Nr. 24

Die Gleichheit

eeee Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen ee

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder und Frauen- Beilage

Die Gleichhett erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhalts- Verzeichnis.

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An die Parteigenoffinnen Preußens. Das gleiche Recht der- Rechtlosigkeit. Von Gustav Hoch . Zur Lage der weiblichen Angestellten im Gastwirtsgewerbe. Von Hugo Poetsch.- Gegen Heimarbeiterschutz. Bon D. Das Familienleben des Arbeiters. Von Margareta Pratsch. Die Anfänge der proletarischen Frauen­bewegung in Deutschland . Von Klara Zetkin. ( Fortsetzung.) Aus der Bewegung: Von der Agitation. Von den Organisationen. -Der Provinzialparteitag für das westliche Westfalen.- Jahres­bericht der Kreisvertrauensperson des sechsten sächsischen Wahlkreises Politische Rundschau. Von G. L. Genossen­schaftliche Rundschau. Von H. Fl. Notizenteil: Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation.- Dienst botenfrage. Frauenstimmrecht. Feuilleton: Jener Tag. Von Ada Negri. ( Gedicht.) Der Kohlen­wagen. Von Ludwig Thoma . Ein gutes Gewissen. Von

Dresden- Land.

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Stuttgart den 28. November 1906

16. Jahrgang

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" find zu richten an Frau Klara Zetkin ( Zundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

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Arbeitskräfte ihren Unterhalt selbst oder tragen doch zum| einer allgemeinen Aussperrung beantworten und den Streif Unterhalt ihrer Familien wesentlich bei. Es ist deshalb als eine Machtprobe" der Arbeiter denunzieren. zeitgemäß und billig, wenn diesen Frauen in der gleichen Außerdem sind die Regierungen gar sehr besorgt, daß der Weise wie den in der Hauptsache unter gleichen Lebens- einzelne Arbeiter nicht zum willenlosen Werkzeug herab­und Arbeitsbedingungen tätigen männlichen Personen die gewürdigt, nicht durch die wirtschaftliche übermacht" ver­Möglichkeit gewährt wird, ihre beruflichen Interessen und gewaltigt wird. Eine sehr löbliche Sorge leider richtet Wünsche zur Geltung zu bringen und sich zu diesem Zwecke sie sich aber nicht gegen die Unternehmer, sondern einzig und mit ihren Berufsgenossen und-genossinnen zu vereinigen." allein gegen die Mehrheit und den Vorstand der Gewerkschaften. Demgemäß sind in dem Entwurfe die Arbeiterinnen Tatsächlich handelt es sich hierbei um den Schutz" der Streit­durchweg den männlichen Arbeitern gleich gestellt. brecher. Wenn diese nüzlichen Elemente", wie sie in der De­Die Freude über diesen Fortschritt wird jedoch sehr batte über die Umsturzvorlage gepriesen wurden, in einer rechts­herabgestimmt, sobald wir uns mit dem weiteren Inhalt fähigen Gewerkschaft sich einmal als Mitglieder eingenistet des Entwurfs bekannt machen. Der Entwurf soll den Ge- haben, dann werden sie taum jemals wieder abzuschütteln werkschaften die Rechtsfähigkeit erteilen, das heißt die Fähig sein. Solange sie Mitglieder sind, müssen ihnen alle Be­teit, auf ihren Namen Vermögensrechte zu erlangen. Damit schlüsse der Versammlungen und des Vorstandes mitgeteilt, wird endlich ein Zustand beseitigt, der seit jeher selbst der muß ihnen sogar eine beglaubigte Abschrift der Mit­bürgerlichen Rechtsauffassung widersprach, seit dem Inkraft- gliederliste jederzeit auf Verlangen ausgehändigt werden. treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs aber geradezu ein Un- Den minderjährigen Mitgliedern dagegen ist das Stimmrecht ding geworden ist. Das Bürgerliche Gesetzbuch weist den sowie das Recht aberkannt worden, in den Vorstand oder Andie Parteigenofsinnen Preußens! fogen. ibealen" Vereinen, solchen Vereinen, deren Zweck nicht irgend eine Kommission gewählt zu werden. auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist", den Wie bereits durch die Parteipreffe mitgeteilt worden Weg zur Erlangung der Rechtsfähigkeit. Die Gewerkschaften ift, beruft die Parteigenossenschaft von Groß- Berlin ent- gehören ebenfalls zu den idealen" Vereinen; sie sind sogar sprechend dem ihr gewordenen Auftrag einen zweiten die wichtigste, für die kulturelle Entwicklung der Gesamt­preußischen Parteitag nach Berlin für den 27., 28. heit am segensreichsten wirkende Art derselben. Aber gerade und 29. Dezember ein. Der Parteitag beginnt am fie sind von der Möglichkeit, die Rechtsfähigkeit zu erlangen, 27. morgens 9 Uhr in den Räumen des Gewerkschafts- ausgeschlossen. Denn das Bürgerliche Gesetzbuch gibt der hauses, Engelufer 15.

