bei den Anzustellenden von einer höheren Vorbildung abgesehen werden könne. Das sieht fast so aus, als ob die prole= tarische Forderung berücksichtigt werden solle, Arbeiter und Arbeiterinnen zur Gewerbeaufsicht heranzuziehen, eine Forderung, die von den Sozialdemokraten im württembergischen Landtag wiederholt erhoben und begründet worden ist.
Die Anstellung von Assistenten und Assistentinnen der Fabrikinspektion aus Arbeiterkreisen haben die Sozialdemokraten im hessischen Landtag zusammen mit einer besseren Ausgestaltung der Gewerbeaufsicht neuerlich beantragt. Die Forderung wurde von Genossen Orb unter Hinweis auf die noch immer unzureichende Durchführung der Arbeiterschutzbestimmungen begründet. Die Regierung ließ erklären, daß sie eine Vermehrung des Beamtenstabs der Fabrikinspektion zur Zeit ablehne, da ihr 70 Prozent Revision der auffichtspflichtigen Betriebe genügend erschienen. Gegen die Zuziehung von Hilfsbeamten aus dem Arbeiterstand habe sie Bedenken. Sie glaube, den mit ihrer Anstellung erstrebten Zweck dadurch zu erreichen, daß sie ,, die Aufsichtsbeamten angewiesen habe, sich im Verkehr mit den Arbeitern und ihren Organisationen durchaus keine Beschränkung aufzuerlegen". Diese Anweisung ist gewiß in unseren Zeiten anerkennenswert, schafft jedoch keinen vollwertigen Ersatz für die Tätig keit von Assistenten und Assistentinnen aus dem Proletariat. Es heißt also für die entsprechende Forderung weiter fämpfen.
Die definitive Anstellung der weiblichen Hilfskräfte der hessischen Fabrikinspektion als Beamtinnen ist nach einer Erflärung der Regierung im hessischen Landtag vorgesehen. Der Regierungsvertreter konstatierte, daß die weiblichen Hilfskräfte sich in ihrer Amtstätigkeit durchaus bewährt hätten.
Über die Tätigkeit der Assistentinnen der bayerischen Gewerbeaufsicht enthält der Bericht für 1902 folgende bemerkenswerten Ausführungen:" Was die weiblichen Aufsichtsbeamten betrifft, so vollzog sich deren Diensttätigkeit im Berichtsjahr in befriedigender Weise. Der Verkehr mit den Arbeitgebern wickelte sich fast durchweg glatt ab, und es ist besonders hervorzuheben, daß die früher da und dort bestandene Mißstimmung gegen die weiblichen Beamten einem die Sache fördernden Entgegenkommen gewichen ist. Die Arbeiterinnen selbst zeigen, nachdem ihnen das Erscheinen der Assistentinnen nicht mehr neu und deren Tätigkeit bekannt ist, erhöhtes Interesse und Vertrauen. Diesem Fortschritt ist es zuzuschreiben, daß die Arbeiterinnen Anfragen und Beschwerden nunmehr häufiger gelegentlich der Revisionen vorbringen oder, in selteneren Fällen, den schriftlichen Weg hierzu wählen; die Sprechstunden werden nur sehr wenig besucht. Außer der Revisionstätigkeit fanden die Assistentinnen auch im inneren Dienste Verwendung." Aus diesen Mitteilungen geht unzweideutig hervor, daß das Institut der weiblichen Gewerbeaufsicht sich bewährt und vorteilhaft entwickelt.
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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
Die Organisation der österreichischen Proletarierinnen, Verein der Heimarbeiterinnen" in Wien , macht stetig Fortschritte. Nunmehr zählt er bereits fünf Ortsgruppen und zwei weitere werden demnächst in Steiermark konstituiert, da der Heimarbeiterinnenverein seine Tätigkeit über ganz Österreich erstreckt. Die Arbeitsvermittlung der Organisation beginnt sich einzuleben; bisher sind die Anfragen nach Arbeit und Arbeitskräften in der Privatwohnung der mit dieser Funktion betrauten Genossin zusammengelaufen. Nunmehr hat der Verein in einem öffentlichen Lokal ein Arbeitsvermittlungsbureau eröffnet, wo eine hierfür honorierte Genossin an bestimmten Stunden des Nachmittags anwesend ist. Auch die Organisation der Tabatarbeiterinnen gedeiht. Drei Ortsgruppen wurden in den letzten Monaten gegründet, so daß jetzt in jenen Orten Niederösterreichs , wo sich Tabakfabriken befinden, auch eine Organisation der Tabakarbeiterinnen vorhanden ist. Besonderes Augenmerk muß diese Organisation der Kranken- und Wöchnerinnenunterstützung zuwenden, da die Eigenart der Tabatindustrie in Österreich nicht ermöglicht, mit denselben Bedingungen zu arbeiten, wie andere Fachorganisationen. Arbeitslosenunterstüßung im gewöhnlichen Sinne wäre ein Unding, da, wer einmal aus einer Tabakfabrik entlassen ist, keine Aussicht mehr hat, in einer anderen unterzukommen. Die Tabakfabrikation ist nämlich in Österreich Staatsmonopol, und die Arbeiterinnen können nur dann eine Fabrik mit der anderen vertauschen, wenn es mit Zustimmung der Vorgesetzten geschieht. In der Folge scheidet also die Arbeitslosigkeit aus den Aufgaben der Organisation aus. Ebenso ist es mit der Arbeitsvermittlung. Die anfangs Februar stattgefundene Hauptversammlung des Tabatarbeiterinnenvereins. hat daher die Krankenunterstützung den Bedürfnissen der Arbeiterinnen angepaßt. Sie setzte fest, daß dieselbe für vier Wochen im
