Nr. 7Die Gleichheit41Beim Weißenfelser Schuhmacherausstand, derseit Mitte Februar dauert, haben sich die Dinge wenig verändert. Beide gewerkschaftliche Organisationen(Verbanddeutscher Schuhmacher und Hirsch-Dunckerscher Gewerkverein)führen den Kampf ungeschwächt fort, und Arbeiter und Arbeiterinnen halten treu zur Fahne. 3000 Personen warenanfangs ausständig; 23 kleinere Betriebe mit etwa S00 Arbeitern und Arbeiterinnen haben den Tarif unterschristlichanerkannt. Ein paar Großunternehmer, welche die Leitungdes Fabrikantenvereins in Händen haben, kehren jedoch nachwie vor den Protzen heraus und lehnen auch die Bemühungen des Einigungsamtes ab. Sie haben eine großeAnzahl Ausständige— man spricht von 1000— auf dieschwarze Liste gesetzt. Beide Arbeiterorganisationen stehenfinanziell gut und können, wenn die Ausständigen zuverlässigbleiben, den Kampf siegreich durchführen.Im Textilgewerbe sind wieder eine stattliche Reihelokaler Ausstände zu verzeichnen, von denen wir nur diebedeutendsten kurz erwähnen können. Ein Ausstand inChemnitz mußte um deswegen als aussichtslos aufgegebenwerden, weil sich die Arbeiterinnen vom Chef durch allerhand Versprechungen bereden ließen, sich nicht mit den Ausständigen solidarisch zu erklären. Mit vollem Erfolg endetedagegen nach siebenwöchiger Dauer ein Streik in Kassel;die Firma erkannte den Lohntarif an. Denselben Ausgangnahm nach dreitägiger Dauer ein Ausstand in Linden, derdie Entlassung eines Werkführers und die Wiedereinstellungeines Webers und seiner Frau als Erfolg hatte. Das einmütige Handeln von sechs Kurbelstickern und drei Arbeiterinnen in einer Berliner Fabrik hatte als Ergebnis, daß,nachdem die Arbeit am Morgen eingestellt worden, der Arbeitgeber am Abend Lohnerhöhungen von 15 bis 20 Prozentbewilligte, denn ein Versuch, Ersatzkräfte zu bekommen, warmißglückt. In Gera, Springe und Eilenburg bestehenDifferenzen, an denen Arbeilerinnen besonders beteiligt sind,und die sehr viel Aussicht auf Erfolg haben. In BerlinerTeppichfabriken ist eine Bewegung im Gange, die als Forderungen stellt: neunstündige Arbeitszeit, für Arbeiter undArbeiterinnen 15 Prozent Lohnerhöhung, Bezahlung allerNebenarbeiten mit 4V Pfennig pro Stunde und Anerkennungeines Arbeiterausschusses.— Von einem empörenden Vorgang wird aus Mülhausen i. E. berichtet. In einerdortigen Fabrik mußten sich 100 Frauen und Mädchen beimVerlassen der Arbeit einer Leibesvisitation seitens derPförtnerin vor den Augen des Herrn Fabrikanten unterwerfen. Die Frauen„mußten" die Röcke aufheben, ihreHosen wurden betastet usw. Dumm genug, daß die Arbeiterinnen sich fügten, zumal ihrer so viele waren! Dem HerrnUnternehmer hätte die einzig gebührende Antwort nicht erspart bleiben sollen, wir wetten, er würde sich dann solcherUnverschämtheiten nicht zum zweitenmal erdreisten.Die Arbeiterinnen des Glühlampenwerks von SiemensSe Halske in Berlin, die sich schon kürzlich sehr tapferzeigten, haben neuerdings nach dreitägigem Streike durchden Arbeiterausschuß eine Vereinbarung mit der Betriebs-leitung erzielt, die sie völlig befriedigt. Wie der Streik ineiner Fischkonservenfabrik zu Harburg ausging, überden wir in Nr. 5 berichteten, ist uns nicht bekannt.Ein großer Ausstand war in München zu verzeichnen, woselbst sich der Fabrikarbeiterverband der Gummiarbeiter und-Arbeiterinnen einer Firma annahm undfür deren gesundheitsschädigende und schwere Arbeit Lohnerhöhungen verlangte. Die Direktion verstand sich anfangsnur zu einem mehr wie bescheidenen Zugeständnis, und sobeschloß die Fabrikversammlung, auf den Forderungen zubestehen. Zirka 1000 Arbeiter und Arbeiterinnen traten inden Kampf, der mit vollem Erfolge endete. Die Direktionhat sich verpflichtet, die geforderten Löhne zu zahlen, sie hatdie Organisation anerkannt und mit ihr einen Vertrag aufein Jahr abgeschlossen.Unter den inZeitungsexpeditionen beschäftigtenFrauen in Berlin soll eine