Der Kampf der Textilarbeiterschafk von Crimmitflhau. Vier volle Wochen dauert bis zur Stunde, wo diese Zeilen ge­schrieben wurden, das Ringen der Textilarbeiter und-Arbeiterinnen in Crimmitschau   und noch ist keine Aussicht auf Frieden. Die organisierten Unternehmer haben bis jetzt jede Verständigung protzig verweigert. Der vom Bürgermeister der Stadl unternommene Ver­such in dieser Richtung scheiterte an ihrem harten Willen, in einer Machtprobe ihre Geldsacksgewalt zu zeigen, die Sklaven ihres Kapi­tals bedingungslos auf die Knie zu zwingen und ihre verhaßte Organisation zu zerschmettern. Trotzdem haben sich die kämpfenden Arbeiter und Arbeiterinnen wiederholt in öffentlichen Versammlungen zur Verständigung bereit erklärt. Sie beauftragten den Vorstand ihres Verbandes, neuerlich Verhandlungen mit den Textilgewaltigen an­zuknüpfen. Die nötigen Schritte dazu geschahen. Sie begegneten keinem Entgegenkommen, nur hochmütigster Abweisung. Der Vorsitzende der Crimmitschauer   Fabrikantenorganisation teilte im Einverständnis mit dem Vorstand des Verbandes sächsischer Textilindustriellen in Chemnitz  mit, daß die Herren nicht bloß nach wie vor bedingungslose Unter­werfung fordern, sondern noch obendrein ihre Rache wollen. Die Arbeiter und Arbeiterinnen sollen ihre Beschäftigung unter den alten Bedingungen wieder aufnehme», aber nicht einmal alle von ihnen dürfen darauf rechnen, als Unterworfene zu Arbeit und Brot zuge­lassen zu werden Der Ukas der Kapitalistenorganisation erklärt aus­drücklich, daß zumal in den Buckskinfabriken nicht alle vor der Aus­sperrung Tätigen wieder Beschäftigung finden könnten. Wegen mangelnder Austräge, so heißt es. In Wirklichkeit aber um an einer Zahl vonHetzern" das kapitalistische Mütchen zu kühlen und die Sklaven des Textilkapitals vor künftigerMeuterei" zu schrecken. Im Bunde mit den Unternehmern bekämpfen bürgerliche Preßorgane die Crimmitschauer   Ausgesperrten in der niederträchtigsten Weise. Sie bedienen sich der vergifteten Waffen von Lügen und Verleum­dungen. Diese sollen den in den Kampf Gepeitschten die Sympa­thien weiter Kreise abwendig machen, sie selbst untereinander ver­hetzen und durch Mißtrauen und Zwietracht ihre Reihen lockern. In glänzenden Protestversammlungen haben die Ausgesperrten diese Lügen und Verdächtigungen gebrandmarkt. Es versteht sich am Rande, daß die nämlichen Blätter, welche sich in der Beschimpfung der Kämpfenden nicht genug tun konnten, kein Wort der Entrüstung hatten für den Terrorismus, den die Fabrikantenorganisation gegen ihre Mitglieder ausübt. Eine Trikotagenfabrik, die nicht von der Bewegung berührt ist, weil sie bereits den Zehnstundentag eingeführt hat, sollte mit allen Mitteln gezwungen werden, ihre Arbeiter und Arbeiterinnen gleichfalls auszusperren. Die Behörden fahren fort, ihre Machtmittel im Namen derOrdnung" zugunsten der Textil- barone in die Wagschale zu werfen. Es regnet Notierungen und Abführungen von Streikposten; Frauen, die Mütter sind, werden stundenlang auf der Polizei festgehalten. Als ob nie ein Reichsgericht in Sachen des Streikpostenstchens ein Urteil gefällt hätte, sind Streik­posten verurteilt worden. Ein Gendarmerieaufgebot von neunzehn Mann liegt in der Stadt, obgleich die Haltung der kämpfenden Textil­arbeiter eine musterhaft ruhige ist und nie Ausschreitungen und Störungen der Ordnung vorgekommen sind. Dagegen nahm an einer Sitzung des Crimmitschauer   Fabrikantenvereins und des Chemnitzer Verbandsvorstandes einer Sitzung, in der also offenbar einAus­länder" redete der Geheime Regierungsrat vr. Ayrer-Zwickau als Vertreter des Staatsministeriums teil. Mit Fug und Recht konnten die tagenden Herren erklären, mit den behördlicherseits ergriffenen Maßnahmen in puneto Aussperrung einverstanden zu sein. Unter äußerst schwierigen Umständen halten die Crimmitschauer   Arbeiter und Arbeiterinnen an ihren Forderungen fest. Sie wissen, daß ihrer­seits nur Einigkeit, unerschütterliches Zusammenstehen dem Ziele enl- gegenführen kann. Sie wissen, daß alle Härten des Kampfes nicht so schlimm sind, als die bedingungslose Unterwerfung. So sind sie entschlossen, in treuer Solidarität auszuharren, mit der gleichen tiefen Überzeugung von ihrem Rechte, mit der gleichen Opfecfreudigkeit und der nämlichen würdigen Ruhe wie am ersten Tage. Fast in allen Sitzen der sächsischen Textilindustrie haben Versammlungen der Be­rufsgenossen stattgefunden, die sich solidarisch mit ihnen erklärten und zugunsten des Kampfes doppelte Beitragsleistungen oder sonstige Unterstützung beschlossen. Hoffentlich wird es dem proletarischen Opfermut gelingen, dieKriegskasse" zu füllen. Wer das weiß, von welch hoher kultureller Bedeutung der Zehnstundentag gerade für die Lohnsklaven und Lohnsklavinnen der Textilindustrie ist, wie himmel­schreiend die Schäden