Alexander 2. Kielland.( Schluß.)

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Als provisorische Tagesordnung ist festgesetzt: 1. Die Organisation für Preußen.

2. Die bisherige Tätigkeit des preußischen Landtags und das Wahlrecht in Preußen. 3. Die Lage der Staatsarbeiter in Preußen. 4. Die Landtagswahlen 1908.

Verwaltungsbehörde das Recht, Einspruch gegen die Er teilung der Rechtsfähigkeit zu erheben, wenn der Verein einen politischen, sozialpolitischen... 3wed verfolgt". Dies ist der Grund, weshalb nach den Bestimmungen des Bürger­lichen Gesetzbuchs die Gewerkschaften, wenn sie nicht auf die Verfolgung politischer und sozialpolitischer Aufgaben ver­zichten wollten, die Rechtsfähigkeit nicht erlangen können.

Den Unternehmern sollen die Gelder der rechtsfähigen

Gewerkschaften ausgeliefert werden, wenn ein Gericht ent­scheidet, daß ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer Vertreter des Vereins in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen, etwa auf Grund eines Streits- oder Sperre­beschlusses, den Unternehmern einen erfaßpflichtigen Schaden zugefügt hat. Wenn aber einem Mitgliede, das sich im Dienste der Gewerkschaft eine Geld- oder Ordnungsstrafe zugezogen hat, diese aus der Vereinskasse bezahlt wird, dann soll den Vorstand schwere Strafe dafür treffen.

Auf diese Weise werden durch den Gesezentwurf, der

angeblich die Rechte der Gewerkschaften erweitern soll, den rechtsfähigen" Gewerkschaften geradezu die Hände gebunden. Ihnen sollen die neuen Rechte nur unter der Bedingung gegeben werden, daß sie in der Praxis auf alle Rechte ge­gen die Unternehmer verzichten. Eine Rechtlosigkeit, die naturgemäß schließlich auf alle Gewerkschaften ausgedehnt Auf diese Rechtlosigkeit räumt der Entwurf den Arbei­

