-

120

"

begeben. Wir stellen ihren Ausführungen gegenüber folgende Tat­sachen fest: 1. Die Frauenkonferenz zu München   hat die Forderung des Frauenwahlrechtes nicht fallen lassen, sondern beschlossen: Bei den Kämpfen, welche das Proletariat für die Eroberung des allge­meinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes in Staat und Gemeinde führt, muß das Frauenwahlrecht gefordert, in der Agi­tation grundsätzlich festgehalten und mit allem Nachdruck vertreten werden." 2. Genossin Braun hat der vorgelegten Resolution aus­drücklich zugestimmt und erklärt, daß die Konferenz sie mit gutem Gewissen" annehmen könne. Ihre Opposition gegen den eingeleiteten Verrat", wie das ihr widerfahrene Niedergeschrienwerden ist also wie der Rest pure Erfindung. Frl. Augspurg wohnte der Frauen­fonferenz als Berichterstatterin frauenrechtlerischer Blätter bei. Bei den Verhandlungen über die Frage der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter war sie allerdings nicht von Anfang an zugegen. Immerhin hat sie davon noch genug gehört, um über den Sinn der Debatten und der gefaßten Beschlüsse nicht im Unklaren zu sein. Schließlich sind die Berichte über die Frauenkonferenz sowohl in der Gleichheit"( Nr. 20 vom 24. September 1902) wie im Protokoll über die Verhandlungen des Parteitags zu München  "( Seite 302 bis 306) nicht so schwer zu beschaffen und zu entziffern wie ein ägyptischer Papyros. Es war eine selbstver­ständliche Pflicht der geschichtlichen Wahrheit und Gerechtigkeit, sowie des persönlichen Anstandes, die angeführten Veröffentlichungen zu lesen, statt frisch, fromm, fröhlich, frei ins Blaue hineinzulügen. Übrigens ist in Frankfurt   die versuchte frauenrechtlerische Aktion zu gunsten der Freisinn- Demokratie ausgegangen, wie das Hornberger Schießen. Acht Damen meldeten sich zur politischen Arbeit und der Schlußseufzer ihrer Verhandlungen war, von einer organisierten Unter­stützung des Dr. Bruck abzusehen.

