Beschäftigung mit den bevorstehenden Reichstagsivahten gegründet werden, den Frauen steht auch das Recht zu, selbst derartige Organi­sationen ins Leben zu rufen. Sobald mit den Stichwahlen die letzte Entscheidung gefallen, wird das alte reaktionäre Unrecht gegen die Frauen wieder zuRecht". Dem reaktionären Zivillingspaar, der konservative»Kreuz­ zeitung " und der zentrümlichenGermania ", ist es offensichtlich höchst peinlich, daß derVorwärts" die Frauen auf das zeitweilige Fetzchen Recht aufmerksam gemacht hat. Kein Wunder das! Die konservativen und zentriimlichen Sünder haben es mit der Angst, wenn sie des schmählichen Verrats gedenken, den ihre Parteien an den Interessen der werktätigen Frauen und ihrer Angehörigen geübt: des Zollwuchers, der die Taschen der Ärmsten der Armen leert und den Verdienst bedroht; der Vorenthaltung eines gründlichen Arbeilerinnen- und Arbeiterschutzes und der vollen Koalitionsfreiheit; der Milliarden­lasten für dasherrliche Kriegsheer", für die abenteuerliche Floltenpolitik, die Kolonialfexerei und die Deutschlands Namen schändenden Hunnen- züge; der mangelhaften Reform der Versicherungsgesetze; der auf­rechtgehaltenen Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechtes im politischen Leben, ja sogar in Körperschaften wie den Gewerbegerichten; der blutigen Verhöhnung der Witwen und Waisen w. w.Kreuzzeitung " undGermania " erhoben deshalb grämlich den Schulmeisterfinger und warnten die Frauen, sich ja nicht von der Auffassung desVor­wärts" verführen zu lassen, sondern fein säuberlich ihre Finger von der Politik zu halten und sich nicht eher mit der Reichstagswahl zu befassen,bis sie mindestens das aktive Wahlrecht" hätten. Und um dieser Warnung de» Schein der Rechtfertigung zu geben, erklärten die beiden Blätter, daßWahlvereine im Sinne des Gesetzes nur Ver­eine von Wahlberechtigten sind". Diese Teutelung ist der Unsinn zu Pferde. Nicht Wahlberechtigte, wohl aber Frauen, Schüler und Lehr­linge schließt Z 8 des Vereinsgesetzes von der Anteilnahme am poli­tischen Vereinsleben aus. tz 21 kann mithin nur für die Aus­geschlossenen vorübergehend die geltenden Beschränkungen ausheben. Andererseits können Wahlberechtigte jederzeit ohne den ß 21 Wahl­komitees und andere politische Organisationen gründen Der srauenrechtlerischeDeutsche Verein für Frauenstimm­recht", der die Frauen zu reger Anteilnahme an dem Wahlkampf aufruft, stellte seinerseits die Folgen der Aufhebung der Beschränkung irreführend dar. In einer Zuschrift an die Presse erklärte er:Von der Festsetzung der Wahl bis zum Vollzug derselben steht also de» Frauen ungehinderte Teilnahme an allen Wahlvereinen und Wahl­versammlungen zu, ein Umstand, der nicht einmal allen preußischen Polizeiorganen genügend bekannt ist, um unbefugte Ausweisungen von Frauen aus politischen Versammlungen für diese Zeit zu verbieten." Die biederen Frauenrechtlerinnen haben es fertig gebracht, in diesen einen Satz zwei Irrtümer einzuschachteln. Zunächst dürfen sich die Frauen jederzeit und nicht bloß während der Wahlperiode an öffentlichen politischen Versammlungen beteiligen. Wenn es vor­kommt. daß sie aus solchen Versammlungen ausgewiesen werden, so geschieht es nicht auf Grund des Gesetzes, sondern gegen das Gesetz. Zweitens gestattet 8 21 laut der geltenden Rechtsprechung den Frauen nicht die Mitgliedschaft in jedem politischen Verein, sondern nur in einem solchen, der speziell zur Betreibung einer bestimmten, bereits ausgeschriebenen Wahl gegründet ist. Der Verein scheint in der Frage des Vereinsrechles juristisch ebenso schlecht beraten zu sein, wie in der Frage des Wahlrechtes zu den Gewerbegerichten, das seiner Meinung nach die Frauen besitzen. Unsere Genossinnen und Genossen beginnen ihrerseits bereits die praktischen Konsequenzen der aufgehobenen Beschränkungen zu ziehen. Das gelangt in dem Zirkular zum Ausdruck, in welchem Genossin Baader die Vertrauenspersonen der Genossinnen zur regsten und planmäßigen Wahlarbeit auffordert. Es lautet: Genossinnen! Mit dem Tage der Veröffentlichung des Wahl­termins, der auf den 18. Juni festgesetzt ist, sind im preußischen Vereins­gesetz die Beschränkungen des H 8, wonach politische Vereine.Frauens­personen, Schüler und Lehrlinge' als Mitglieder nicht aufnehmen dürfen, durch den§ 21 aufgehoben. Dies gilt nach Entscheidungen der Obergerichte für die ganze Wahlzeit, also bis zur vollständigen Erledigung der Wahlen. In dieser Zeit dürfen wir Frauen Wahl­vereine bilden und auch Mitglieder solcher Wahlvereine von Männern werden, die nur für die Agitation für diese Reichstagswahlen ein­schließlich etwaiger Stichwahlen gegründet worden sind. Dieses nur wenige Wochen währende Recht zu gebrauchen und auszunutzen ist unerläßliche Pflicht. Den weiblichen Vertrauenspersonen empfehle ich daher, sich sofort mit