in den Metallwarenfabriken u. s. w. tätig. Leider ist nur ein ganz winziger Teil derselben gewerkschaftlich organisiert, und im großen ganzen schenkten die proletarischen Frauen Magde­ burgs überhaupt dem öffentlichen Leben bisher herzlich wenig Auf­merksamkeit. Das scheint jetzt anders werden zu wollen. Nach mehreren Zusammentünften( an einer derselben nahm Genossin Baader- Berlin teil) hat erfreulicher Weise der Gedanke, die Frauen wieder zu­sammenzuschließen, greifbare Gestalt angenommen. Nachdem be­reits in einer öffentlichen Frauenversammlung eine Vertrauens­person der Genossinnen gewählt worden war, schritt man in einer weiteren Versammlung zur Gründung eines proletarischen Frauen und Mädchenbildungsvereins. Diesem traten sofort ein Resultat, das unsere kühnsten Erwartungen übertraf- circa hundert Genossinnen als Mitglieder bei. Der sofort gewählte Vor­stand besteht aus den Genossinnen: Thiering( Vorsitzende), Knöfler ( Kassiererin) und Albert( Schriftführerin). Versammmlungen finden jeden zweiten Dienstag im Monat statt und zwar je einmal in Neustadt und in Altstadt. Der Verein hat sich zur Aufgabe gestellt, bei den Frauen und Mädchen das Zusammengehörigkeitsgefühl zu wecken und zu schulen, Aufklärung und Wissen, diese notwendigen Waffen der Befreiung, zu verbreiten und die Frauen insbesondere auch über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Diesen Zweck sucht die Organisation zu erreichen durch regelmäßige Zusammenfünfte, in denen Vorträge gehalten werden, das Bemerkenswerte aus der Frauenliteratur vorge lesen und der Sinn der Mitglieder für alle die Frauen interessierenten Dinge gepflegt wird. Um die gesteckten Ziele verwirklichen zu können, müssen noch viele, viele Frauen und Mädchen auf unseren Verein aufmerksam gemacht werden. Jede der hundert Genossinnen, welche sich zusammengeschlossen haben, muß in Freundinnen- und Be­fanntenkreisen energisch Mitglieder zu werben bestrebt sein, muß den gleichgültigen und unaufgeklärten Proletarierinnen mit dem Dichter zurufen:

Ihr Schwestern in der Arbeit Heere, Vernehmt auch ihr den Ruf der Zeit! Uns drückt dasselbe Los, das schwere, Das längst die Männer rief zum Streit. Sprecht nicht vom schwächeren Geschlechte! Sind wir zur Arbeit stark genug, Sind wir auch stark für unsre Rechte Uns einzureih'n dem Kämpferzug! Gemeinsam werden wir bezwingen Das Elend, das in Bann uns schlägt, Der Menschheit Güter zu erringen All dem, was Menschenantligt trägt!

Notizenteil.

Vereinsrecht der Frauen.

Martha Albert.

Dürfen Frauen in Preußen auch außerhalb der Wahlzeit politische Vereine bilden? Diese für die Frauenbewegung so wichtige Frage wurde bekanntlich früher auf Grund des§ 8 des preußischen Vereinsgesetzes von den Gerichten verneint. Inzwischen wurde aus Anlaß der lex Recke in öffentlichen Versammlungen behauptet,§ 8 entbehre der Rechtsgültigkeit, soweit er im Gegen­satz zu Artikel 4, 29 und 30 der Verfassung das Versammlungs­recht der Frauen beschränkt oder gar ihr politisches Vereinsrecht verbietet. Denn der ominöse§ 8 ist ohne zweimalige Lesung mit mindestens 21 tägigem Intervall( Art. 107 der Verfassung) zu stande gekommen. Er ist also rechtsungültig oder mindestens soweit rechts­ungültig, als er den verfassungsmäßig garantierten Rechten der Frauen widerspricht. Das Oberverwaltungsgericht hat in einer Ent­scheidung vom 21. Januar 1902 angenommen, das verfassungsmäßige Zustandekommen des Vereinsgesetzes habe es nicht zu prüfen, da Artikel 106 der Verfassung dem preußischen Richter dies verbiete, falls das Gesetz in der Gesetzsammlung gehörig bekannt gemacht ist. Es übersah dabei, daß ja auch die Verfassung gehörig bekannt ge­macht" ist und der Widerspruch zwischen zwei gehörig publizierten Gesetzen vom Richter nicht zu gunsten einer der Verfassung wider­sprechenden Auslegung erfolgen darf. Um die Möglichkeit zu er­reichen, daß endlich einmal das Reichsgericht seine Ansicht über diese Frage ausspreche, forderte Stadthagen , wie die Gleichheit" berichtete, in einer öffentlichen Versammlung vom 10. Juni 1902 zum Ungehor­sam gegen§ 8 des Vereinsgesetzes auf. Es ist nunmehr nach Schluß des Reichstags das Strafverfahren auf Grund des§ 110 Str.-G.-B. gegen unseren Genossen eingeleitet. Auch der verantwortliche Redakteur des Vorwärts" ist wegen des Berichtes über jene Versammlung in Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin ( Bundel) in Stuttgart .

