Nr. 2

Die Gleichheit

15. Jahrgang

eeee Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen eraƏRLƏRLƏR

2:

Die Gleichheit" erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Juhalts- Verzeichnis.

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Aufruf der Vertrauensperson. Der Kampf im Ruhrgebiet  . Die weibliche Gewerbeaufsicht im Deutschen Reich. I. Von Emanuel Wurm  . Mahnung. Von Prof. Dr. A. Dodel. Die Prole tarierin im Reiche der rheinisch- westfälischen Großinduſtrie. Von W. D. Aus der Bewegung: Aufruf an die Genosfinnen. Von der Agitation. Die Beteiligung der Genoffinnen am Partei­tage der Sozialdemokratie in Preußen. Die Haltung der Frauen beim Bergarbeiterstreif im Ruhrgebiet  . Bon Agnes Plum- Essen. Eintreten der Berliner   Genoffinnen für den kommunalen Schuß von Mutter und Säugling. Agitationsberichte aus Bayern  . Von W. Kähler. Louise Michel+ Notizenteil: Genossenschaftliche Rundschau. Von Simon Katzenstein  . Kommunale Fürsorge für Mutter und Kind. Frauen bewegung. Feuilleton: Begräbnis während des Ausstandes. Von Ada Negri  . ( Gedicht.) Unbesieglich. Von Ludwig Pfau.  ( Gedicht.)- 3m Armenhause. Von Ada Christen  .

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Stuttgart   den 25. Januar 1905

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Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Frau Klara Zetkin  ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

forderung hinzufügend, hat es jedes Entgegenkommen, Einstellung der Förderung auf kleinen Zechen raubte jede Verhandlung abgelehnt. Es pocht auf die ungeheuren vielen mit dem Brot die Heimat, an welcher sie mit Machtmittel, über die es im Wirtschaftsleben und im westfälischer Zähigkeit hingen. Scharen von Ausländern, Staat verfügt, Machtmittel, groß genug, um die Staats- Polen, Italiener  , Kroaten  , wurden als Lohndrücker von gewalt zum Kuschen zu bringen wie die Hibernia- den waschecht patriotischen Kapitaliſten ins Land ge affäre zeigt, sofern sie sich nicht von vornherein als rufen. Auf manchen Werken spotten die sanitären Ein­dienstwilliger Büttel der Zechenmagnaten erweist was richtungen jedem sanitären Bedürfnis, die Vorkehrungen in den Kämpfen zwischen diesen und den Arbeitern bisher gegen Unglücksgefahr sind äußerst mangelhaft. Auf noch stets der Fall gewesen ist. anderen wieder zeigt sich eine schamlose Günstlings­Das Grubenkapital will den Krieg. Er soll seine wirtschaft, die einzelnen Strebern gutes Gedinge zu­Interessen fördern, indem er das Verschlucken der kleinen schanzt, B rgarbeiter mit steifem Rückgrat und Kamerad­Bechen durch die großen beschleunigt; ein Feigenblatt schaftsgefühl dagegen benachteiligt und schikaniert. Der vor das profitwütige Stilllegen der minder ertragsreichen immer mehr grassierende Reserveleutnants- und Unter­Gruben hängt; der Erweiterung und Vertruftung der offizierston verletzt. Wer in der Gewerkschaftsorgani­Betriebe Vorschub leistet; den Kampf der gemischten gegen fation rührig tätig ist, wem ein Vertrauensposten über­die reinen Werke in der Eisenindustrie begünstigt und tragen wird, der muß erwarten, unter dem ersten besten damit die angestrebte Allianz von Eisen und Kohle in Vorwand die Abkehr zu erhalten. Die bescheidenen schnelleren Fluß bringt. Mit anderen Worten: das im Forderungen der Bergleute nach Anstellung selbstge­Einen Riesenkampf zwischen Arbeit und Kapital haben Kohlenbau ausbeutende und herrschende Kapital will eine wählter Grubendelegierter und Wagenkontrolleure finden die Grubenbesitzer im Ruhrgebiet   aus Eigennutz und größere Konzentration des Wirtschaftslebens. Dies aber fein Gehör. Die Deputatkohle, die sie für den Haus­Herrschsucht freventlich heraufbeschworen. Mit den kämpfen nicht etwa aus Rücksicht auf die fortschrittlichen Tendenzen, brand zu halbem Verkaufspreise erhalten, wurde in den Männern zusammen müssen viele Hunderttausende die einem solchen eignen, sondern lediglich zu Nutz und letzter Zeit unpünktlich geliefert oder wohl auch ver­Frauen und Kinder seine Lasten und Opfer tragen. Frommen seines Profits. Sie ermöglicht ihm ja die weigert. Die vertragsbrüchigen Millionäre rechnen darauf, daß rücksichtsloseste Schröpfung der Konsumenten, wie die der Hunger das Recht der Gewalt unterwerfe. Nur stärkste Ausbeutung und Knebelung der Produzenten, wenn das gesamte Proletariat seine volle Schuldigkeit der Arbeiter.