ihren Genossinnen am Orte ins Einvernehmen zu setzen und un­verzüglich, wo es irgend möglich, einen Wahlverein zu gründen. Genossinnen! Die in Aussicht stehenden Wahle» sind für uns Frauen von solch eminenter Wichtigkeit wie wohl kaum je zuvor. Wir Frauen müssen uns daher eifrig an der Agitation und allen anderen Aufgabe» des Wahlkampfes beteiligen. Die bereits auf­geklärten Frauen sollten keine Gelegenheit vorübergehen lassen, zum Beispiel bei Gesprächen mit Nachbarinnen, Arbeitskolleginnen, bei Einkäufen u. s. w. aus die Wichtigkeit der Reichstagswahl und die Vertretung durch Sozialdemokralen hinzuweisen. Die Frauen müssen ferner, soweit sie in der Lage dazu sind, beim Flugblattverbreiten Helsen, sich am Geldsammeln beteiligen, Adressen und Listen schreiben; auch am Tage der Wahl den Männern helfend zur Seite stehen. Haben wir Frauen auch noch kein Wahlrecht, so haben wir doch die Pflicht, dafür sorgen zu helfen, daß die Männer, die das Wahl­recht besitzen, es auch richtig anwenden. Wir Frauen sind durch' unser Tun und Lassen mit verantwortlich dafür, ob Arbeitslosigkeit, Hunger und Laster weiter wüten können, oder ob durch die Wahl einer großen Anzahl Sozialdemokraten der Weg gebahnt wird, Not, Unterdrückung und Unbildung aus der Welt zu schaffen und für alle ein menschenwürdiges Dasein herbeizuführen. Darum. Genossinnen! An die Arbeit! Keine Mühe gescheut, und der Erfolg wird nicht ausbleiben. Wir wollen den Wahlsieg dann in dem Bewußtsein mitfeiern, daß es nicht nur unser Vorteil, sondern daß er auch mit unser Werk, die Frucht unserer Arbeit ist." Die Vertrauenspersonen der Berliner Genossinnen rufen in nachstehendem Aufruf zur Ausnutzung des vorübergehenden Rechtes auf: Frauen und Mädchen! Arbeiterinnen Berlins ! Mit der erfolgten Festsetzung des Wahltermins auf den 16. Juni fallen für uns Frauen die Beschränkungen des§ 3 des preußischen Vereins­gesetzes fort. Während der Zeit bis zur erfolgten Wahl inklusive der Stichwahlen sind wir hinsichtlich des Vereins- und Versammlungs­rechtes den Männern gleichgestellt. Wir dürfen in dieser Zeit in Preußen Wahlvereine gründen oder solchen der Männer, die nur für die Zeit der Wahl bestehen, uns als Mitglieder anschließen. Dieses Recht auszunutzen ist unsere Pflicht. Für uns Frauen des Proletariats hängt wahrlich so viel ab von dem Ausfall der in Aussicht stehenden Wahlen, daß jede Frau ihre Kräfte aufs äußerste anspannen muß, um dafür zu agitieren, oaß Sozialdemokraten in großer Anzahl in den Reichstag gewählt werden. Frauen und Mädchen des arbeitenden Volkes, wollt ihr, daß euer Leben so elend und freudlos wie bisher verläuft und sich noch schlimmer gestaltet; daß noch mehr junge Mädchen, um dem Hunger zu entgehen, der Prostitution sich in die Arme werfen, so legt ruhig die Hände in den Schoß. Wollt ihr aber, daß euch ein menschen­würdiges Leben zu teil wird, eure Jugend, eure Mütter, eure Kinder, eure Männer vor der unersättlichen Ausbeutung und damit vor frühem Verfall geschützt werden, so tretet ein in die Reihen der Sozialdemokratie. Wollt ihr, daß die dürftige Nahrung, die für den geringen Ver­dienst beschafft werden kann, noch knapper wird? Gewiß nicht! So sorgt dafür, daß Sozialdemokraten gewählt werden. Wollt ihr Mütter, daß eure Kinder nicht länger wie bisher tausendfältig für wenige Groschen dem Unternehmer fronden, früh­zeitig freudlos verkümmern und vielfach den Erwachsenen die Arbeit nehmen, daß sie vielmehr geistig und körperlich herangebildet, gute, gesunde Menschen werden, so kämpft dafür. Wollt ihr Mädchen und Frauen, die ihr zu allen Lasten für die Erhaltung des Staates, den indirekten wie direkten Steuern trotz unseres kümmerlichen Lohnes unweigerlich herangezogen werdet, das Recht erlangen, mit zu raten bei Verwendung des euch so raffiniert aus der Tasche gezogenen Geldes, so werdet Sozialdemokratinnen. Wollt ihr, daß das gleiche Vereins- und Versammlungsrecht, welches diese paar Wochen euch zu teil wird, dauerndes Recht werde, so tut eure Pflicht, denn ihr seid die Mütter des Volkes und: Volksrecht ist nicht Männerrccht Und nicht Recht allein der Stärke, Volksrecht ist auch Frauenrecht Und ihr Recht am Freiheitswerke. Volksrecht will ein frei Geschlecht Und das muß von Müttern kommen; Aber ist die Mutter Knecht , Wird den Söhnen Knechtschaft frommen. Frauen und Mädchen des arbeitenden Volkes, ihr seid mit ver­antwortlich dafür, ob Not und Elend und Unterdrückung noch weiter in verschärftem Maße bestehen werden oder Gerechtigkeit, Brot und Freiheit dem Volke zu teil werden soll. Erscheint daher zahlreich in der Versammlung, die Montag de» 20. April bei Keller, Koppenstraße 29, stattfinden wird und in der über die Wichtigkeit der ZH 3 und 21 des preußischen Vereinsgesetzes für die Frauen in bezug auf die Reichstagswahlen gesprochen werden soll."