nachhaltige Agitation für denBeitritt zur Gewerkschaft bettieben werden. In einer Versammlung, die zu diesem Zwecke einberufen worden, äußerteein Genosse die Ansicht, daß das in Parteiexpeditionen angestellte Personal sich nicht zu organisieren brauche, da seineWünsche doch sicher Berücksichtigung erfahren. Diese Meinungwurde jedoch mit Recht entschieden bekämpft. Die in Parteiexpeditionen beschäftigten Frauen, so wurde besonders betont, müssen gerade bei der Organisierung mit leuchtendemBeispiel vorangehen.Der Schneiderverband entfaltet in Berlin eine regeAgitation unter den Arbeiterinnen der Konfektion.In Flugblättern wird an die gewerkschaftlich und politischorganisierten Arbeiter appelliert, ihre Frauen und Töchterzum Eintritt in den Verband anzuhalten und sie nicht alsGelegenheitsarbeiterinnen zu wahren Jammerlöhnen für dieKonfektionäre arbeiten zu lassen. Auf 40000 wird für Berlindie Zahl der in der Konfektion beschäftigten Arbeiterinnengeschätzt. Der Schneiderverband hat bekanntlich sehr wenigweibliche Mitglieder. Eine lebhafte, frische Agitatton unterden Arbeiterinnen des Gewerbes tut also bitter not, zumaldie Arbeitsverhältnisse in der Konfektion bekanntlich himmelschreiende sind. Hoffentlich hören wir von größeren Erfolgen!°Notizenteil.Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.Zur kräftigen Agitation unter den Arbeiterinnen derHolzindustrie fordert der Vorstand des Holzarbeiterverbandes alle Zahlstellenverivaltungen auf. Er empfiehlt,daß jede Zahlstelle ein Mitglied der Lokalverwaltung mitder besonderen Aufgabe bettaut, die Agitation zur Gewinnung der Arbeiterinnen zu leiten. Die Anregung ist zu begrüßen und wird um so reichere Früchte tragen, wenn dieBeauftragten der Zahlstellen in planmäßiger Weise gewerkschaftlich tüchtig geschulte Arbeiterinnen zur Kleinagitationunter ihren Berufsgenossinnen heranziehen, beziehungsweisewenn sie sich bemühen, ihre weiblichen Mitglieder in denWerkstubenversammlungen usw. für die agitawrische undorganisatorische Mitarbeit zu erziehen. Die weiblichen Mitglieder des Holzarbeiterverbandes ihrerseits müssen die Zahlstellen bei Durchführung der Anregung energisch unterstützen.Jede dem Verband angeschlossene Arbeiterin sollte sich alsseine Agitatorin fühlen und ihre ganze Kraft aufbieten, ihmdie Frauen und Mädchen zuzuführen, welche mit ihr zusammen arbeiten, entbehren und leiden. Wirken die Beauf-ttagten der Organisation und die weiblichen Mitglieder mitpraktischem Sinn und treuer Ausdauer zusammen, so wirdder seit Jahren stagnierende weibliche Mitgliederstand desHolzarbeiterverbandes wachsen. Zunahme der Zahl derorganisierten Arbeiterinnen der Holzindustrie besagt aber Zunahme der Möglichkeit, bessere Arbeitsbedingungen zu erringen. Arbeiterinnen der Holzindusttie, ihr nehmt eureeigensten Interessen wahr, wenn ihr die Bemühungen desVerbandsvorstandes unterstützt, die in der Holzindustriefrondenden Frauen und Mädchen zu Schutz und Trutz zusammenzuschließen!Die Heranbildung weiblicher Agitatoren wurde aufder Konferenz der Textilarbeiter und-Arbeiterinnen von Rheinland(rechtsrheinisch), Westfalen undHessen befürwortet, die in Barmen tagte. Der DelegierteKastrop trat im Aufttag seiner Mandatgeber von Bielefeld dafür ein, daß der Gauvorstand in Verbindung mitdem Verbandsvorstand sich mit der Frage befasse. DerWunsch ist begreiflich. In Rheinland und Westfalen hatsich die proletarische Frauenbewegung viel später zu entwickeln begonnen als in anderen Teilen Deutschlands.Nur langsam wachsen geschulte weibliche Kräfte für dieMitarbeit in der modernen Arbeiterbewegung heran.Auf der anderen Seite aber stehen viele ZehntausendeTextilarbeiterinnen der Gewerkschastsorganisatton noch völliggleichgültig, ja ablehnend gegenüber. Die jederzeit disponiblen agitatorischen und organisatorischen Kräfte reichennicht aus, das weite Feld zu bestellen. Wie die Dinge liegen,müßten die