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Jahre wöchentlich vier Kronen betragen solle, des weiteren beschloß sie eine Wöchnerinnenunterstützung von acht Kronen. Ein besonderer Paragraph des Vereinsstatuts beschäftigt sich mit der Unterstützung Gemaßregelter. Diese werden in der vollen Höhe ihres Arbeitslohnes entschädigt. Es soll damit der Organisation das Hindernis aus dem Wege geräumt werden, daß fähige Arbeiterinnen aus Angst vor Lohnverlust ihre Kraft der Organisation entziehen. In den t. t. österreichischen Tabatfabriken ist nämlich das strafweise Aussetzen von der Arbeit üblich, und da soll jenen Arbeiterinnen, die wegen ihrer Organisationstätigkeit dieser Disziplinarmaßregel verfallen, Ersatz geboten werden. Da das sozialpolitische" Ministerium Körber sich darin gefällt, Arbeiterorganisationen Schwierigfeiten zu machen, die an die reaktionärsten Zeiten erinnern- der Ministerpräsident selbst erklärt sich allerdings für unschuldig, aber er hindert nicht, daß seine Beamten die Arbeiterorganisationen schifanieren-, so wurde auch den Tabakarbeiterinnen die Gründung eines Reichsvereins untersagt. Dieses Verbot ist ein großes Hemmnis für die Entwicklung der Organisation, da ein Reichsverein die Möglichkeit geschaffen hätte, von einer starken Zentrale aus die schwachen Zweigvereine mancher Orte zu unterstützen. Auch der Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen in Wien macht Fortschritte. Noch ist kein Jahr seit seiner Gründung verstrichen, und er hat bereits zwei Ortsgruppen, eine in Favoriten, eine zweite in Simmering ; die Zentrale befindet sich Landstraße. Alle drei Organisationen entfalten eine rege Tätigkeit. Dem Verein sind von den Genossen Vertretungen in allen Körperschaften des Wahlkreises eingeräumt. Genossin Therese Schlesinger , die Mitglied dieses Ver eins ist, wurde vom Wahlkreisausschuß mit dem Mandat für den Niederösterreichischen Landesparteitag betraut, der in St. A. P. Pölten stattgefunden hat.
Frauenbewegung.
Eine Reform und Organisation der weiblichen Krankenpflege, die von allen beteiligten Faktoren längst als dringend notwendig empfunden wurde, soll jetzt in die Wege geleitet werden. Im Anschluß an den Bund deutscher Frauenvereine wollen die Krankenpflegerinnen sich an die Regierungen der Einzelstaaten wenden, um folgenden Forderungen zur gesetzlichen Regelung zu verhelfen:
1. Gewährung einer möglichst vollkommenen Ausbildung mit staatlicher Schlußprüfung und Ausstellung eines Zeugnisses über ihre Qualifikation für die Krankenpflege;
2. Herabsetzung der Dienstzeit, welche heute durchschnittlich vierzehn bis fünfzehn Stunden täglich beträgt, ohne daß dabei gelegentliche Nachtwachen mit berechnet sind, auf elf Stunden pro Tag;
3. einer ausreichenden Alters- und Invaliditätsversorgung an Stelle der bisherigen gänzlich ungenügenden Einrichtungen auf diesem Gebiet.
Eine Durchführung dieser gewiß bescheidenen Reformen liegt nicht nur im Interesse der Antragstellerinnen, sondern vor allem auch in dem des arbeitenden Volkes, das unter allen Bevölkerungsschichten die Krankenhäuser am stärksten frequentiert und unter der unzulänglichen Pflege von ewig abgehezten, oft für diesen schwierigen Beruf ganz ungeeigneten Wärterinnen am meisten leidet. Wird die wirtschaftliche Lage der Krankenpflegerinnen verbessert, so wird auch ein stärkeres Angebot von tüchtigen Kräften erfolgen, das unter den bis jetzt herrschenden Verhältnissen leider immer weit hinter der NachM. K. frage zurückblieb.
Gegen die Errichtung eines besonderen Mädchengymna siums in Mailand , die vom Stadtkollegium beschlossen worden ist, wendete sich sehr scharf in der großen sozialistischen Tageszeitung ,, Il Tempo" in Mailand die erst siebzehnjährige Studentin Carlotta Majno, die Tochter der bekannten Genossin Emilia Majno- Bronzini. Sie bezeichnete den Beschluß mit Recht als einen Rückschritt, da bisher alle Schulen in Italien das Prinzip gemeinsamer Erziehung von Knaben und Mädchen hatten. Den Vorwurf, daß dieses unmoralisch" sei, weist sie energisch zurück und bedeutet den Gegnern gemeinsamer Erziehung, daß die Bälle und Gesellschaften mit all ihrem drum und dran weit schädlicher auf die Moral der jungen Mädchen wirkten als gemeinsamer Schulbesuch mit gleichaltrigen Knaben. Carlotta Majno hat ein gutes Wort in guter R. M. Sache gesprochen.
Zur Beachtung.