Nr. 22

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Die Gleichheit" erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

-

Juhalts- Verzeichnis. +

-

-

-

-

Arbeits­

Stuttgart den 1. November 1905

-

ein

s

15. Jahrgang

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Frau Klara Zetkin  ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

-

geleiteten Anstalt, die später der Staat übernahm aber sich gleichzeitig für Heer und Flotte begeistern. Und Isabella Gatti de Gamond Jugend und Sozialismus. XIII. Zeichen ihres Wertes, sind sehr viele der Frauen her- wenngleich sie nicht bürgerliche Frauenrechtlerin war, so Von B. Gotthusen. XIV. Von Anna Petereit. Ein Nachwort vorgegangen, die in Belgien   im Vordertreffen des Kampfes hoffte sie doch auch von den bürgerlichen Frauen manch­zu den Verbandstagen der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen. I. für die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts stehen mal mehr, als das Proletariat ihrer Klassenlage nach Aus der Bewegung: Von der Agitation. Jahresbericht der und sich auf dem Felde liberaler Berufstätigkeit hohe von ihnen billig erwarten darf. Das zu verschweigen, Bertrauensperson der Genossinnen von Frankfurt   a. M. Der Achtung erworben haben. Aber sie hat ebenso Gattinnen hieße die Tote beleidigen, die zeitlebens heiß um Wayr­Parteitag für die Provinz Schleswig- Holstein  , das Herzogtum und Mütter gebildet, die in mustergültiger Weise am heit gerungen hat. Wer aber vermöchte diese und jene Lauenburg  , das Fürstentum Lübeck   und den Hamburger Staat. Erllärung der Kölner Genoffinnen.- Politische Rundschau. Von häuslichen Herd schalten und walten, und die ihrerseits Unklarheit der Frau zum besonderen Vorwurf zu machen, G. L. Genossenschaftliche Rundschau. Von Simon Katzenstein  . gar manchen der besten und führenden Männer getragen die hochbetagt nicht mehr lernte, bei allen sozialen Er­und erzogen haben. Ihr Wirken das durch Rede scheinungen historisch mit dem Kopfe die Klassen zu wägen, Notizenteil: Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation. und Schrift weit über die Kreise ihrer Schule und die statt ideologisch mit dem Herzen auf die einzelnen Persön­bedingungen der Arbeiterinnen. hat ihr treue lichkeiten zu hoffen und ihnen den gleichen Mut der Kon­Feuilleton: Maria Lwowna Berditschewskaja. Von Otto Krille. Grenzen ihres Berufs hinausreichte Freunde und glühende Bewunderer geschaffen, aber auch sequenz zuzutrauen, den sie selbst mit dem übertritt ins ( Gedicht.) Irrlichter. Von Ada Christen.  ( Forts.) grimmig hafsende Feinde. Kein Wunder das! Genossin sozialistische Lager betätigt hatte? Bis zu ihrem Tode hat Gatti de Gamond war allzeit eine Kämpferin, und auch Genossin Gatti de Gamond mit erhebender Gewissen­das Lehren und Erziehen war eine Seite ihrer Kampfes- haftigkeit nach neuen Erkenntnissen, nach Klarheit gestrebt. Isabella Gatti de Gamond+ tätigkeit, es war ein Stück lebendiger Praxis der Ideen, Das befundet ihre vermutlich letzte Arbeit in den Das Proletariat ist um ein treues Herz und einen zu denen sie sich bekannte. Und je rückhaltloser und Cahiers féministes" über die Lage der Arbeiterinnen, starken, reinen Willen ärmer geworden, die ganz dem leidenschaftlicher sie jede Form und Äußerung der Knech- ein Artikel, in welchem sie die frauenrechtlerischen Ein­Dienste seiner Befreiung aus leiblicher und geistiger Not tung, der Unwissenheit, der Lüge und Selbstsucht be- wände gegen den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz abfertigt gehörten. Am 11. Oftober ist infolge einer schweren kämpfte, desto heftiger feindeten sie alle an, die bewußt und klipp und klar nachweist, daß die Arbeiterin, die Operation Genoffin Gatti. de Gamond gestorben, eine oder unbewußt Stüßen und Nußnießer der Unterdrückung Proletarierin ihr Heil nicht von einem Kampfe zwischen der verdienstvollsten Führerinnen der sozialistischen   Frauen und Unwissenheit des Volkes sind und Gewalt und liftigen den Geschlechtern erwarten darf, sondern nur von dem Belgiens  , Mitglied des Nationalrats, das ist des Partei- Trug als Mittel der Herrschaft brauchen. Am bittersten Kampfe der Klassen. Und Einzelheiten ihres Strebens ver­vorstandes der belgischen sozialistischen   Arbeiterpartei. Um aber haßten die flerifalen Dunkelmänner Genoffin Gatti schwinden vor dessen hochgerichteter Gesamttendenz, vor