Genossinnen!

Berlin  , den 19. Januar 1905.

Kurz, eine Fülle von schreienden Mißständen hat reich­lich Grund zu gärender Unzufriedenheit geschaffen. Von ihrer Gesamtheit wuchtet übermächtig die Empfindung zur Unterstützung der Streifenden und ihrer Familien Die Arbeiter niederzuwerfen, wehrlos zu machen, das auf die Berg cute nieder, daß der vielbesungene freie tut, kann die Hoffnung der Herren zuschanden werden. ist das innig gewünschte Ziel, das für die Werksbesitzer Arbeiter" in Wirklichkeit ein Unfreier, ein Sflave ist, Der Vorstand der sozialdemokratischen Partei und die im Brennpunkte des Kampfes steht. Er gilt vor allem der brutalen Willfür und nimmersatten Habsucht einer Gewerkschaften haben zu tatkräftiger Hilfe aufgerufen. der Zertrümmerung der gewerkschaftlichen Organisation rohen und gewissenlosen Unternehmerkaste preisgegeben. Genossinnen, leistet diesem Rufe Folge und sorgt dafür, der Arbeiter. Der grimme Haß gegen sie züngelt aus Zur Abwehr der und jener Verschlechterung, zur Er­daß keine Arbeiterfrau, feine Arbeiterin ihn überhört! der Antwort des Vereins für bergbauliche Interessen", ringung der und jener Verbesserung ihrer Lage sind die Jede muß ihr Scherflein darbringen, um von den der Unternehmervertretung. Nicht mit den Vertretern Kohlengräber in den Ausstand getreten oder richtiger Schwestern und Brüdern im Ruhrrevier das bitterste Elend der gesamten Belegschaften, nicht mit einer fest zusammen von ihren Ausbeutern in den Ausstand gehetzt worden. und damit die Niederlage abzuwenden. Genossinnen, laß geschlossenen Gemeinschaft wollen die Herren unterhandeln, Aber der tiefe, bei allen einzelnen Forderungen mit euch ferner angelegen sein, eine rege Beteiligung der nur mit ihren" einzelnen Arbeitern. Natürlich! Sie schwingende Grundton ihres Kampfes ist das mit ur­Frauen an den Sympathiekundgebungen für die Streifen- wissen, daß sie von der wirtschaftlichen Schwäche der wüchsiger Gewalt hervorbrechende Bewußtsein des unüber­den herbeizuführen, solche Sympathiekundgebungen an einzelnen Arbeiter alles zu hoffen, von der Macht der brückbaren Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit. Die zuregen und die Genossen bei allen Maßnahmen zu unter- Organisation alles zu fürchten haben. Um die Organi Ausgebeuteten lehnen sich gegen das System der Aus­stützen, welche die Kriegskasse füllen sollen. Schreckt vor sation der Bergarbeiter wird der Kampf am heißesten beutung selbst auf, ihr proletarisches Klassenempfinden feinem Opfer zurück und scheuet keine Mühe, um eure entbrennen, wenn auch andere Momente sein Ausgangs- revoltiert gegen die Klassenherrschaft des Grubenkapitals, Pflicht zu erfüllen. Unser aller Feind ist es, der die punkt gewesen sind. ihr Rechtsgefühl gegen dessen Geldsacksgewalt. Daher Bergarbeiter niederzwingen will. Ihr Kampf muß unser Auf seiten der Lohnsflaven des Grubenkapitals hat die leidenschaftliche Empörung, welche das Grubenprole­aller Kampf sein. Auf, helfen auch wir ihnen siegen. bekanntlich die Verlängerung der Seilfahrt den Ansioß tariat des Ruhrreviers durchzittert, mag es für die Mit Parteigruß zur Streitbewegung gegeben. Die Verlängerung der Sozialdemokratie stimmen oder sich noch vom Zentrum Seilfahrt läuft auf eine Ausdehnung der Schichtdauer nasführen lassen, mag es deutsch   oder fremdsprachig hinaus, sie bedingt einen längeren Aufenthalt unter Tag. flagen und fordern. Daher die unwiderstehliche Gewalt, Ottilie Baader  Ein längeres Atmen und Arbeiten in einer Atmosphäre mit welcher die Ausstandsbewegung, einem nicht zu bän­Vertrauensperson der Genossinnen Deutschlands  . und unter Bedingungen, welche an und für sich schon digenden Naturereignis gleich, die Bevölkerung mit fort­der Gesundheit schädlich genug sind! Verlängerung der reißt. Nicht zwischen den einzelnen Belegschaften und Schichtdauer besagt für den Kohlengräber in dürren Grubenverwaltungen ist der Kampf entfacht, Klasse steht Der Kampf im Ruhrgebiet  . Worten: Verkürzung des Lebens in Luft und Licht, Ver gegen Klasse. Das aber nicht bloß in der Kohlenindustrie, sondern Was sich seit Wochen ankündigte, hat sich erfüllt. Am fürzung der Lebenskraft, ja