fahren. Einige Tage vor dem 15. Juni hatte das freisinnig- demo-| kratische Wahlkomitee der genannten Stadt eine öffentliche Versamm lung einberufen, in welcher Frl. Augspurg über die öffentlichen Aufgaben der Frauen bei den Wahlen referierte. Die frauen­rechtlerische Führerin erklärte, der Verein für Frauenstimmrecht in Hamburg   empfinde das Bedürfnis, sich im Wahlkampf agita­torisch für die freisinnige Volkspartei zu betätigen. Er habe deshalb an alle Kreise des bürgerlichen Liberalismus, bis in die Kleinsten Provinzorte hinein, ein Rundschreiben mit der Anfrage ver­sendet, wie man sich zur Mitarbeit der Frauen im Wahlkampf stellen würde. Zur freudigen Verwunderung seien gerade von freisinniger Seite lebhaft zustimmende Antworten eingelaufen, so daß die Unter stützung des Freisinns zur Parole gemacht wurde. Die bürgerliche Frauenbewegung habe nie daran gedacht, sich der Sozialdemokratie anzuschließen, wie von konservativer und zentrümlicher Seite ver­leumderisch behauptet worden sei. Die Frauenrechtlerinnen begrüßten es freudig, daß es ihnen durch Entgegenkommen der freisinnigen Volkspartei ermöglicht werde, sich dieser wenigstens in den Ländern anschließen zu können, wo das Vereinsgesetz es gestatte. Von den drei Parteien, die für die Reichstagswahl in Frankfurt   a. M. in in Betracht kamen Nationalliberale, Sozialdemokratie und Frei­finn- Demokratie fritisierte Frl. Augspurg die beiden ersteren in ähnlicher Weise, wie sie es in Berlin   getan( Siehe Nr. 13 der Gleich­heit"), und empfahl die letztere als die politische Gruppierung, welche allein die Unterstützung der Frauen verdiene. Bei ihren Anwürfen gegen die Sozialdemokratie konnte die Dame sich natürlich nicht um die Tatsache herumdrücken, daß die Partei der Roten  " die einzige ist, welche die Forderung voller sozialer Gleichberechtigung der Ge­schlechter in ihrem Programm hat. Allein sie stellte dieser Tatsache ihre eigenen, persönlichen Zweifel entgegen, daß die Sozialdemokratie im Ernstfall die betreffenden Programmpunkte aufrecht halten werde. Beweise für die Berechtigung dieser Zweifel vermochte Frl. Augspurg nicht zu erbringen, dafür aber regalierte sie das Publifum noch mit etlichen Proben ordinärster politischer Kannegießerei. So mit der Behauptung, der in der Sozialdemokratie herrschende Terrorismus mache es einer starken, geistig freien und unabhängigen Persönlichkeit unmöglich, sich ihr anzuschließen. So mit der Schäfer Thomasiade, die sozialdemokratische Partei habe ihren Höhepunkt erreicht, sie werde wie die orthodoxe Kirche  , verknöchern und an sich selbst zu grunde gehen. Die chronologische Gerechtigkeit" bedinge, daß sie abdanke und einer neu ,, aufsteigenden" Partei das Feld räume, das sei der Freisinn, um den, als um die Partei der Zukunft, sich die Frauen scharen müßten. Wir wissen nicht, dank welcher tiefgründigen Forschung Frl. Augspurg das Geheimnis von der chronologischen Gerechtigkeit" als einer entscheidenden geschichtlichen Macht entdeckt hat. Aber das Eine wissen wir: auch ohne Rechtsschutz durch Patent wird jeder leidlich Vernünftige ihr diese famose Entdeckung als unbestrittenes geistiges Eigentum lassen. Was die prophezeihte absteigende Entwicklung der Sozialdemokratie und die aufsteigende des Freisinns anbelangt, so müssen die Verhältnisse mit ganz eigen­artigen Ferngläsern und Augen geschaut worden sein. Der Wahl­ausfall hat bestätigt, wie es um den aufsteigenden" Freisinn und die absteigende" Sozialdemokratie bestellt ist! Der weiblicher Huld empfohlene Kandidat der Freisinn- Demokratie, Dr. Bruck, führte sich als ein recht sonderbarer Vorfämpfer für die Frauen­emanzipation ein. Er forderte die Damen auf, nicht etwa in der Offentlichkeit für ihn einzutreten, wie Frl. Augspurg befürwortet, vielmehr im engen häuslichen Kreise, im Kreise der Verwandten und Freunde, um nicht gegen die weibliche Reserviertheit zu verstoßen". Genossin Heiden rechnete vom Standpunkt der klassenbewußten Proletarierinnen aus mit der bürgerlichen Freifinn- Demokratie" und der Haltung der radikalen Frauenrechtlerinnen im Wahlkampf ernstlich ab. Jhre Ausführungen, die sie durch Tatsachen unterstützte, wurden. wiederholt lärmend unterbrochen, am Schlusse erhob sich Beifall ver­mischt mit Zischen. Genosse Dr. Quard wies im weiteren Verlauf der Debatten an der Hand amtlicher Protokolle nach, daß die Frei­finn- Demokratie in der Frankfurter   Gemeindeverwaltung nicht viel Frauenfreundlichkeit bewiesen habe. 1899 sträubte sich die Stadtver ordnetenversammlung gegen die Einführung besserer Sonntagsruhe im Handelsgewerbe, in dem so viele Frauen tätig sind. 1901 be­tämpfte der Freifinnige Dr. Geiger die Anstellung von Armenpflege­rinnen. In ihrem Schlußwort stellte Frl. Augspurg Behauptungen auf, die leider nicht mehr von unseren Genossinnen und Genossen mit der nötigen Schärfe zurückgewiesen werden konnten. Sie erzählte den Versammelten, die Münchener   Frauenkonferenz habe die Forderung des Frauenwahlrechtes fallen lassen. Genossin Braun habe sich gegen den Verrat am Frauenrecht gewendet, sei aber niedergeschrien worden. Mit diesem Gerede hat sich Frl. Augspurg von dem ihr vertrauten Boden politischer Fabuliererei auf den der ganz gewöhnlichen Lüge

