l5. Jahrgang ' Nie Gleichheit Zeitschrist für die Interessen der Arbeiterinnen tTZWTZMMMMW Die.Sletchhett- erscheint alle vierzehn Taze einmal. Pret  « der Nummer 1l> Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld öS Pfennig; unter Kreuzband 3S Pfennig. Iahreg-Adonnemenl Z,« Mark. Stuttgart   den 3. Mai 1905 Zuschriften an die Redaktion der.Gleichheit' sind zu richten an Frau Klara Zetkin  (Zundelj, Wilhelmthähe, Post Degerloch bei Stuttgart  . Di»«rpedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach-Stratze 12. Juhalts-VerzeichniS. Roter Mai.   Der Weltseiertag der Arbeit und unsere Hausfrauen. Von Luise Zieh. Schiller und die Frauen. Von Franz Mehring  . Die Proletarierin als Kämp serin gegen den Militarismus. Bon Ottilie Baader.   Der Wert der Verkürzung der Arbeitszeit für die Arbeiterinnen. Von Paula Thiede.   AuS der Bewegung: Von der Agitation. Politische Rundschau. Von Li. h» Gewerkschaftliche Rundschau. Notizenteil: Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation. Frauen­stimmrecht. Ausstellung von Erzeugnissen der Frauentätigkeit in Gent  . Feuilleton: Die Weihe. Eine Szene von Otto Krille. Ein Festlied. Von Georg Weerth.  (Gedicht.) Mutterschaft. Von Ada Negri  . (Gedicht.) Roter Mai. Der Arbeit Mai zieht dieses Jahr heraus, umglänzt von den lodernden Flammenzeichen verschärfter Klassen­kämpfe in fast allen Ländern, wo das profittrunkene Kapital über das lebendige Menschentum der Proletarier herrscht. Der deutschen Arbeiterklasse wird das ins Bewußtsein gebrannt von der schamlos räuberischen Wirtschaftspolitik, die durch die Handelsverträge besiegelt in die Schlösser der Junker, die Villen der Jndustriekönige das trägt, was sie vom Brot und Verdienst der Habenichtse nimmt. Ihm kündet es die borniert schwächliche Sozialpolitik, welche in der provozierenden Nasführung der Berg­arbeiter mit einem bösartigen Trutzgesetz neben der grenzenlosen Gold- und Herrschsucht der Ausbeutenden die jämmerliche Komödie des sozialen Königtums auf­zeigt. Es erzählt ihm davon die brutale, abenteuernde Weltpolitik, die deutsches Blut und Gut bei der Nieder- knüttelung von schmählich begaunerten und vergewaltigten Eingeborenen in Südwestafrika vergeudet, die in Marokko  lostölpeln möchte, die den deutschen   Steuerzahlern Mil­liardenlasten aufbürdet, um mit Dreizack und Zickzack auf allen Meeren, in allen Erdteilen herumfuchteln zu können. Die Niedermetzelung der Streikenden von Limoges  bestätigt wieder einmal mit furchtbarer Deutlichkeit, was das Knattern der Gewehre bei anderen Ausständen in Frankreich  , was es gelegentlich des großen Bergarbeiter- streiks in Colorado   offenbart hat: daß die herrschende Kapitalistenklasse in der bürgerlichen Republik   die staat­lichen Macht- und Gewaltmittel mit der gleichen Härte und Skrupellosigkeit gegenmeuternde" Lohnsklaven zur Anwendung bringt wie in der Monarchie, sie trage das Feigenblatt einer Konstitution oder nicht. In England, dem Musterstaat des bürgerlichen Liberalismus, mußten die Arbeiter sich gegen einen neuerlichen tückischen Ver­such von Gerichten wehren, zu Nutz und Frommen der Kapitalistenklasse die Macht der Gewerkschaften dadurch zu lähmen, daß sie für die finanziellen Schädigungen haftbar gemacht werden sollen, welche Ausstände den Unternehmern zufügen. Der oberste Gerichtshof der nord­ amerikanischen   