Zahlstellen des Textilarbeiterverbandes— wieanderer Organisationen, für welche die Frauenarbeit vonWichtigkeit ist— sich angelegen sein lassen, durch Heranziehung organisierter Frauen zu den Werkstubensitzungen,zur Verwaltungsarbeit usw. gewerkschaftliche Agitatorinnenund Organisatorinnen heranzubilden. Ferner schiene es unsempfehlenswert, daß für das so bedeutende Gebiet derrheinisch-westfälischen Textilindustrie eine gewerkschaftlichtüchtig geschulte Frau als Gewerkschaftsbeamtin angestelltund mit der Leitung der Agitation unter den Arbeiterinnenbekaut würde.Die Notwendigkeit reger Agitation unter den Arbeiterinnen des Schneidergcwerbcs wurde auf der Konferenzdes Id.Agitationsbezirkes des Schneiderverbandeseingehend nachgewiesen. Die Konferenz tagte in Berlin.Besonders war es Genossin Grünberg-Berlin, die inüberzeugender Weise begründete, daß es unerläßlich sei, derOrganisierung der Arbeiterinnen die höchste Aufmerksamkeitzuzuwenden. Ihre Ausführungen wurden von mehrerenDelegierten unterstützt und ergänzt. Wiederholt wurde betont, daß es Pflicht aller organisierten Arbeiter sei, ihreerwerbstätigen Frauen und Töchter der Gewerkschaft zuzuführen._Weibliche Fabrikinspektoren.Die weibliche Gewerbeaufsicht war im preußischenAbgeordnetenhaus Gegenstand der Verhandlung. DerFreisinnige Hirsch trat für die Anstellung weiterer weiblicher Gewerbeinspektoren und für die Hinzuziehung vonAssistenten aus der Arbeiterklasse ein. Die Regierung verhielt sich diesen Wünschen gegenüber ablehnend. Obgleichseit Jahren Assistentinnen der Gewerbeaufsicht ihres Amteswalten, weiß sie noch immer nicht, ob der„Versuch" mitder Verwendung von Frauen geglückt ist. Ein besondererErfolg der Neuerung habe sich nicht gezeigt. Gewissenhaft,wie der Herr sie in seinem Zorn geschaffen, kann sie sichdaher nicht entschließen, auf dem eingeschlagenen Wege weiterfortzuschreiten. Angehörige der Arbeiterklasse will die Regierung erst recht nicht bei der Gewerbeaufsicht verwenden.Einmal weil diese keine Autorität bei den Arbeitgebern besäßen— als ob der Staat ihnen diese Autorität nicht leich-tiglich verleihen könnte!—, dann aber weil ihr Wirken nurder Sozialdemokratte fruchten würde. Ahnliche Erklärungenwaren schon in der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses gefallen, als dieses über die Gewerbeinspektion verhandelte. Sie würden merkwürdig anmuten, wenn sie nichtim preußischen Geldsacksparlament und von feiten derscharfmacherfrommen preußischen Regierung gefallen wären.In diesem Parlament aber und im Munde dieser Regierungsind sie nur natürlich. Dornen können keine Feigen undDisteln keine Trauben tragen.Die Anstellung von Fabrikinspektorinncn fordert inihrem Programm die Arbeiterinnensektion des Bundesungarischer Frauenvereine. Das Verlangen wird damitbegründet, daß die Arbeiterinnen durch gesetzliche Maßregelnungenügend geschützt seien.Für die Anstellung von Mrs. Florenee Kellcy alsstaatlicher Fabrikinspcktorin in Neuyork ist eine lebhafteAgitation im Gange. Florenee Kelley hat sich als Fabrik-inspektorin von Illinois die größten Verdienste für denAusbau und die Durchführung der Arbeiterschutzgesetzgebungerworben. In Anerkennung desselben wurde sie von demzur politischen Macht gelangten republikanischen Kapitalistenklüngel aus ihrem Amte vertrieben.Sittlichkeitsfrage.Ein internationales Abkommen zur Bekämpfnng deSMädchenhandels ist in Paris am 18. Mai 1904 von denRegierungen Deutschlands, Dänemarks, Frantteichs, Großbritanniens, Italiens, Schwedens und Norwegens, Rußlands,der Schweiz und Spaniens unterzeichnet worden. Kürzlichwurde es vom Reichskanzler dem Reichstag zur Kenntnisnahme vorgelegt. Nachstehend die vereinbarten Verwaltungsmaßregeln:„Jede der vertragschließenden Regierungen verpflichtet sich,eine Behörde zu errichten oder zu bestellen, der es obliegt,alle Nachrichten über Anwerbung von Frauen und Mädchenzu Zwecken der Unzucht