DI«.Glelchhett' erschein! alle vierzehn Tage einmall Preis ver Nummerlo Pfennig, durch die Post vierreijährlich ohne Bestellgeld SS Pfennig;unrer Kreuzband«S Pfennig. Jahre«»Abonnement 2, SO Mark.Stuttgart den 21. Februar 1906Zuschriften an die Redaktion der.Gleichheit' sind zu richten an FrauKlara Zetkin(Aundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart.Die Srpediiion befindet stch in Stuttgart, Furth ach-Strafi« 12.Nr. 4Jnhaltö-Verzeichnis.Die Opfer der Arbeit. Bon Gustav Hoch.— Die Frauen imBauernkrieg. Bon Wilhelm Bios.— Der Mehrwert. II. BonJulian Borchardt.— Bon der Heimarbcitausstellung in Berlin.I. Die Textilindustrie. II. Die Holzindustrie. Bon m. I.— DerHamburger Wahlrechtsraub vollbracht! Bon Luise Zieh.— Ausder Bewegung: Von der Agitation.— Jahresbericht der Bertrauens-Perlon für Bromberg.— Die DeinonstralionSversammlungen inMagdeburg.— An die Bertrauensperionen der Genossinnen Deutsch-lands.— Politische Rundschau. Bon G. L.— GenossenschaftlicheRundschau. Bon Simon Katzcnstein.Notizenteil: Frauenstimmrccht.— BcreinSrecht der Frauen.— Weibliche Fabrikinspektoren.— SozialcGesetzgebung.— Frauenbewegung.Feuilleton: Tlltje Krause. Eine Hclgoländer Geschichte von WilhelmHolzamer.— Der Lump. Bon Theodor Storm.(Gedicht.)—Streikposten. Bon H. R.Die Opfer der Arbeit.Alljährlich müssen dem Reichstag die gesamten Rech-muigscrgebmsse der Berufsgenossenschaften mitgeteiltwerden. Aus dem Aktenstück ist auch die Zahl dersogenannten Betriebsunfälle zu ersehen.Leider erscheinen die Rechnungsergebnisse sehr ver-spätet. So sind erst jetzt die für das Jahr 1904 dem Reichs-tag zugegangen. Nach denselben sind im Jahre 1904583 96b Betriebsunfälle angemeldet worden, für 137 673Unfälle wurden zum erstenmale Unfallentschädigungen be-zahlt. Dies sind solche Unfälle, welche bei dem Verletzten eineVenninderung seiner Erwerbsfähigkeit für eine längere Zeitals 13 Wochen herbeigeführt haben. Infolge dieser Unfällestarben— immer wieder in dem einen Jahre 1904— nichtweniger als 8752 Arbeiter, und es wurde 6151 Witwen,12613 Kindern und 336 Eltern der Ernährer entrissen.Und dies Jahr für Jahr! Ja, die Zahl der Unfälleist sogar im Laufe der Zeit immer größer geworden,nicht nur absolut, sondern auch relativ, das heißt imVergleich mit der ebenfalls steigenden Zahl der versichertenArbeiter. In den gewerblichen Berufsgenossenschaftenstieg die Zahl der entschädigungspflichtigen, also schwerenUnfälle im Jahre 1897 von 8,07 pro 1000 versicherteVollarbeiter ä 300 Arbeitstage auf 9,49 im Jahre 1904.Ebenso ist für die landwirtschaftlichen Berufsgenosscn-schaften schätzungsweise eine Stelgerung in der Zahl derschweren Unfälle festgestellt worden, und zwar von 3,84 pro1000 durchschnittlich versicherte Arbeiter im Jahre 1896 auf5,90 im Jahre 1904.— Dabei ist bezeichnend, daß bei dengewerblichen Berufsgenossenschaften einzig und allein dasJahr 1902 eine Abnahme in der Zahl der Unfälle im Ver-gleich mit der Zahl der versicherten Arbeiter aufweist. DasJahr 1902 ist bekanntlich das Jahr des wirtschaftlichenRückschritts, in dem naturgemäß die Arbeit nicht sodrängte und die Arbeiter daher auch nicht so unvernünftigzur Arbeit angetrieben wurden, wie es bei gutem Ge-schaftsgang der Fall ist. Demnach ist fraglos die größereUnfallhäufigkeit in den anderen Jahren zu einem ge-wissen Teil durch die rücksichtslose Autreiberei der Arbeiterverschuldet. So bringt die Profitgier der UnternehmerJammer und Schmerz alljährlich in Tausende von Ar-beiterfamilien. Die Unfallversicherung aber deckt bei weitemnicht den vollen Schaden, den die Verunglückten oder