Union   stellte dem Recht der Proletarier auf ihr Menschentum die schrankenlose kapitalisttsche Aus­beutungsgewalt entgegen, indem er mittels spitzfindiger WorMauberei die gesetzliche Arbeitszeitverkürzung in ein­zelnen Bundesstaaten für null und nichtig erklärte. Im italienischen Parlament fanden sich alle bürgerliche Par­teien, von der Rechten bis zur äußersten Linken der Re­ publikaner   zusammen, ein Herz und eine Seele, die oft verspottete, geleugneteeine reattionäre Maffe", um dem Eisenbahnproletariat das Streikrecht zu rauben. Doch nicht nur im Lager der besitzenden Klassen mar­schieren die Heerhaufen immer geschlossener auf. Auch in der Welt des Proletariats sammeln sich die Streiter, die wachsende Einsicht und reifender Wille in fester und fester gegliederten Reihen zusammenschmiedet. Als ein einzig Volk von Brüdern haben sich die Berg­arbeiter des Ruhrgebiets trotz der Gegensätze der reli­giösen und polittschen Überzeugungen als Ausgebeutete, zum Klassenbewußtsein Erwachte im Kampfe gegen das wucherische, knechtende Grubenkapital zusammengeschart. Eine geeinte sozialistische Partei ruft das französische  Proletariat auf den scharf umgrenzten Kampfesboden, den der Internationale Sozialistenkongreß von Amster­ dam   gewiesen. Bedeutsamer und verheißungsreicher jedoch als alle übrigen Wahrzeichen des proletarischen Klassenkampfes glühen durch die internationale reaktionäre Walpurgis­nacht die revoluttonären Feuerbrände der Erhebung des jungen Proletariats in Rußland  . Nicht vergebens ist das Säemannswerk gewesen, dem die russische und die polnische Sozialdemokratie vor allem sich seit Jahren und Jahren in hingebendster Weise gewidmet haben. Hunderttausende und Hunderttausende, welche der Kapitalismus   in die Nacht und Not der Fabrik, der Werkstatt, des Schachtes bannt, welchen der Zarismus die elementarsten Bürger­und Menschenrechte vorenthält, sie stehen seit dem ewig denkwürdigen 22. Januar im heldenhaften Kampfe für die politische Freiheit. Sie schlagen ihre Schlachten mit gekreuzten Armen, im Maffenstteik, der bald hier, bald da einsetzt, das wirtschaftliche Leben zerrüttet, den staat­lichen Mechanismus verwirrt und desorganisiert. Für ihr Recht, ihre Überzeugung hungernd und sterbend ent­reißen sie dem übermächttgen Feinde die Frecheit der Versammlung, der Rede, der Straßendemonstration. Sie sind die Kerntruppe, die entscheidende Macht, welche den Absolutismus niederringt und damit der polittschen Frei­heit, dem Kulturleben eine Gasse bahnt. Welch gewal- ttges, erhebendes Schauspiel und Beispiel, an welchem das Proletariat der ganzen Welt seine geschichtliche Auf­fassung zu klären und zu festigen, an welchem es das Verttauen in seine eigene revolutionäre Macht zu stärken vermag. Aus die Feuersäulen des Klassenkampfes in allen Ländern lenken sich am 1. Mai die Blicke aller Männer und Frauen, deren Rücken von den Geißelhieben der kapitalistischen   Aus­beutung schmerzt, deren Leiber und Geister mit heißer Sehnsucht heraus aus dem Kerker der bürgerlichen Ord­nung verlangen. Und der Ausblick gibt dem proletari­schen Maientag die rechte Weihe, denn die Zeichen der Zeit lassen sein innerstes Wesen den manifestierenden Massen klar zum Bewußtsein kommen. Mögen die Kapitalistenklüngel durch ihre schreibenden und redenden Söldlinge die Maifeier zehnmal zu einem