find, die er etwas mildern kann: der muß von Herzen wünschen, daß dank der moralischen und materiellen Hilfe weiter proletarischer Kreise die tapferen Kämpfenden den Sieg er­ringen. Weißliche Fabrikinspektorcn. Die erfolgreiche Amtstätigkeit der FabrikinspcktionS- assistcntin für das Herzogtum Altenburg   anerkennt der Bericht der Gewerbeaufsicht für das Jahr 1902. Er hebt rühmend hervor, daß das Wirken der Beamtin von sehr großem Vorteil für die Er­mittlung der allgemeinen Arbeitsverhältnisse gewesen sei. Da die Assistentin sich erst seit vorigem Jahre im Amte befindet, so läßt dies Lob darauf schließen, daß sie die Ausgaben desselben mit Verständnis und Eifer erfaßt hat. Die Anstellung einer zweiten weiblichen Hilfskraft der Gewerbeaufsicht für Württemberg ist laut Bekanntmachung des Staatsanzeigers" für die nächste Zeit vorgesehen. Ihr sollen ähn­liche Aufgaben wie der bereits amtierenden Assistentin der Fabrik­inspektion zufallen. Die Anstellung wird zunächst probeweise und gegen Taggeld erfolgen. Bewerbungen mit vollständigem Lebens­lauf, Zeugnissen, Gehaltsansprüchen usw. sind bei der Zentralstelle für Gewerbe und Handel einzureichen. Die Regierung will gleich­zeitig mit der weiblichen Hilfskraft drei Gehilfen der Gewerbeaufsicht anstellen, denen hauptsächlich die Vornahme einfacher Revisionen zu­gewiesen werden soll. Die Betreffenden solle» gute Schulbildung besitzen, längere Zeit in gewerblichen Betrieben beschäftigt gewesen und für einen entsprechenden schriftlichen und persönlichen Verkehr befähigt sein. Die Regierung will also Hilfskräfte aus der Arbeiter­klasse zur Gewerbeaufsicht heranziehen. Soziale Gesetzgebung. Ein neues Gesetz über die Tonntagsrnhc in der Schweiz  . Im Kanton Neuen bürg ist man daran, ein neues Sonntagsruhe­gesetz zu schaffen, das neben anerkennenswerten Forlschritte» auch bedenkliche Neuerungen enthält. Der bezügliche Entwurf ist von der Kommission des Kantonsrats bereits erörtert worden und wird wohl nächstens das Plenum desselben beschäftige». Nach der Vorlage sollen außer den Sonntagen noch Karfreitag, Himmelfahrt, Weihnachten und Neujahr als staatliche Feiertage anerkannt werden. An den Sonnlagen ist der Verkauf von geistigen Getränken über die Gasse verboten, ein merkwürdiges Stück Wirtshaus- und Mittelstands­politik, wodurch das Publikum gezwungen werden soll, die Wirt­schaften zu besuchen. Verboten ist die Arbeit im Freien, jede lärmende Arbeit in geschlossenen Räumen und endlich jede Arbeit, welche von Angestellten verrichtet werden soll. Kaufläden können bis 11 Uhr vormittags, Wirtschaften im Winter von 11 Uhr, im Sommer von 9 Uhr vormittags ab geöffnet sein. Arbeiter und Angestellte, die den Dienst in den Apotheken oder Hotels, in Verkaufsstellen oder Buden haben, welche Sonntags geöffnet sind. Angestellte bei der Polizei oder Präfektur, Erntearbeiter, Angestellte in Käsereien und Milchhandlungen, Tierwärter, Gärtner, die am Sonntag oder an einem Teile des Sonn­tags zu arbeiten haben, müssen in der Woche einen vollen Ruhetag erhalten. Alle vierzehn Tage muß der Sonntag freigegeben werden. Der Artikel 17 des Gesetzes bestimmt: Personen weiblichen Geschlechtes können in den genannten Lokalen Sonntags beschäftigt werden, unter der Bedingung jedoch, daß ihnen ein freier Wochentag gewährt wird; zwei freie Vormittage und zwei freie Nachmittage sollen in jedem Monat auf Sonntage fallen. Sämtliche Angestellte müssen ihren ganzen Lohn auch für den freien Tag ausbezahlt erhalten. Die Dienerschaft(Dienstmädchen usw.) hat am Sonntag Anspruch auf drei hintereinanderfolgende Freistunden. Die Übertretung des Ge­setzes wird mit ö bis 20 Franken, im Wiederholungsfall mit 20 bis 100 Franken Geldbuße oder mit Gefängnis bis zu acht Tagen be­straft, auch dann, wenn die Übertretung infolge angeblichen Ver­zichtes auf die freie Zeit seitens der Angestellten geschehen ist. Diese Bestimmung ist unentbehrlich, wenn das Gesetz praktischen Wert haben soll. Das Gesetz bedeutet offenbar einen kleinen Fortschritt, aber der Wirtshauszwang in demselben ist zu dumm und läßt darauf schließen, welch großen politischen Einfluß im Kanton Neuenburg   die Wirte besitzen. 6-:. Ein wirksames Arbciterinnenschutzgesetz, sowie die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren, darunter solcher aus den Kreisen der Arbeiterinnen, fordert der Parteitag der finnischen   Sozialdemokratie zu Forssa. Er sprach sich noch für die Einführung des Achtstunden­tags, einer Altersversorgung vom 55. Lebensjahr an und verschiedene Maßregeln gegen die Arbeitslosigkeit aus. Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Die zweite Konferenz der sozialdemokratischen Frauen Österreichs   soll nach dem Beschluß des Frauenreichskomitees für den Herbst 1903 in Wien   stattfinden, und zwar einen Tag vor der