die Schwere des Verlustes würdigen zu fönnen, genügt de Gamond, die ihrem Streben nach schrankenloser Macht seinem mutvoll und begeistert festgehaltenen Endziel: am es nicht, auf die hehren Ideale zu verweisen, für welche der Kirche das Ringen nach dem Recht des Boltes ent- Bau einer Gesellschaftsordnung mitzuarbeiten, in der eine die Verstorbene gekämpft hat, solange fie atmete; genügt gegenstellte, das Dogma im Namen der Wissenschaft be- freie und glückliche Menschheit wohnt. Dafür hat Jsabella es nicht, die Talente und Kenntnisse zu rühmen, welche fämpfte und den die Geister vergiftenden und brechenden Gatti de Gamond all ihr Sein und können eingesetzt, sie für die Sache der Ausgebeuteten und Gefnechteten Einfluß des Klerikalismus aus seinem festesten Bollwerk redlich, ohne zu geizen und zu schachern, bis zum letzten betätigt hat. Da muß man vor allem auch der hohen vertrieb: aus Hirn und Herz der Frau, aus der Familie. Fünfchen Kraft; uneigennützig, ohne nach Vorteil und Vorzüge des Charakters und Herzens gedenken, welche Was zum Pfaffentum gehörte und auf dasselbe schwor, Ruhm zu fragen; begeistert, ohne sich je durch Schwierig­unsere Genoffin zu dem machten, was sie war, und zu das überschüttete die Gottlose", ihre Anstalt und sogar feiten und Opfer schrecken zu lassen. Gerade was die dem befähigten, was sie leistete. Aus der überquellenden ihre Zöglinge mit den giftigsten Beschimpfungen und Ver- Verstorbene persönlich gewesen und in ihr Tun hinein­Fülle reinster, selbstloser Menschenliebe, aus dem nie leumdungen. An der Reinheit der Persönlichkeit und legte, das gab diesem Glanz, Wärme und überzeugende schlummernden Drängen nach der Vervollkommnung des der Verdienstlichkeit ihres Wirkens prallten sie wie von Kraft, das zwang auch den anständigen Gegnern ihrer Ziele Achtung ab, und das wird belebend und beispiel­inneren Menschen erwuchsen ihr die Kräfte, eine Kämpferin einem undurchdringlichen Panzer ab. Von Staat und Gemeinde mit den höchsten Ehren gebend fortwirken über ihr Grab und über die Grenzen für die größten Ziele unserer Zeit zu sein. Isabella Gatti de Gamond wurde 1839 als Tochter ausgezeichnet, trat Isabella Gatti de Gamond 1899 ihres Vaterlandes hinaus. Nicht bloß den Kämpfern einer wohlhabenden, gebildeten Bürgerfamilie geboren. von ihrem Amt zurück. Wie einen kalten Schatten und Kämpferinnen für den Sozialismus in Belgien  , den Aber Wertvolleres noch als die Gunst äußerer Ver- hatte sie es stets inmitten ihres segensreichen beruflichen Sozialisten aller Länder wird die edle Frau unvergeßlich hältnisse leuchtete ihrer Kindheit und Jugend. Ihre Wirkens empfunden, daß es in der Hauptsache nur den sein, die aus einem unerschöpflichen Schatz von Liebe Mutter war eine hochgesinnte Frau, welche in Belgien   Kindern der Besitzenden zugute fam. Nun aber konnte und einem unftillbaren Wahrheitsdrang die Erkenntnis zu den ersten Vorkämpferinnen für das Recht des weib- sie dem Drängen ihres Herzens volle Genüge leisten gewann: Mitzufämpfen bin ich hier." lichen Geschlechts auf freie Bildung zählte. Genossin und sich ganz der Sache derer widmen, die unter der Gatti de Gamond hat das ihr zugefallene Erbe an Glücks- Not der Sklaverei und der Sklaverei der Not seufzen. gütern und geistig- sittlichen Schäßen stets als eine heilige Trotz der Bürde der Jahre, die Schnee auf ihren Scheitel Verpflichtung betrachtet, für die zu wirken, zu opfern gehäuft hatten, war sie in jugendlicher Begeisterung un­Wohl jede Genossin, insbesondere aber jede Mutter unter und zu ringen, welche in dieser besten aller Welten in ablässig als Agitatorin und Organisatorin unter dem belgischen Proletariat tätig. Nie ist der Ruf zum Kampfe ihnen, wird Genossen Krüger dankbar dafür sein, daß er jeder Hinsicht Enterbte sind. Eine vorzügliche Erziehung entfaltete ihre reiche Be- für Wahrheit, Freiheit und Recht vergeblich an sie er durch seine Anregungen eine Diskussion in Fluß gebracht gabung zu schönster Blüte. Um mit dem empfangenen gangen, keine Ungunft der Witterung, kein Drohen und hat, welche Mittel und Wege sucht, unsere Jugend mit sozia­Pfunde zu wuchern und der Allgemeinheit zu geben, was Lästern der Gegner hielt sie zurück, wenn sich Gelegen- liftischem Geiste zu erfüllen. Ich pflichte ihm darin bei, daß ihr gebührt, widmete sich Isabella dem Lehrberuf. Von heit bot, den Ausgebeuteten das sozialistische Evangelium die