Nr. 7

Die Gleichheit

eeee e Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen e

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder.

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Bon P. H.

Inhalts- Verzeichnis.

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Umsturz und

Stuttgart den 3. April 1907

17. Jahrgang

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit sind zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

ohne eine gewisse übergangszeit" und ohne gewisse Ausnahmen" wird es auch bei dieser Gelegenheit nicht gehen. Hierauf bereitete der Minister die Arbeiterinnen schon jetzt vor.

Abgeordnete Hué erinnerte im Reichstag am 9. Marz daran: Jm Jahre 1877 ist das Ergebnis einer Enquete Die Sozialpolitik im Reichstag. Von Gustav Hoch . Revolution. II. Von J. B. Das Leben einer Idealistin. Von herausgekommen, worin seitens der Reichsregierung Er Anna Blos.( Forts.) Eine Massenaussperrung in der Holz- hebungen über die Lage der Arbeiterinnen angestellt industrie. Von Ernst Deinhardt. Aus dem österreichischen worden sind. Dort wird mitgeteilt, es wäre eine zehn- bis Die Konservativen hatten denn auch für dieses Aber Wahlkampf. Von Emmy Freundlich. Säuglingsfürsorgestellen. elfstündige tatsächliche Arbeitszeit täglich wohl die Regel, das nötige Verständnis. Sie beeilten sich, dem Minister außerdem scheine in der Textilmdustrie eine Verlängerung den Vorschlag zu machen, daß die Festsetzung der Über­Aus der Bewegung: Von der Agitation. Von den Organisationen. bis zu 13 Stunden nicht selten zu sein. Das war der gangszeit" und der Ausnahmen" den- Berufsgenossen­-Jahresberichte der weiblichen Vertrauenspersonen von Bern - Zustand im Jahre 1877. Und mun 30 Jahre später! fchaften, also den Arbeitgebern selbst überlassen bleiben burg, von Burg und von Hohndorf - Rödlig. Halbjahresbericht Wie steht es heute damit? Heute berichten die Ge- soll. Dann würden die Verbesserungen, welche den Ar­der Vertrauensperson der Genossinnen Alstadens( Rheinland). Eine gründliche Abrechnung mit den bürgerlichen Damen in beitszeit eriſtiere; ja der letzte Gewerbeinspektorenbericht werden, in der Praxis durch die Arbeitgeber wieder werbeinspektoren, daß eine zehn-, elf, zwölfftündige Ar- beiterinnen durch das Gesetz auf dem Papier versprochen Hamburg . Nachtlänge vom Wahlkampf. Die Behörden erzählt zum Beispiel aus dem Oberelsaß, daß die Arbeite- hübsch bis auf den letzten Rest aufgehoben werden. im Kampfe gegen die proletarischen Frauen. Politische Rund­schau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Genoffen- rinnen bis 13 Stunden acbeiten, und ein anderer Gewerbe- Gegen diese Gefahr müssen die Arbeiterinnen beizeiten schaftliche Rundschau. Von H. FI. inspektor aus Lippe erzählt, daß Arbeiterinnen sogar bis und mit allem Nachdruck Stellung nehmen. Deshalb Gewerkschaft- 17 Stunden täglich arbeiten. Und die unfruchtbaren" lenken wir schon heute die Aufmerksamkeit unserer Lese­Sozialdemokraten haben bereits im Jahre 1877 einen rinnen hierauf. Wir werden aber noch darauf aus­Feuilleton: Das Konfirmationskleid. Von Otto Erich Hartleben . Antrag im Reichstag eingebracht, der den Zehn- führlich zurückkommen. ( Gedicht.) Ein Stelldichein. Von Iwan Turgenjeff.

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Notizenteil: Dienstbotenfrage. Frauenstimmrecht.

liche Arbeiterinnenorganisation.- Quittung.

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Die Sozialpolitik im Reichstag.

stundentag für Männer, den Achstundentag für Frauen und jugendliche Arbeiter für die gesamte Industrie verlangte. Wie schlimm die Zustände inzwischen ge­

worden seien, zeige die Tatsache, daß in der Bergwerk­

Gustav Hoch.

Umsturz und Revolution.