im Auslande an einer Stelle zusammeln; diese Behörde soll das Recht haben, mit der injedem der anderen verttagschließenden Staaten errichtetengleichartigen Verwaltung unmittelbar zu verkehren.Jede der Regierungen verpflichtet sich, Überwachung ausüben zu lassen, um, insbesondere auf den Bahnhöfen, in denEinschiffungshäfen und während der Fahrt, die Begleitervon Frauen und Mädchen, welche der Unzucht zugeführtwerden sollen, ausfindig zu machen. Zu diesem Zwecke sollenan die Beamten oder alle sonst dazu berufenen PersonenWeisungen erlassen werden, um innerhalb der gesetzlichenGrenzen alle Nachrichten zu beschaffen, die geeignet sind, aufdie Spur eines verbrecherischen Geschäftstreibens zu führen.Die Ankunft von Personen, welche offenbar Veranstalter,Gehilfen oder Opfer eines solchen Geschäftstreibens zu seinscheinen, soll gegebenenfalls den Behörden des Bestimmungsortes, den beteiligten diplomatischen oder konsularischenAgenten oder jeder sonst zuständigen Behörde gemeldet werden.Die Regierungen verpflichten sich, gegebenenfalls innerhalbder gesetzlichen Grenzen die Aussagen der Frauen undMädchen fremder Staatsangehörigkeit, die sich der Unzuchthingeben, aufnehmen zu lassen, um ihre Identität und ihrenPersonenstand festzustellen und zu ermitteln, wer sie zumVerlassen ihrer Heimat bestimmt hat. Die eingezogenenNachrichten sollen den Behörden des Heimatlandes der besagten Frauen und Mädchen behufs ihrer etwaigen Heimschaffung mitgeteilt werden.Die Regierungen verpflichten sich, innerhalb der gesetzlichen Grenzen und soweit es geschehen kann, die Opfereines verbrecherischen Geschäftstreibens, wenn sie von Mittelnentblößt sind, öffentlichen oder privaten Unterstützungsanstaltenoder Privatpersonen, welche die erforderlichen Sicherheitenbieten, im Hinblick auf etwaige Heimschaffung vorläufig anzuvertrauen.Die Regierungen verpflichten sich auch, innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach Möglichkeit diejenigen unter diesenFrauen und Mädchen nach ihrem Heimatland zurückzusenden,welche ihre Heimschaffung nachsuchen oder welche von Personen, unter deren Gewalt sie stehen, beansprucht werdensollten.Falls die heimzuschaffende Frauensperson(Frau oderMädchen) die Kosten ihrer Beförderung nicht selbst zurückerstatten kann und weder Ehemann, Eltern noch Vormundhat, die für sie zahlen würden, so sollen die Kosten derHeimschaffung dem Lande, auf desfen Gebiet sie sich aufhält,bis zu der Grenze oder dem Einschiffungshafen, die in derRichtung nach dem Heimatlande die nächsten sind, zur Lastfallen und im übrigen das Heimatland belasten.Die verttagschließenden Regierungen verpflichten sich, innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach Möglichkeit eine Überwachung der Bureaus und Agenturen auszuüben, die sichdamit befassen, Frauen und Mädchen Stellen im Auslandzu vermitteln."Das Abkommen ist die Frucht der rührigen Agitation,welche seit Jahren von Sittlichkeitsvereinen und bürgerlichenFrauenrechtlerinnen gegen den scheußliche» Mädchenhandelentfaltet worden ist. Im großen ganzen eine papiereneFrucht. Die festgelegten Verwaltungsmaßregeln mögen ineinzelnen Fällen grauenhafte Schmach, entsetzliches Unrechtverhindern. Sie sind ohnmächtig, den Mädchenhandel imallgemeinen zu beseitigen. Er bleibt die unabwehrbareBegleiterscheinung der Prostitution, des Bordellwesens, wiedie Prostitution die unvermeidliche Begleiterscheinung derbürgerlichen Ordnung bleibt. Wir werden das in der Folgeeingehend nachweisen.Frauenbewegung.Eine Ärztin beim Siechenhaus am Sandhof inFrankfurt a. M. ist kürzlich angestellt worden. Es istFräulein vr. Kehr, welche bereits längere Zeit als Volontärin an der Anstalt tätig war.Zur Beachtung!Alle auf die Agitation unter den proletarischenFrauen bezüglichen Briefe und Sendungen sind zurichten an:Ottilie BaaderVerttauensperson der Genossinnen Deutschland?Berlin L. SZ, Blücherstraße 49, Hof ll.