Unrecht, die Unterdrückung empfinden, desto mehr und energischer werden sie sich dagegen empören und mit Begeisterung und zäher Ausdauer am Befreiungskampf des Proletariats sich beteiligen. Doch nicht nur für das geistige, sondern auch für das leibliche Bedürfnis der Kinder soll, wo es not tut, die Schule sorgen. Ein hungerndes und frierendes Kind kann unmöglich viel vom Unterricht profitieren. Um die Wirksamkeit der allgemeinen Schulpflicht in Fällen der Not nicht illusorisch zu machen, muß den hungernden und frierenden Kindern Speise und Kleidung verab folgt werden. Ordnet der Staat die allgemeine Schulpflicht an, so ist er des weiteren verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß die Kinder, die dieser Pflicht nachkommen, nicht an ihrer Gesundheit Schaden leiden. Anstellung von Schulärzten und Errichtung von Schulbädern ist deshalb ebenfalls eine notwendige Forderung, für welche die Frauen der Arbeiterklasse wie für all die vorstehenden Reformen bei den Landtagswahlen kämpfen müssen.
Die gewerblich und industriell tätigen Frauen sind in unmittelbarster Weise außerordentlich interessiert an der Ausgestaltung der Gewerbeinspektion. Mittelbar aber haben auch alle Ehefrauen, Mütter, Schwestern von lohnarbeitenden Männern ein großes Interesse daran. Durch die Tätigkeit der Gewerbeinspektion werden doch sehr oft die gesetzlichen Arbeiterschußbestimmungen erst in die Wirklichkeit umgesetzt. Von der Innehaltung derselben hängt aber in vielen Fällen Leben und Gesundheit der Arbeitenden ab. Vermehrung der Inspektoren, namentlich der weiblichen; Erweiterung ihrer Machtbefugnisse; Hinzuziehung zur Gewerbeaufsicht von Ärzten, sowie von Arbeitern und Arbeiterinnen, welch letztere von der Arbeiterschaft selbst gewählt werden: sind hier die notwendigsten Reformen, für die einzutreten es gilt.
Wehr oder minder, direkt oder indirekt wird das Wohl und Wehe der Frauen auch von allen übrigen Materien beeinflußt, deren Regelung Sache des preußischen Landtags ist. Es fann zum Beispiel den Frauen nicht einerlei sein, wie das Steuerwesen geordnet wird. An das Reich haben sie unzählige indirekte Steuern zu entrichten, bei jedem Bissen Brot, jedem Störnchen Salz usw., das sie und die ihrigen verzehren; dem Bundesstaat aber müssen sie, wenn sie selbständig Erwerbende sind und ihr Einkommen die Höhe von 900 Mart erreicht, direkte Steuern zahlen. Von der im Staate beliebten Verkehrspolitik hängt es unter anderem ab, ob es der Proletarierin und den ihrigen möglich ist, an einem anderen Orte lohnende Beschäftigung suchen zu können, oder ob durch hohe Personentarife die Freizügigkeit eingeschränkt und damit auf Umwegen das Koalitionsrecht estamotiert wird. Die Urteile der Justiz beeinträchtigen dieses Lebensrecht der werktätigen Massen leider sehr oft, ganz zu schweigen von den harten, grausamen Richtersprüchen gegen Angehörige des Proletariats, von Richtersprüchen, die wir als Klassenurteile empfinden, welche in striktem Gegensatz zu dem Rechtsbewußtsein des Volkes stehen. Die Allmacht der Polizei bekommen nicht nur kämpfende Proletarier, sondern auch wehrlose Frauen und Mädchen zu kosten. Die Arretierung und Bestrafung von Streifposten ist so bekannt, wie die Belästigung, Verhaftung und polizeiärztliche Untersuchung von Frauen und Mädchen, die ganz unberechtigterweise als Prostituierte verdächtigt wurden. Auch von anderen„ hübschen" Sachen sollen die Polizeiwachen recht viel zu erzählen wissen.
Gesindeordnung und Ausnahmegesetzgebung gegen die ländlichen Arbeiter, zwei Überbleibsel des finsteren Mittelalters, hindern auch die Proletarierin, welche als„ Gesinde" oder als Landarbeiterin ihr Brot verdient und sich aus eigener Kraft, durch den Zusammenschluß mit den Leidensgefährten, ein besseres Dasein erringen möchte. Sie liefern sie der uneingeschränkten Ausbeutung ihrer Brotherrn" aus. Dem Mangel eines Wohnungspflege- und Fürsorgegesetzes ist es geschuldet, daß Tausende und aber Tausende Proletarierfamilien in dumpfen, feuchten, dunklen und deshalb ungesunden Wohnungen hausen müssen und dafür noch von den Hausagrariern ausgewuchert werden. Reaktion und Rückständigkeit wohin man blickt.