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das Strafverfahren hineingezogen. Die Gleichheit" wird demnächst von fachkundiger Seite eine eingehende Erörterung der hochwichtigen Frage veröffentlichen.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

Der diesjährige Kongreß der sozialistischen Frauen Belgiens findet am 31. Mai und 1. Juni im Maison du Peuple zu Brüssel statt. Auf seiner Tagesordnung stehen folgende Punkte: 1. Die Frauenbewegung; 2. die industrielle Frauenarbeit; 3. die Prostitution; 4. die Lage der Spitzenklöpplerinnen; 5. die Sterblichkeit der Kinder der Industriearbeiterinnen; 6. die Propaganda. Gelegentlich des Kongresses begeht die Brüsseler Gruppe der Liga sozialistischer Frauen Belgiens ihr Stiftungsfest. F. K.

Sozialistische Frauenzeitungen in Belgien . Dem Beschlusse des letzten Kongresses der sozialistischen Frauen Belgiens entsprechend ist kürzlich eine sozialistische Frauenzeitung in französischer Sprache gegründet worden, welche den Titel führt, La Femme Socialiste" ( Die sozialistische Frau). Die organisierten Genossinnen verfügen außerdem über ein Organ in vlämischer Sprache Die Frauenstimme", und Genossin Gatti de Gamond gibt die ,, Cahiers féministes" ( Frauenhefte) heraus. F. K.

Weibliche Fabrikinspektoren.

Eine Beschwerdekommission für die Arbeiterinnen von Magdeburg ist daselbst von den Genossinnen eingesetzt worden. Zwei Genossinnen wurden damit beauftragt, Beschwerden der. Ar­beiterinnen entgegenzunehmen, zu prüfen und der Fabrikinspektion zu übermitteln. Es sind dies Frau Koppehl, Alte Neustadt , Otten­bergstraße 37, und Frau Bühring, Sudenburg , Michaelisstraße 14. Den beiden Genossinnen steht unter den zahlreichen Arbeiterinnen Magdeburgs, die zum großen Teile sehr traurige Arbeitsbedingungen haben, ein großes Wirkungsgebiet offen. Hoffentlich wird es ihrer Einsicht und Pflichttreue gelingen, dasselbe mit gutem Erfolge zu bestellen.

Frauenbewegung.

o. b.

Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen und die Wahlen. In einem neuerlichen Rundschreiben" empfiehlt der Verein für Frauenstimmrecht den bürgerlichen Frauen, den Bewerbern um ein Reichstagsmandat folgende Erklärung zur Unterschrift vorzulegen: " Ich stehe einer gründlichen Reform der Mädchenschulen, der obli­gatorischen Fortbildungsschule für Mädchen, der Immatrikulation vorschriftsmäßig vorgebildeter studierender Frauen an Hochschulen freundlich gegenüber. Ich erkläre mich für Reform des Gesinde­wesens; für Arbeiterinnenschutzgesetzgebung; für Gleichberechtigung der Frauen hinsichtlich der Wahlen zu Kaufmanns- und Gewerbegerichten; für Anstellung der Frauen in fommunalen und staatlichen Ämtern und Ehrenämtern; für gleiche Entlohnung gleicher Amtsleistungen von männlichen und weiblichen Beamten. Ich trete für reichsgesetzliche Regelung des Vereins- und Versammlungsrechtes im Sinne der liberalsten und fortgeschrittensten heute in Kraft befindlichen landes­gesetzlichen Bestimmungen bedingungslos ein und bin willens, unter der Voraussetzung meiner Wahl zum Abgeordneten, oben dargelegten Grundsäßen vorkommendenfalls im Reichstag Ausdruck zu geben."

Diese empfohlene Programmerklärung bestätigt, was wir betreffs des verwaschenen, schwächlichen Charakters der frauenrechtlerischen Wahlaktion in letter Nummer dieser Zeitschrift bemerkten. Die Forderung des Frauenstimmrechtes ist von vornherein aus dem Pro­gramm ausgeschieden, da es nur vorläufig realisiertere" Reformen enthalten soll. Das Begehren von Arbeiterinnen und Dienstboten­schutz ist ohne Festsetzung des geheischten Maßes eine inhaltlose Phrase, zu der jeder industrielle und agrarische Scharfmacher schwören fann. Und sogar die spezifisch frauenrechtlerischen Forderungen sind so bescheiden gehalten und tragen so wenig verpflichtenden Charakter, daß nur wenige Stockreaktionäre sich sträuben dürften, sie zu unter­schreiben. Damit nicht genug: Den Kandidaten, welche frauen­rechtlerischer Unterſtüßung teilhaftig werden wollen, steht es frei, einzelne der Programmpunkte zu streichen. Ein Kandidat, der im Interesse eines Wahlerfolgs nicht risfieren zu können glaubt, sich in öffentlicher Frauenversammlung über seine Stellung zur Frauen­bewegung auszusprechen", fann auf Grund einer schriftlichen Er­klärung des frauenrechtlerischen Segens teilhaftig werden, offenbar in der stillen Hoffnung, daß der gute Mann nach der Wahl seinen Wählern eine Nase dreht! Der ganze Jammer unserer rückständigen bürgerlichen Demokratie, unserer fonfusen und schwächlichen Frauen­rechtelei grinst aus dem Programm entgegen.

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. H.) in Stuttgart .