Inzwischen konnten selbst die Regierungen, wie sie in der Parteigenossinnen! Die sozialistischen Frauen Begründung des Entwurfes uns erzählen, nicht mehr ver­Preußens dürfen nicht fehlen, wenn es gilt, zu Gericht fennen", daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen gerade zu fizen über das Unrecht und die Kulturwidrigkeit des diese Vereine( die Gewerkschaften), wenn anders sie den beruf- werden muß. preußischen Klassenstaates, die sie als Ausgebeutete und lichen Interessen ihrer Mitglieder eine tatkräftige terinnen das gleiche Recht ein wie den männlichen Arbeitern. underfolgverheißende Unterstüßung und Förderung als politisch Rechtlose besonders start empfinden; wenn angedeihen lassen wollen, es nur sehr schwer vermeiden So erfüllen die Regierungen die Forderungen der Arbei­es gilt, diesem Staat die Forderungen des kämpfenden tönnen, wenigstens ab und zu bei ihrer Tätigkeit das sozial- terinnen. Kann man sich eine schlimmere Verhöhnung der Proletariats entgegenzustellen. Sie müssen an der Be- politische Gebiet zu berühren". Hiernach müßten wir er- Arbeiterinnen denken? Auf diesen Hohn werden hof­ratung der nötig gewordenen Landesorganisation teil- warten, daß der Entwurf die als unhaltbar erwiesene Aus- fentlich die Arbeiterinnen die richtige Antwort nicht schuldig nehmen, an deren Gestaltung sie ein hervorragendes nahmebestimmung fallen läßt und allen idealen" Vereinen bleiben. Ehrenpflicht einer jeden Arbeiterin muß es sein, Interesse haben. die Möglichkeit zur Erlangung der Rechtsfähigkeit gewährt. fich mit allen Kräften an der Agitation gegen den Entwurf Weit gefehlt. Die Regierungen halten vielmehr gerade diese zu beteiligen, sie müssen den Regierungen und den bürger­Gelegenheit, bei der sie eine bisher durchgeführte Ausnahme- lichen Parteien zeigen, daß die Arbeiterinnen zwar das bestimmung als unhaltbar aufgeben müssen, für passend, gleiche Recht wie die männlichen Arbeiter verlangen, aber ein neues Ausnahmegesetz gegen die Gewert nicht das gleiche Recht in der Rechtlosigkeit und Ausbeutung, schaften durchzubringen. Sie wollen jetzt auf einem Um- sondern das gleiche Recht zum Rampfe gegen die jetzige Aus­vorlage erstrebten, und was ihnen damals die bekannte kläg­weg das erreichen, was sie seinerzeit mit der Zuchthaus- beutungswirtschaft. Hanau . Gustav Hoch. liche Niederlage einbrachte.

Genossinnen, nehmt daher alsbald Stellung zur Wahl von weiblichen Delegierten zum preußischen Parteitag. Wo es angängig ist, sucht euch mit den Genossen über die Wahl zu verständigen. Wo aber ein gemeinsames Vorgehen ausgeschlossen ist, haben die Ge­nossinnen das statutenmäßig zugesicherte Recht zu nußen, in öffentlichen Frauenversammlungen Delegierte zu wählen.

Alle Anfragen bezüglich des preußischen Parteitags sowie die Anmeldung der Delegierten sind zu richten an Leopold Liepmann, Berlin SW 68, Lindenstraße 69. Die erfolgten Wahlen von Genossinnen sind ferner auch der Unterzeichneten zu melden.

Genoffinnen, frisch ans Werk! Berlin , den 20. Nobember 1906.

Mit Parteigruß Ottilie Baader , Vertrauensperson der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands

Berlin SW, Lindenstr. 3, letzter Hof, parterre.

Die Ausnahmebestimmungen des Entwurfes beziehen sich

Gastwirtsgewerbe.