derenAngehörige erlitten haben. Daher kommt als Folge jenerUnfälle zu dem seelischen Unglück noch oft genug auchschweres materielles Elend in die vielen Arbeiterfamilien.Von den verunglückten Personen, für welche im Laufedes Rechnungsjahres Entschädigungen zum erstenmal fest-gestellt beziehungsweise gezahlt worden sind, waren in den:Leider ist in den„Rechnungsergebnissen" nicht an-gegeben, wie viele von den versicherten Personen männ-liche Arbeiter und wie viele Arbeiterinnen sind. Nachder Berufs- und Gewerbezählung vom 14. Juni 1895waren in Gewerbe und Handel im Deutschen Reiche5,2 Millionen männliche und 1,3 Millionen weiblicheGehilfen und Arbeiter. Ferner haben die Gewerbe-anfsichtsbeamten in den ihrer Kontrolle unterstelltenBetrieben im Jahre 1904 im ganzen 4,2 Millionenmännliche Arbeiter und 1,1 Millionen Arbeiterinnenermittelt. Hieraus kann man schließen, daß in den ge-werblichen Berufsgenossenschaften auf ungefähr viermännliche Arbeiter eine Arbeiterin kommt.In unserer Tabelle ist aber das Verhältnis bei dengewerblichen Berufsgenossenschaften(Spalte 2 und 3)viel günstiger für die Arbeiterinnen: es kommt durch-schnittlich erst auf 20 bis 30 verunglückte männlicheArbeiter(Spalte 2) eine verunglückte Arbeiterin(Spalte 3). Dies erklärt sich zur Genüge daraus, daßdie Arbeiterinnen zu vielen gefährlichen Arbeiten nichtgut verwendet werden können.In den einzelnen Industriezweigen stellt sich dasVerhältnis folgendermaßen:Die Gruppen der Berufsgenossenschaften sind nachder Zahl der versicherten Vollarbeiter so geordnet, daßdie Gruppe mit der größten Zahl versicherter Vollarbeiteran der ersten Stelle steht, und dann die anderen folgenbis zur letzten Gruppe mit der kleinsten Zahl versicherterVollarbeiter. Aus den ersten Blick zeigt sich, daß ineiner ganzen Reihe von Industriezweigen Arbeiterinnenso gut wie gar nicht verunglückt sind, weil offenbardort Arbeiterinnen nur höchst selten beschäftigt sind. Amhäufigsten verunglückten Arbeiterinnen in der Textil-industrie, dann in der Papierindustrie und in den Buch-druckereien, dann in der Gruppe Metall, Feinmechanik,Musikinstrumente, dann in der Gruppe Leder und Be-klcidung, dann in der Gruppe Nahrungsmittel, Fleischerei,Tabak usw. Am ungünstigsten für die Arbeiterinnen istdas Verhältnis der Zahl der verunglückten männlichenArbeiter zu der Zahl der verunglückten Arbeiterinnenin der Textilindustrie(2—3: 1), dann folgt die Papier-industrie mit den Buchdruckereien(4: 1), dann die GruppeLeder und Bekleidung(5: 1). In den übrigen Gruppenist das Verhältnis noch erheblich günstiger für dieArbeiterinnen.Für einen Vergleich der Zahl der in der Landwirt-schaft verunglückten Arbeiterinnen mit der Zahl derhier beschäftigten Arbeiterinnen fehlt jede einigermaßenzuverlässige Grundlage. Wir müssen uns daher in dieserBeziehung daraus beschränken, hervorzuheben, daß in derLandwirtschaft das Verhältnis zwischen den Zahlen derverunglückten männlichen Arbeiter und der verunglücktenArbeiterinnen mehr als zehnmal ungünstiger für dieArbeiterinnen ist als in der Industrie. Bei den gewerb-lichen Berufsgenossenschaften kam auf 20 bis 30 ver-unglückte männliche Arbeiter eine verunglückte Arbeiterin,bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaftenkommt bereits auf zwei verunglückte männliche Ar-bester(Spalte4) eine verunglückte Arbeiterin(Spalte 5).Am schlimmsten steht es damit in den ganz kleinen land-wirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, wie zum Beispielin der Schaumburg-Lippeschen mit 24 männlichen und25 weiblichen Verunglückten, Gothaischen mit 91 männ-lichen