelmajorität der Arbeiterschaft Reformen eher durchführbar sind. Doch pulsiert in den Ortskrankenkassen erst seit zehn Jahren frisches Blut, da in der ersten Periode nach ihrer Einführung durch das Gesetz denkende, organisierte Arbeiter sich fast gar nicht oder nur ungern um die Verwaltung dieser anfänglich so verhaßtenZwangskassen" bekümmert hatten. Wo die Verwaltung der Kassen rückständig geführt wird, hat man auch bis heute noch die Frau aus der Generalversammlung und dem Vorstand der Kasse ausgeschlossen. Die Verwaltung der Kassen ruht dort einzig und allein in den Händen der Männer, die nicht einsehen wollen, daß Sie" undwir". Den Brotverteurern und Volksausbeutern zu den Wahlen ins Stammbuch. Erster Bürger: Wir zahlen als arme Bürger, die Patrizier alsgute". Womit der Adel sich überfüllt, davon könnten wir leben! Wenn sie uns nur ihren Überfluß geben wollten, eh' er verdirbt, so könnten wir glauben, daß sie uns menschlich beistehen, aber sie denken, da würden wir ihnen zu teuer! Unsere hungrige Magerkeit, der An­blick unseres Elends ist wie ein Register, worin ihr Überfluß ver­zeichnet steht; unser Leiden ist ihr Vorteil. Das wollen wir mit unseren Spießen rächen, ehe wir dünn werden wie Harken! Denn die Götter wissen, ich sage das aus Hunger nach Brot und nicht aus Durst nach Rache. ---------------- Was für ein Geschrei ist das? Die andere Seite der Stadt ist in Aufruhr! Was stehen wir hier und schwatzen? Aufs Kapital! Alle: Kommt! Kommt! Erster Bürger: Still! Wer kommt da? lMensniuS Agrippa, Senator, tritt aus.) Zweiter Bürger: Der würdige Menenius Agrippa . Einer, der immer das Volk geliebt hat! Erster Bürger: Der ist noch ehrlich genug. Wären nur die anderen alle so! Menenius Agrippa : Was habt ihr vor, Landsleute? Wohin geht's, mit Knitteln und Stangen? Bitte, sprecht! Was gibt's? Erster Bürger: Dem Senat ist unsere Sache nicht unbekannt. Sie haben seit vierzehn Tagen davon munkeln hören, was wir vor­haben; jetzt wollen's wir ihnen durch Taten zeigen. Sie sagen, arme Bittsteller haben starken Atem; sie sollen merken, daß wir auch starke Arme haben. Menenius Agrippa : Ei Leute! Gute Freunde, wackere Nach­barn! Wollt ihr euch selbst zu gründe richten? Erster Bürger: Das ist nicht möglich, wir sind schon zu gründe gerichtet. der Gesetzgeber auch der Frau als Mitglied der Kasse gleiche Rechte und Pflichten eingeräumt hat. So stand es auch in den Jahren 1834 bis 1894 bei der Orts­krankenkasse Frankfurt a. M. Erst im Jahre 1394 kümmerte sich die organisierte Arbeiterschaft um dieses sozial so wichtige Institut, das bis dahin von Großunternehmern und deren Werkmeistern ver­waltet worden war. Die Vertreterliste des Gewerkschaftskartells siegte mit großer Majorität, und es kamen zum erstenmale seit Bestehen der Kasse weibliche Vertreter in die Generalversammlung, wie auch zum erstenmale weibliche Wähler an die Urne traten. Die so zusammengesetzte Generalversammlung hielt es für ihre Pflicht, auch eine Frau in den Vorstand der Kasse zu wählen. Die All­gemeine Ortskrankenkasse Frankfurt a. M. zählte im Jahre 189S, in welchem die Reformarbeit begann, im Durchschnitt 33796 Mitglieder, davon 7756 weibliche Mitglieder gleich 23 Prozent. Eine Näherin, Fräulein M., zog in den Vorstand der Kasse ein, um gemeinschaftlich mit ihren elf Kollegen aus dem Arbeiterstand