Erziehung zum Sozialismus schon im zarten Alter be­1864 bis 1899 leitete sie ein Bildungsinstitut für Mädchen, zu verkünden. Für die Aufklärung und den Zusammen- ginnen muß. Was aber seinen Vorschlag anbetrifft, Jugend­das Kindergarten, Elementar- und Mittelschulunterricht, schluß der Arbeiterinnen, der proletarischen Frauen setzte heime zu gründen, so kann ich ihn nicht befürworten. Go ernste Schwierigkeiten und Bedenken gegen ihn. Lehrerinnenseminar und Universitätskurse umfaßte. Keine fie vor allem freudig ihre Kraft ein. Sie gehörte zu den verlockend er auch erscheinen mag, es sprechen vielerlei und Nach meiner Meinung, die sich auf meine praktischen Er­einseitige Drillanstalt für den Geist war es, feine Pflege- Gründerinnen und Führerinnen politischer und gewerk­stätte verlogenen gesellschaftlichen Formelkrams, eine schaftlicher Organisationen der belgischen Sozialistinnen, fahrungen als Arbeiterfrau und Mutter von sechs Kindern Bildungsanstalt im schönsten Sinne des Wortes, die den besonders der Liga sozialistischer Frauen; sie war Be- stüßt, ist im allgemeinen in erster Linie die Familie dazu Zweck verfolgte, die Zöglinge zu freien, zu ganzen Menschen gründerin  , Redakteurin und hauptsächlichste Mitarbeiterin berufen, Sorge zu tragen, daß Herz und Geist der Kinder zu erziehen, und die daher keine Seite ihres Wesens hungern des ersten belgischen sozialistischen   Frauenblattes, der sich dem sozialistischen   Ideal erschließen. Damit will ich keines­und verfümmern ließ. Hier ward das Denken nicht von Cahiers féministes"; sie saß als Vertreterin des oben wegs sagen, daß sie den Kleinen Programmformeln ein­dem kirchlichen Dogma in Fesseln geschlagen, sondern genannten Verbandes im Nationalrat der sozialistischen   trichtern soll, die ihr Verständnis übersteigen und totes Buch­den jungen Seelen die Jdeale der Freiheit, Gleichheit und durch den starken Odem der wissenschaftlichen Forschung Arbeiterpartei. Als Rednerin und Schriftstellerin hat sie stabenwerk sein würden. Aber die Eltern können sehr wohl belebt und gekräftigt. Hier waltete ein gütiges Herz, treulich alle Arbeiten und Kämpfe unserer belgischen Brüderlichkeit verständlich und teuer machen, sie können sie für alles Schöne, Reine, Gute begeistern und damit im das aus der Tiefe zarten und reinen Empfindens Ver- Bruderpartei geteilt. Gewiß: sie hat unserer Meinung nach als Sozialistin Wesen ihrer Kinder für die spätere sozialistische überzeugung ständnis, Nachsicht, Ermunterung für alle ihm nahen­den schöpfte. Denn Isabella Gatti de Gamond war nicht immer den Weg von der Utopie zur Wissenschaft den Boden bereiten und bestellen. nicht bloß eine Freidenferin, sie war eine freie Den- gefunden und die scharfen Grenzlinien erkannt, welche ferin, und sie, die Unvermählte, Kinderlose, war bis den Idealismus der Sozialisten von dem bürgerlichen sich über die große Wichtigkeit dieser ihrer Verpflichtung in die letzte Faser ihres Wesens ein mütterliches Weib, Ideologismus scheiden, dessen letzte fümmerliche Zweige flar werden. Denn sie dürfen nicht einen Augenblick ver­das seine große Familie in allen leiblich und geistig vor unseren Augen verdorren. Sie überschätzte zum Bei- gessen, daß die Schul- und Erziehungseinrichtungen, welche Silfsbedürftigen erblickte. Ihr glühendes Sehnen und spiel ebenso die bürgerliche Freidenkerbewegung der Leute, die kapitalistische Gesellschaft den Kindern des Volles bietet. Wollen drückte der Anstalt, der sie vorstand, das Ge- die auf Kongressen mit dröhnendem Wortschwall gegen genau in entgegengesetzter Richtung wirken sollen. Den Volls­schulen ist unverhüllt genug die Aufgabe zugewiesen, die präge ihres Geistes und Gemüts auf. Dazu war die die Kirche toben, aber ihre Frauen dem Pfaffeneinfluß einen Proletarier zu gutgesinnten" Dienern und Stüßen Verstorbene eine geborene und geschulte Bädagogin. Eine und ihre Töchter der klöfterlichen Erziehung überlassen, der kapitalistischen   Ordnung heranzudrillen. Man prüfe ver ganze Generation von Töchtern der bürgerlichen Kreise wie die bürgerliche Friedensbewegung der Herren und allem einmal, was unseren Kindern in der Geschichte und hat sie zu tüchtigen Menschen erzogen. Aus der von ihr Damen, welche über die Greuel des Krieges jammern, im Religionsunterricht gelehrt wird, und man kann diesen

Jugend und Sozialismus.

XIII.

Es ist dringend notwendig, daß die proletarischen Eltern