II.*

und Hüttenindustrie, einer der schwersten und ge­Im neuen Reichstag ist es während des ersten Abfährlichsten Industrien in Deutschland , noch zirka Bis jetzt haben wir uns lediglich mit Zahlen abgegeben. schnittes seiner Tagung zu einer ausgedehnten Debatte 17000 Arbeiterinnen beschäftigt werden. Die chemische Es ist aber nicht jedermanns Sache, aus Zahlen ein an­über die Sozialpolitik gekommen. Zunächst wendeten sich Industrie, auch eine sehr gesundheitschädliche, um schauliches Bild herauszulesen. Um uns einen Einblick zu unsere Genossen gegen die alte Lüge, die auch in dem faßt noch 20000 Arbeiterinnen. Der Abgeordnete Korfanty verschaffen, wie der deutsche Arbeiter mit seinem erbärm­letzten Wahlkampf wieder von den Gegnern ins Feld( Pole) bestätigte in der nächsten Sigung des Reichstags, lichen Einkommen lebt, wollen wir deshalb noch ein anderes geführt worden ist: die Sozialdemokratie leiste nichts daß in Oberschlesien viele Arbeiterinnen in Bergwerfen und Mittel zu Hilfe nehmen. Es gibt wahrheitsgetreue Schilde­" Positives" für die Arbeiter. Die Debatte hierüber führte Hütten 11 Stunden- manchmal auch über 11 Stunden ungen des Arbeiterlebens; an diese wollen wir uns halten. uns die unermüdliche Tätigkeit der Sozialdemokraten im am Tage in dem Staub und in dem fürchterlichen Lärm demokraten als Zeugen anführen, sondern nur solche Leute, Und zwar wollen wir dabei keinen Heter", keinen Sozial­Interesse der Arbeiter, die unaufhörlichen Bemühungen und Geräusch, das auf den Gruben herrscht, beschäftigt über deren staatserhaltende" Gesinnung kein Zweifel ist. der Sozialdemokraten für den Ausbau der Arbeiterschutz werden. Die Zahl der so ausgebeuteten Arbeiterinnen Der Berliner Universitätsprofessor Paulsen hat ein gesetzgebung und den Widerstand, den die bürgerlichen nehme von Jahr zu Jahr zu. Und mit bitterer Jronie philosophisches Werk herausgegeben, in dem er auf die Parteien dagegen leisteten, vor Augen. Demgemäß flang fügte der Abgeordnete hinzu: Nur in einer Beziehung Lebensverhältnisse der Wohlhabenden wie auch der Armen die erste sozialpolitische Debatte des neuen Reichstags in sei die preußische Regierung in der Frage der Frauen- zu sprechen kommt.** Natürlich können wir von dem, was das Zugeständnis der bürgerlichen Redner aus: Das arbeit liberal, nämlich darin, daß sie sehr häufig Aus- er sagt, hier nur ganz wenig anführen. Man liest da zu­Reich muß viel mehr als bisher seinen sozialpolitischen nahmen auf eine längere Beschäftigung der Frauen nach nächst über die Wohlhabenden: Aufgaben gerecht werden. § 138a der Gewerbeordnung wegen außergewöhnlicher( des' modernen Wohnhauses der Reichen) erblickt man oft ... An der breiten, hellen, mit Läufern belegten Treppe Hiernach hätten wir endlich einmal etwas Gutes für Häufung der Arbeit geftottet. So seien im Jahre 1905 eine bemerkenswerte Inschrift: Nur für Herrschaften". Sie die Arbeiter von der Gesetzgebung des Reiches zu er in 12 Betrieben zirka 270 überschichten für Arbeiterinnen zeigt an, daß in dem Hause zwei Klassen von Menschen warten, wenn die schönen Versprechungen der bürger- gestattet worden. Diese unvernünftig ausgedehnte und wohnen, Herren und Dienstbare; zu letzteren führt der Zu­lichen Parteien erfüllt werden. Leider ist hierfür nach schwere Frauenarbeit werde, erzählte der Abgeordnete gang über den Hof und die Hintertreppen, eine Einrichtung, den bisherigen Erfahrungen nicht viel Aussicht vorhanden. weiter, in Oberschlesien auch noch höchst miserabel be- welche dem bürgerlichen Haus des 18. Jahrhunderts noch Denn auch in den früheren Reichstagen haben es die zahlt. Der Fiskus bezahle die Arbeiterinnen nach seiner unbekannt war. Wie das Haus, so die Wohnungen: in den bürgerlichen Parteien an schönen Versprechungen nicht eigenen Statistik mit zirka 1 bis 1,10 Mt. pro Tag und Bimmern, wenigstens den Vorderzimmern, den Ausstellungs­fehlen lassen, und trotzdem ist es in den letzten Jahren die privaten Hütten und Gruben mit 98 bis 99 Pf. räumen für den Nationalreichtum, findet man statt der mit unserer Sozialpolitik nicht vorwärts gegangen. Damit pro Tag. älteren Papierbekleidung zierliches Holzgetäfel und Leder­werden wir auch in Zukunft zu rechnen haben. Dies Der Zentrumsabgeordnete Trimborn hatte die Reichs- Majolikaöfen. Geschnitzte und gepolsterte Möbel, Gemälde tapeten , statt der frostigen weißen Rachelöfen Kamine und hat uns kein Geringerer als der Minister für die Sozial- verwaltung befragt, wie es mit dem Gesezentwurf zur und Musikinstrumente, Porzellan und Silbergerät gehören politik des Reiches, Graf v. Posadowsky bezeugt. Er Herabsetzung der gesetzlich festgelegten Marimalarbeitszeit