an dem Ausbau der Kasse zu wirken. Anfänglich machten die sechs Arbeitgeber etwas verdutzte Gesichter, in Gegenwart einer Frau heikle" Kassenfragen, wie Krankheitsnamen zc., zu erörtern. Doch besiegte bald die ruhige und rührige Mitarbeit dieser Frau aus dem Arbeiterstand alle Vorurteile der Herren, wie diese selbst später zugestanden haben. Fräulein M. nahm an allen Sitzungen des großen Verwallungsapparats, wie Sanitätsausschuß zc. und Vorstands­sitzungen eifrig teil, und es wurde allseitig bedauert, als das weib­liche Vorstandsmitglied, dieKollegin", aus dem versicherungspflich­tigen Kassenverhältnis ausschied und deshalb aus dem Vorstand aus­treten mußte. Die nächste Generalversammlung wählte einstimmigErsatz" und Frau K., das neue weibliche Vorstandsmitglied, betätigte sich mit dem gleichen Eifer an den Vorstandsgeschäften. In den Ausschußsitzungen wird viel auf das Urteil der Kollegin in Fragen der Heilmittel:c. für weibliche Kassenmitglieder gegeben. Heute hat die Allgemeine Ortskrankenkasse Frankfurt nahezu 6690(1 Mitglieder. Im Jahre 1991 zählte man im Durchschnitt 54733 Mitglieder, davon 13935 weibliche gleich 25 Prozent. Man trägt sich seither mit dem Gedanken, der nächsten Generalversammlung vorzuschlagen, entsprechend der weiblichen Mitgliederzahl auch Frauen in den Vorstand der Kasse zu wählen. Jetzt kommt der Regierungsentwurf zur Novelle, die das so mangelhafte Krankenversicherungsgesetz bekanntlichver­bessern" soll und schließt die Mitarbeit der Frau aus den Vor­ständen der Kasse vollständig aus!!! Damit sind alle Hoff­nungen zerstört, die Frau als Mitglied der Kasse mehr kür die Ver- waltungsgeschäfle, die Mitarbeit zu interessieren! In den Kassenvorstand, wie als Rechnungs- oder Kassenführer sollen nach der vorgeschlagenen Menenius Agrippa : Ich sag' euch. Freunde, die Patrizier sorgen Aufs gütigste für euch. Was eure Leiden In dieser Teurung, dieser Not betrifft, So könntet ihr so gut den Himmel prügeln, Als eure Knittel schwingen gegen die Regierung Roms. Die bricht sich ihre Bahn, Und müßte sie zehntausend Schranken sprengen, Fester gefügt als euer Widerstand Ihr jemals bieten könnte! Diese Teurung, Die Götter machen sie, nicht die Patrizier. Gebeugte Knie, nicht Arme, müssen helfen. Ach! euer Elend reißt euch fort dahin, Wo euch nur mehr erwartet; und ihr schmäht Roms Lenker, die wie Väter für euch sorge», Indessen ihr wie Feinde sie verflucht. Erster Bürger: Für uns sorgen? Wahrhaftig! Sie haben noch nie für uns gesorgt. Uns verhungern lassen, während ihre Magazine mit Korn vollgestopft sind; Verordnungen machen gegen Wucher, um die Wucherer zu unterstützen; täglich irgend ein heil­sames Gesetz gegen die Reichen abschaffen und täglich schärfere Man­date erlassen, um die Armen zu schnüren und fesseln! Wenn der Krieg uns nicht auffrißt, so tun sie's; das ist all ihre Liebe für uns. Menenius Agrippa : Entweder müßt ihr selbst gestehen, daß ihr Erstaunlich tückische Gesellen seid, Oder ich heiß' euch Narren! Ich erzähl' euch Ein hübsches Märchen; möglich, daß ihr's kennt; Doch da ich's eben brauchen kann, so mag' ich's Noch etwas abnützen. Erster Bürger: Gut, wir wollen's anhören. Aber du mußt dir nicht einbilden, unsere Schmach mit einem Märchen wegzufoppen. (CoriolanuS" von Shatospeare. Erster Auszug, erste Szene, Rom , Straße.)