zunächst nur auf die rechtsfähigen Gewerkschaften. Ihnen zur Lage der weiblichen Angestellten im ist es unter anderem verboten: 1. Einen Zweck zu verfolgen oder Mittel des Vereins für einen Zweck zu verwenden, welcher der Satzung fremd ist und, falls er in der Satzung Im Laufe dieses Jahres sind vor Münchener Gerichts­enthalten wäre, die Verwaltungsbehörde zum Einspruch höfen eine Reihe Klagen von Kellnerinnen gegen Gastwirte gegen die Erteilung der Rechtsfähigkeit an die Gewerkschaft zum Austrag gebracht worden, die ein grelles Schlaglicht berechtigt haben würde. 2. Eine Aussperrung oder einen auf die Arbeitsverhältnisse werfen, unter denen die Kellne Arbeiterausstand herbeizuführen oder zu fördern, die mit rinnen zu arbeiten gezwungen find. Abgesehen von ihrem Rücksicht auf die Natur oder die Bestimmung des Betriebs allgemeinen sozialpolitischen Interesse beanspruchen die be geeignet sind, die Sicherheit des Reiches oder eines Bundes- leuchteten Verhältnisse auch darum die Aufmerksamkeit staats zu gefährden, eine Störung in der Versorgung der weiterer Streife, weil das das Wirtshaus besuchende Publikum Bevölkerung mit Wasser oder Beleuchtung herbeizuführen durch das Trinkgelderunwesen direkt davon berührt oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben zu verursachen. wird. Unter den Beklagten befand sich der Ökonom des Handelt eine rechtsfähige Gewerkschaft gegen diese Verbote, Münchener Hofbräuhauses". Eine im Hofbräuhaus be so tann ihr nicht nur die Rechtsfähigkeit entzogen werden, schäftigt gewesene Kellnerin klagte über 600 Mt. ein, die sie Das gleiche Recht der Rechtlosigkeit. Rechtlosigkeit. fondern die Behörde ist auch befugt, durch einstweilige An- in fünf Jahren für" Bußgeld"( täglich 25 Pf.), für zer­ordnung diejenigen Maßnahmen gegenüber dem Verein zu brochene Maßkrüge usw. bezahlt hatte. Auch die von den Den Arbeiterinnen ist großes Heil widerfahren: endlich treffen, die zur Abwendung der Gefährdung im öffentlichen Gästen zerbrochenen Maßkrüge mußten die Kellnerinnen im ist von den Regierungen der erste Schritt dazu getan, den Interesse geboten erscheinen. Gegen die einstweilige An- Hofbräuhaus mit 1 Mt. pro Stück bezahlen, obgleich diese Arbeiterinnen dasselbe Koalitionsrecht zuzugestehen wie den ordnung ist nur eine Beschwerde zulässig, die aber keine auf- nur einen Wert von etwa 30 Pf. haben. Sodann wurde männlichen Arbeitern. Dem Reichstag ist nämlich bei der schiebende Wirkung hat. Hiernach kann die Behörde sich ihnen der volle Betrag des Krankengeldes in Abrechnung Wiederaufnahme seiner Verhandlungen von den Regierungen stets in einen gefährlichen" Streit einmischen, kann den gebracht. Da die Kellnerinnen Barlohn nicht empfangen, der ,, Entwurf eines Gesezes betreffend gewerbliche rechtsfähigen Gewerkschaften die Unterstützung der streikenden sondern ledig'ich auf Trinkgeld angewiesen sind, so wurde Berufsvereine" zugegangen. Durch ihn sollen die Rechts- oder ausgesperrten Arbeiter verbieten und die Gelder dieser der Ökonom in diesem Punfte verurteilt. Im übrigen ging verhältnisse der Gewerkschaften von neuem geregelt werden. Gewerkschaften mit Beschlag belegen. Im besten Falle, die Klage vom Gewerbegericht an die Zivilkammer des Land­In der Begründung des Entwurfes wird unter anderem wenn nämlich die Beschwerde hierüber als berechtigt an- gerichtes und wurde nur bezüglich des zu Unrecht abge­ausgeführt: erkannt wird, werden dann später, nachdem die streiken zogenen Krankengeldes zugunsten des Klagenden Mädchens Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Arbeiter durch den Hunger überwältigt worden sind, entschieden. Seit jenen Vorkommnissen hat der bayerische der Neuzeit hat mehr und mehr dazu geführt, daß Frauen die Gelder wieder freigegeben. Gefährlich" aber erscheinen Finanzminister angeordnet, daß den Kellnerinnen, Pubgeld" selbständig erwerbstätig auftreten. Namentlich auf dem nur zu vielen Beamten alle Streits der Arbeiter, zumal nicht mehr abgezogen werden darf, und daß die Kranken­gewerblichen Gebiet verschaffen fich zahlreiche weibliche wenn die Unternehmer die Forderungen der Arbeiter mit tassenbeiträge für sie bezahlt werden.