nicht minder zu der Ausstattung einer bürgerlichen" Woh wies in der Sigung des Reichstags am 9. März darauf auf 10 Stunden täglich für die Fabrikarbeiterinnen steht. nung. Wie einfach sieht ein Stück, mit dem vor 50 Jahren hin, daß die Ansichten darüber, ob Sozialpolitik zu treiben Hierauf antwortete Graf v. Posadowsky, daß in einer die Großmutter Staat machte, neben der neuesten Aus­ist oder nicht, verschieden seien. Es gibt", fuhr der Zeit, da die preußische Staatsregierung in einer großen stattung der Enkelin aus, die im übrigen auf derselben ge­Minister dann fort, einen Standpunkt, der auch in Anzahl fiskalischer Betriebe zur neunstündigen Arbeitszeit sellschaftlichen Stufe steht. Man vergesse auch nicht die Deutschland , wenn auch in verschleierter Form, sich in der Männer übergegangen sei, die elfftündige Arbeitszeit Hochzeitsgeschenke zu befehen, welche von Freunden und der Öffentlichkeit bisweilen geltend macht; der, wenn der Frauen nicht länger aufrecht erhalten werden könne. malten, geschnitten, gespritzten, gebrannten, gestickten, gewirkten Freundinnen dem jungen Paar gebracht werden: die ge­er ganz sein Herz entdeckte und aufschlösse, vielleicht er- Der Minister mußte also die Verkürzung der Arbeitszeit Tischchen, Deckchen, Kästchen, Rähmchen, Bilder, Schirme, flärte: Die Sozialpolitik war ein verhängnisvoller für die Frauen als die unvermeidliche Konsequenz der Teppiche und andere Niedlichkeiten, zu allem tauglich, nur nicht Schritt." In dieser klaren und schroffen Form Fortschritte anerkennen, welche die männlichen Arbeiter zu einem wirklichen Gebrauch, oder vielmehr nur zu einem taug­äußert man sich zwar nicht, man erklärt auch, man sei durch den Druck ihrer Gewerkschaften erzwungen haben. lich, nämlich zur Ausstellung in den für die Schaustellung für Fortführung der Sozialpolitik, bekämpft aber jeden Im weiteren bekannte sich der Minister zu der Meinung": des Nationalreichtums bestimmten Räumen, welche sich zu einzelnen Schritt, der auf diesem Wege vorwärts gemacht Der gesunde Körper der Frau, der uns das fünftige Ge- beschaffen, nebst einem Stubenmädchen als Aufseherin dieses schlecht liefern soll, ist in unserem Volfsleben ein so Museums, das junge Paar denn auf diese Weise zugleich Dieser Widerspruch kennzeichnet aber in Wahrheit die wichtiger Faktor, daß wir bei unserer fortschreitenden angehalten wird.... ganze bürgerliche Sozialpolitik. Sie will mit ihren sozial Industrie, die zum Teil auch mit erhöhten Gefahren für gibt Gesellschaften, Bälle, Diners, man hat eine Diener­... Der Einrichtung entspricht die Lebensweise. Man politischen Maßnahmen die Interessen sowohl der Arbeit- Gesundheit und Leben verbunden ist, dieser Frage( der schaft, wenigstens leihweise, man macht alljährlich im Sommer geber als auch der Arbeiter fördern. In diesem Sinne Verkürzung der Arbeitszeit) ein ernſtes Augenmerk zu seine Badereise, sie gehört zu den gesellschaftlichen Anstands­stellen die bürgerlichen Parteien den Ausbau unserer wenden müssen. Diese Meinung" haben die Sozialdemo- pflichten der bürgerlichen" Familie, über deren Erfüllung Arbeiterschutzgesetzgebung als eine der wichtigsten Auf- fraten bereits vor dreißig Jahren vertreten es hat Bescheinigungen ausgestellt werden; ich wüßte wenigsten gaben des Reiches hin. Sobald es sich aber um die demnach etwas lange gedauert, bis sich die Herren Mi- die Zäschchen und Körbchen mit Inschriften: Heringsdorf , Durchführung irgend einer sozialpolitischen Forderung nister zu der Meinung" der Sozialdemokraten bekehrt Friedrichsroda usw., die gegen Ende des Sommers von handelt, sträuben sich dieselben Herren aufs äußerste da- haben. Jetzt endlich aber ist die Bekehrung glücklich ge- Frauen und Kindern auf den Straßen Berlins zur Schau gegen, weil der Profit der Arbeitgeber geschmälert werden lungen. Deshalb hat sich Graf v. Posadowsty mit dem getragen werden, nicht anders zu deuten...." fönnte. Wir erinnern nur an das Verhalten der be- preußischen Handelsminister darüber verständigt, daß der teiligten Arbeitgeber und der Gesetzgebung gegenüber der zehnstündige Arbeitstag der Frauen eingeführt werden Forderung auf Verkürzung der gesetzlich zulässigen Ar- muß. In der nächsten Session werde eine entsprechende beitszeit für die Arbeiterinnen. Der sozialdemokratische Vorlage dem Reichstag unterbreitet werden. Aber

wird."

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* Der erste Artikel dieser Serie ist in Nr. 1 des laufenden Jahrgangs erschienen. ** Friedrich Paulsen , System der Ethik". Berlin 1903, Cotta. 6. Auflage. Band II, Seite 351 bis etwa 520.

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