harmlosen Klimbimfest umlügen lassen, diese bleibt ihrem tiefsten Kerne nach dennoch nicht mehr und nicht weniger als eine revoluttonäre Kundgebung des kämpfenden Welt­proletariats, das sich zählt und vor dem die Ausbeuter zittern. Sie stellt die Arbeiterklasse in grundsätzlichen Gegensatz zu der gesamten bürgerlichen Welt und ihren Bestand. Unbeschadet ihrer friedlichen Form und der erhobenen Reformforderungen ist sie eine Kampfesaktton, die von den Fansaren des Klassenkriegs aus den feind­lichen Lagern der Kapitalisten und Arbeiter umschmettert wird. Mit verächtlichem Stolze und zukunftssicher schleu­dern die Enterbten ohne Unterschied des Berufs, des Geschlechtes, der Nation der kapitalisttschen Ordnung am 1. Mai die sozialen Kinderbücher zerrissen entgegen, welche das Märchen vom guten Herzen der Könige von Gottes- und von Geldsacksgnaden erzählm; herrschen sie der kapitalisttschen Ordnung ihre Kriegserklärung, ihr revoluttonäres Glaubensbekenntnis zu:Die Befteiung deS Proletariats ist eine geschichtliche Notwendigkeit, und sie wird nur das Werk des Proletariats selbst sein." Noch ist für das Proletariat Kampfeszeit. Kräftiger als manches andere Jahr haben die Ereignisse an diesem 1. Mai aus der Asche des Alltagslebens und Alltags­webens die Flamme des revolutionären Empfindens herausgeblasen. Von der emen Klassennot in einer Er­kenntnis und einem Willen zu einer Macht zusammen­geschweißt, feiett das Weltproletariat mit siegeSgewisser Begeisterung seinen roten Mai. Der Weltseiertag der Arbeit und unsere Kausfrauen. Von Luise Zieh. Wenn's im Frühling draußen in der Natur sich zu regen beginnt, wenn's dort drängt und knospet, grünt und blüht, wenn Frühlingsstürme durch das Land brausen, dann regt sich auch in der Brust der Enterbten und Bedrückten eine heiße Sehnsucht, ein brennendes Verlangen nach Frei­heit und Brot, nach Schönheit und Glück, nach Lebens­freude und Lebensgenuß. Diese heiße Sehnsucht im Herzen der Proletarier und Proletarierinnen aller Länder und Zungen, ihr fester Wille, sich Freiheit und Glück zu er­kämpfen, haben den Gedanken des Weltfeiertagt der Arbeit geboren. Im Geiste eins mit den Millionen Arbeitsbrüdern und -schwestern, die, wo immer es sei, im Dienste des Kapitals fronden, erheben die klassenbewußten Proletarier am 1. Mai nicht nur laut und eindringlich ihre Stimme und fordern trotzig und siegessicher Freiheit und Recht, ihren Anteil an Lebensgenuß und Lebensfreude, sie nehmen gleichzeitig einen Tag, einige Stunden auf ihre künfttge Befreiung aus Kapitals Fesseln voraus. Im Jahre der Fron für das Kapital ein Tag, der der Freiheit, dem Frohsinn, dem Menschsein gewidmet ist, der aber auch gleichzeitig der Heerschau dient über die sich stetig mehrende Schar der von KampfeSmut und Siegeszuversicht erfüllten Klassenkämpfer, der Kämpfer gegen den menschen­verderbenden Kapitalismus und seinen blutgierigen Zwillingsbruder, den Militarismus. Mit dem Rufe: Heraus aus den Fabriken, den Werkstätten, heraus aus Schacht und Hütte, herunter vom Bau und fort vom Pflug, heraus aus Kontor und Laden, ihr weiblichen und männ­lichen Lohnsklaven!, muß aber die Losung zusammenklingen: Heraus aus den elenden Hütten, den verlotterten, häßlichen Mietskasernen, ihr versorgten und vergrämten Arbeiter­frauen! Zieht mit euren Klassen- und Leidensgefährten der Sonne, dem Glücke