Die Krönung des reaktionären Gebäudes aber ist zweifellos das, elendeste aller Wahlgefeße" zum preußischen Abgeordnetenhaus. Es nimmt nicht nur den Frauen, sondern auch dem männlichen Proletariat sogut wie jeden Einfluß auf die Gestaltung der oben erwähnten und aller übrigen Fragen, die über die vitalsten Inter
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essen der Arbeiterschaft entscheiden. Nicht genug, daß das Wahlgesez die Dreiklassenwahl vorschreibt, es setzt außerdem noch die indirekte und die öffentliche Wahl fest. Die Sozialdemokratie beteiligte sich deshalb bisher nicht an den Wahlen zum preußis schen Landtag. Das Wahlunrecht sollte durch eine Propaganda für die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechtes bekämpft werden. Die Taktik des Kampfes gegen dasselbe ist jedoch geändert worden. Heuer tritt die Sozialdemokratie zum ersten Male in die Wahlkampagne zum preußischen Landtag ein. Soll ihre Beteiligung von dem ge= wünschten Erfolg begleitet sein, dann heißt es die Massen begeistern, entflammen, ihre Erbitterung, ihre Empörung geradezu aufstacheln. Die Empörung ob ihrer Rechtlosigkeit bei der Entscheidung der wichtigsten Fragen in dem größten deutschen Bundesstaat. Die Empörung ob der sich stetig steigernden reaktionären Zusammensetzung des Landtags und damit der sich stetig steigernden reaktionären Maßnahmen desselben. Die Massenbeteiligung des Proletariats bei der Wahl muß unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß dieses es satt hat, von der junkerlich- klerikalen Mehrheit des Landtags sich unterdrücken und entrechten zu lassen. Gelingt es der Sozialdemokratie außerdem noch, einzudringen in den Landtag, im Junkerparlament eine Tribüne zu erobern, von der aus in der schonungslosesten Weise Kritik geübt werden kann an der reaktionären, volksfeindlichen Politik der Junker, Kleriker und Kapitalistensippe, von wo aus die Massen zum flammenden Protest hiergegen aufgerufen werden können, um so besser. Eine Massenbewegung in Fluß zu bringen ist unsere nächste Aufgabe, Aufflärung über die Rechtlosigkeit der Masse das nächste Mittel dazu. Dabei sollt ihr Frauen, ihr dreimal Entrechteten, ihr hundertfach Interessierten, mithelfen. Soll der Junkerhort gestürmt werden, darf niemand fehlen. darf niemand fehlen. Darum vorwärts! Es gilt hohen Preis: Freiheit und Recht!
Berichtigung.
Der Leitartikel der letzten Nummer dieser Zeitschrift:„ Auf der Antlagebant", enthält leider einen bedauerlichen Irrtum. Der Vater des schmählich zu Tode geprügelten Knaben ist nicht der Reichsbankdirektor Koch, wie es daselbst heißt, sondern der Direktor der Deutschen Bank, der antisemitische Kommerzienrat Rudolf Koch . Die irrtümliche Angabe wurde von süddeutschen Tagesblättern übernommen, und erst als die letzte Nummer der ,, Gleichheit" schon gedruckt vorlag, tamen uns Zeitungen zu Gesicht, welche die unliebsame Verwechslung richtig stellten. Der im besten Glauben unterlaufene Irrtum ist uns um so peinlicher, als im Prozeß gegen das Ungeheuer Dippold die Tatsachen ein besonders anklagendes und vernichtendes Urteil über das bourgeoise Batergewissen des Herrn Kommerzienrats fällen. Ein Urteil, dem ganz andere Schärfe und Beweiskraft innewohnt, als den hirnlosen Mätzchen, mit denen sich der edle Ritter Eugenius seinerzeit über die Erziehungseinrichtungen des„ Zukunftsstaats" entrüstete. Die Redaktion der ,, Gleichheit".
Die Frauen unter dem Ausnahmegesek.
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Am 21. Oktober hat es sich zum fünfundzwanzigstenmal gejährt, daß das Sozialistengesetz erlassen wurde, daß die Diktatur der besitzenden Klassen über die proletarischen Massen sich zu jener brutal niederträchtigen Ausnahmemaßregel zuspitzte, die der Dichter mit den Worten brandmarkt:„ Es steht ein Blatt geschrieben im Buch der deutschen Schmach." Die Presse des gesamten Proletariats hat die genannten und ungenannten Helden und Märtyrer gefeiert, die mit unvergleichlicher Energie, Treue und Opferfreudigkeit das Schandgesetz zu Boden gerungen haben. Und wahrlich: wer da weiß, wie bedingungslos, schonungslos einem starten, eifrigen Gott gleich, der keine anderen Götter neben sich duldet der Kampf für die Gleichberechtigung der klassenbewußten Arbeiterbewegung in jenen schweren Zeiten den ganzen Menschen einforderte; welche hohe Ansprüche er tagtäglich an den einzelnen stellte: der muß billig zugeben, daß kein Wort des Lobes für die Tapferen und Edlen zuviel gesagt worden ist, zuviel gesagt werden konnte. Aber eins haben wir in all den Artikeln vermißt, welche des Unsterblichen gedachten, das deutsche Proletarier in den Jahren des Ausnahmegesetzes geleistet Auch nicht ein einziger hat gerecht rühmend den Anteil erwähnt, den die proletarischen Frauen an dem Kampfe zur Unschäd