und 86 weiblichen, Schwarzburg-Sondershausenschenmit 56 männlichen und 41 weiblichen. Von den mittel-großen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften seienals abschreckende Beispiele angeführt: die Oldenburgischemit 234 männlichen und 146 weiblichen Verunglückten,die für den würtlcmbergischen Donaukreis mit 754 männ-lichen und 331 weiblichen und die meisten bayerischen.Von den großen landwirtschaftlichen Berufsgenossen-schaften hat die für das Königreich Sachsen 1819 männ-liehe Veninglückte und 984 weibliche, die Brandenburgische2872 männliche und 1252 weibliche, die Schlesische 3828männliche und 1871 weibliche. Ahnlich ist das Verhältnisin der Hannoverschen, Westfälischen, Hefsen-Nassauischenusw. Verhältnismäßig wenig verunglückte Arbeiterinnenhaben die Ostpreußiiche, Westpreußische, Pommersche,Schleswig-Holsteinische(2682: 867; 1695:406; 1817:389;1391: 470).Die Arbeiterinnen werden demnach durch die vielenOpfer der Arbeit sowohl direkt als Arbeiterinnen wieauch indirekt als Familienmütter aufs schwerste betroffen.__ Gustav Hoch.Die Frauen im Bauernkrieg.Von Wilhelm Bios.Die Beteiligung des weiblichen Elementes im großendeutschen Bauernkrieg von 1525 ist bisher nur wenig her-vorgehoben worden. Was uns darüber berichtet wird, istallerdings recht dürftig, aber es genügt, um zu überzeugen,daß das Eingreifen der Frauen in jener großen sozialenBewegung von nicht zu unterschätzender Bedeutung ge-wesen ist."Die hervorragendste Frauengcstalt im Bauernkrieg istjedenfalls jene Bäuerin aus Böckingen bei Heilbronn, dieals die„schwarze Hofmännin" in den Urkunden figuriert.Uber ihre Herkunft weiß man so wenig als über ihr Ende.Nicht einmal ihr Vorname ist bekannt; auch ob sie jung oderalt war, ist nicht festzustellen. Ziminermann, der bekannteGeschichtschreiber des Bauernkriegs, sagt von ihr:„Schwarzesunterdrücktes Weib aus der Hütte am Neckar, mit der starkenverwilderten Seele voll Leidenschaft, gleich stark in Haß undLiebe, mit deinem„Gott will's!" im Munde, mit deinemFreiheits-, Schlacht- und Rachegeist— wie lebtest du inSage und Geschichte, in Gesang und Rede, hätte deine Sachegesiegt oder gehörte sie wenigstens nur nicht der Bauern-Hütte an!"Die Hofmännin war nicht frei von den Roheiten ihrer Zeit;sie war eben auch so geworden, wie die Bauern unter der un-menschlichen Behandlung des Adels werden mußten. Jedenfallswar sie von ungewöhnlichem Geiste; bei dem Volle galt sieals Wahrsagerin und Zauberin. Sie trug einen furchtbarenHaß gegen den Adel und die vornehmen Städter in sich;den reichen Heilbronnerinnen drohte sie, ihnen die Kleiderabzuschneiden, so daß sie„wie die gerupften Gänse" gehensollten. Die Heilbronner beschuldigte sie, dieselben hätten„ihr und der armen Gemeinde zu Böckingen das Ihrige ab-genommen"; das sollten sie nun wieder herausgeben.Der Leiter des Aufstandes im Ncckartal war JakobRohrbach in Böckingen, ein Wirt daselbst und ein ver-wegener, energischer Mann, der unter den Bauern rings umHeilbronn eine große Verschwörung gebildet hatte. Die„schwarze Hofmännin" war seine Freundin und Ratgeberin.Als die Bauern unter Jakob Rohrbach— Jäcklein nannteihn das Volk— in Massen stch erhoben, zog sie mit ihnenaus, sprach ihnen Mut ein und segnete sie, damit wederSpieße noch Büchsen ihnen sollten etwas anhaben können.* Julius Wolfs hat unter dem Titel„Da« schwarze Weib" einenRoman veröffentlicht, dessen Stoff dem Bauernkrieg entnommenund dessen Heldin eine Rednerin und Agilatorin der Bewegung ist.Der Roman beruht auf einer ganz oberflächlichen Kenutni« dcSBauernkriegs und enthält unmögliche Figuren.