entgegen! Seid ihr auch nicht oder nicht mehr als mehrwertschaffendeHände" im nimmer- raftenden Mahlwerk kapitalisttscher Ausbeutung tätig, so fühlt ihr doch nichtsdestoweniger den ehernen Druck dieser Ausbeutung auch in eurem Leben. Sind es doch eure Lieben, euer Gatte, der Vater und Ernährer eurer Kinder und eure Kinder selbst, deren Gesundhett nur zu oft in allzu langer. gesundheitsschädlicher, bisweilen sogar mörderischer Arbeit vernichtet wird. Sind es doch eure Lieben, die mit einem gar zu kargen Verdienst abgespeist werden, so daß ihr. wenn ihr euch auch das Hirn zermartert, nicht in der Lage seid ihnen und euch selbst diejenige Nahrung zu verschaffen, die nötig wäre, um die bei der Arbett verausgabten Kräfte ersetzen, geschweige denn überersetzen zu können. Müßt ihr nicht euch selbst fast jeden Wunsch, jedes bessere, erhebende Vergnügen versagen, davon nicht zu reden, daß euer und der Euren Bildungsbedürfnis ungestillt bleibt, daß so manches vielverheißende Talent verkümmern muß! Wird nicht auch eure Gesundheit vernichtet, eure Lebensfreude ge­raubt, werdet nicht auch ihr geistig abgestumpft durch die Not, das Elend, durch den ewigen Tretmühlengang des täg­lichen Einerlei, zu dem ihr verdammt seid infolg« der kapita­listtschen Ausbeutung der Euren? Daher seid ihr genau so interessiert wie sie an der Erfüllung der Forderungen, die in der Maifeier ihren demonsttativen Ausdruck finden. Zu­nächst an dem Verlangen eines ernsthaften Arbeiter- und Arbeiterinnenschutzes, dessen Fundament der Acht­stundentag ist. Der Achtstundentag wird in den Euren den denkenden, fühlenden, wollenden Menschen vor zu großer Ausbeutung, vor der Vernichtung des Menschtums, der Persönlichkeit schützen. Er bringt ihnen ein Mehr an Zeit für Ruhe und Erholung, für das Familienleben und damit zur Kräftigung und Erhaltung der Gesundheit, der Energie, der Widerstands­kraft und Widerstandslust, der Selbständigkeit. Daneben ver­schafft er ihnen aber auch ein Mehr an Zeit zum Nach. denken, zur inneren Sammlung, zum Austausch der Gedanken, der das Herz bewegenden Wünsche. Damit aber wird in aller Herzen um so heißer die Sehnsucht nach Freiheit und Schönheit, nach Bildung, nach allen Schätzen der Kultur entflammen. Diese heiße Sehnsucht muß die Enterbten ge­radezu aufpeitschen zum Klassenkampf. So soll also die Erfüllung der Forderungen, welche der Maifeier zugrunde liegen, dem Proletariat eine hellere Gegenwart schaffen und es gleichzeitig kampffähiger machen, der Arbeit die Freiheit zu erringen, dem Sozialismus die Gasse zu bahnen. Wenn daher die Euren manchen Abend, manchen Sonn­tag der Betätigung im Klassenkampf widmen, murrt nicht, ihr Frauen, über die Stunden, die eurem Familienleben ge­raubt werden. Eure Empörung richte sich vielmehr gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung und die durch sie be­dingte endlos lange Arbeitszeit, gegen den ihr geschuldeten hohen Grad der Ausbeutung der Eurigen. Und dieser Em­pörung leihet am 1. Mai demonstrattven Ausdruck. Mahnen doch just die Ereignisse bei der diesjährigen Mai- feier das Proletariat auf das eindringlichste, der Tatsache eingedenk zu sein, daß es der Kräfte aller Ausgebeuteten bedarf, um das Joch des Kapitals zu brechen. Solange der Kapitalismus besteht, setzt er höhnend und kalllächelnd seinen Lohnftlaven den Fuß auf den Nacken und