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Bundel) in Stuttgart  .

"

Verschiedenes.

Die sozialdemokratische Frauenbewegung führt zur rich­tigen Wertung der politischen Frauenarbeit in den bürger­lichen Parteien. Die nationalliberale Partei hat bisher ge= ringes Verständnis und schwächste Sympathie für die politische Betätigung des weiblichen Geschlechtes befundet. Die Leistungen der proletarischen Frauen im letzten Wahlkampf bahnen hierin einen Wandel an. Eines der führenden Organe der Nationalliberalen, die Magdeburger Zeitung", schreibt in einem Artikel über die sozial­demokratische Frauenbewegung: Je mehr voraussichtlich die sozial­demokratische Frauenagitation zunehmen und je größere Erfolge sie demgemäß erzielen wird, umso ernsthafter sehen sich die bürgerlichen Parteien vor die Wahl gestellt, ob sie nicht ihrerseits der sozial­demokratischen Frauenagitation durch entsprechende Organisation der bürgerlichen geeigneten weiblichen Kräfte begegnen sollen." Sehr schön und nur zu! Der sozialdemokratischen Frauenbewegung würde kein Abbruch dadurch geschehen, daß die bürgerlichen Parteien die Bourgeoisiedamen zum politischen Kampfe organisierten. Wohl aber könnte dadurch das Ringen um Frauenrechte gefördert werden. Aller­dings nur dann, wenn die bürgerlichen Frauen für ihre politische Mitarbeit auch volle bürgerliche Rechte heischen und ihre entsprechenden Forderungen nicht dem glorreichen Beispiel des Vereins für Frauenstimmrecht" folgend in die Tasche stecken.

Quittung.

"

Jm April, Mai und Juni gingen bei der Unterzeichneten für den Agitationsfonds der Genossinnen ein: Berlin   durch Genossin Döring. 9,15 Mart; 70 Nürnbergerstr. 20 Mart; Genossin B.... sch 20 Mark; M. Kt., Vierteljahrsbeitrag 3 Mark; Bremen   durch Genossin Bosse 29 Mark; durch Genossin Ziet Genossinnen von Hamburg   20 Mark; von Altona  - Ottensen   10 Mart; Duisburg   durch Genosin Weyers ( Liste 662) 11,85 Mart; durch Genossin Stange( Liste 661) 7,20 Mark; Augsburg   Genossin Marie 5 Mark; Altona   durch Genossin von Hollen 10 Mart; Genossinnen von Chemnitz   10 Mark; eine Bürgerliche, welche nicht an die frauenrechtlerische Tugend des Freisinns und die Kraft des Vereins für Frauenstimmrecht glaubt, durch Genossin Zettin 60 Mark; Düren  , Rheinl., durch Fr. Heusgen 4 Mark; Frau F.( Lifte 674) 5,30 Mart. Summa: 224,50 Mark. Dankend quittiert

Ottilie Baader  , Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands  Berlin   SW., Belle- Alliancestr. 95.

Alle auf die Agitation unter den proletarischen Frauen bezüg lichen Briefe und Sendungen sind zu richten an: Ottilie Baader  , Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands  Berlin  , SW., Belle- Alliancestr. 95.

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf.( G. m. b. h.) in Stuttgart  .