der Lebensdauer selbst! Da­17. d. M. haben die Vertreter der Bergarbeiterorgani- von zu schweigen, daß der längere Aufenthalt in der im ganzen Deutschen Reiche. Hinter den steifnackigen sationen jeder Richtung den Generalausstand beschlossen. Grube die Zeit und Kraft mindert, welche der Bergmann Grubenbaronen stehen ihre kapitalistischen Brüder in Beschließen müssen, sicherlich nicht leichten Herzens, viel- seiner Familie, seiner Erholung und Bildung zu widmen der Auswucherung der proletarischen Arbeitskraft auf mehr im vollen Bewußtsein der Härte, Erbitterung und vermag! Die Achtstundenschicht ist ein geschichtlich ge- anderen Gebieten; hinter ihnen stehen aber auch die Gefahren des bevorstehenden Riesenkampfes und der ernsten heiligtes und verbrieftes Recht der Bergarbeiter. In bürgerlichen Parlamente und Regierungen. Oder glaubt Verantwortung, die er den Organisationen und den einem opferschweren, blutgetränkten Kampfe haben sie etwa jemand, diese Distelsträucher unseres öffentlichen Organisierten auferlegt. Nachdem zuerst die Belegschaft es 1889 gegen die vereinigte Macht von Kapital und Lebens würden etwas anderes als Stacheln für die der Zeche Bruchstraße" in den Streit getreten war, um Staat behauptet. Und was damals betreffs der Dauer Arbeiter geben? Eine Regierung, in welcher der lange die angesonnene Verlängerung der Schichtdauer abzu- der Schicht und der Seilfahrt in dem sogenannten Frie Möller" betriebsam die einträglichen Geschäfte des Kapi­schlagen, griff die Ausstandsbewegung mit elementarer densprotokoll" festgelegt worden ist- Achtstundenschicht, tals besorgt; ein Reichstag, dessen Zierden die Beumer Gewalt um sich. Binnen wenigen Tagen hatte sie gegen Seilfahrt von zusammen höchstens einer Stunde, das und Kardorff sind; ein Abgeordnetenhaus, das nach jeder 80 000 Kohlengräber erfaßt. Der Generalstreif wird wollen sie sich heute nicht durch eine vertragsbrüchige Richtung hin unfruchtbarer und volksfeindlicher ist als das Reichsparlament! 200 000 Bergarbeiter mit verschränkten Armen auf das Ausbeuterflique entreißen lassen. Se's drum! Die Grubensflaven haben's gewagt. Blachfeld des Klassenkampfes führen, ein wirtschaftliches Die ihnen zugemutete heimtückische Ausdehnung der Streiterheer, wie es Deutschland   noch nie gesehen. Bei Schichtdauer ist jedoch nur der letzte Tropfen gewesen, Sie haben ihnen den frech ins Antlitz geschleuderten der Rolle der Kohle im modernen Wirtschaftsleben muß welcher den Eimer der Empörung zum Überlaufen brachte. Fehdehandschuh aufgehoben. Nun gilt es, dem über­das gesamte ökonomische Getriebe erschüttert werden, Welche Last wachsender übel drückt nicht die Hörigen starken Feind nicht zu unterliegen. Seinen Machtmitteln wenn der starke Arm des Grubenproletariats die Zechen der Grubenaristokratie! Die Löhne sind trotz gestiegener müssen die Ausständigen die feste Geschlossenheit ihrer stilllegt. Ein eindringlicher Beweis für die Gemein- Produktivität der Arbeit und ungeachtet einer starken Ver: Reihen entgegenstellen, die feste Einheitlichkeit und eiserne schädlichkeit des Privatbesizes, dessen Raffgier den Kampf teuerung der Lebensbedürfnisse gesunken. Familienväter Disziplin, mit der sie fämpfen. Das Proletariat der heraufbeschworen hat. haben in den letzten Zeiten Monatslöhne von sechzig Marf ganzen Welt, vor allem aber das deutsche   Proletariat Das Grubenkapital, verkörpert in den Herren Stinnes, heimgebracht. Das verhaßte Wagennullen, das nach Gunst wird ihnen als nichtversagender Bundesgenosse mit treuer Thyssen, Kirdorf   und einer Handvoll weiterer Millionäre, und Gabe oder nach Laune erfolgt und sich zu skrupelloser Solidarität zur Seite stehen. Nicht die Männer allein, auch die Frauen der werk­hat es so gewollt. Mit ausgesuchter Brutalität und Betrügerei zuspißt, fürzt im Verein mit leicht verhängten Prozigkeit, dem starren Nein seiner Antwort auf die Strafen den Verdienst. Die Wurmkrankheit hat furcht- tätigen Massen ruft der tobende Riesenkampf zur erhobenen Forderungen die Verhöhnung und Heraus- bares Unheil über Zehntausende Familien gebracht. Die Pflichterfüllung. In erster Linie aber die Proletarie­