en ig- er- fee in lld eld re, ci- 18. Jahrgang vie Gleichheit Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen Mit den Bellagen: Für unsere Mütter und Äausfrauen und Für unsere Kinder T»«.Sletchhett' erscheint alle Vierth» Tage einmal. Preis der Nummer lS Pfennig, durch die Post vierteljährlich»hu« Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband»5 Pfennig. Iahres�ldonnement 2,50 Marl. Stuttgart   den 2. März 1908 Zuschriften an die Redaktion der.«leichhett* find zu richte» au Frau Klara Zetkin  (Zundslj, WtlhelmShöhe, Post Degerloch bei Stuttgart  . Die Erpedition befinde« sich w Stuttgart  , Furtbach�traß« 12. ZuhaltSvrrzeichui». Arbeit und Kapital in der Textilindustrie. Bon H. JSckel-Berlin. Zwei treue Kämpfer deS Proletariat«. Arbeitskammern als Mittel zur Vergewaltigung der Arbeiter. Bon Gustav Hoch. Zur Hebaomtenfrage. Bon N. Xt. Eine freigesprochene Atten- tätrri». van A7. Säch fisch« FabrikwfpettilM ISO«. I. Bon ». kst. Die Dienstbotrnbewegung marschiert. Bon Luise Ziep. Au» der Bewegung: von der Agitation. Bon den Organisationen. Tätigkeitsbericht der BertrauenSperson der Genossinnen Leipzig  ». Ein srrifinniger Magistrat im Kampfe gegen da» Verein». «»d Versammlungsrecht der Arbeiterinnen. Politische Rund­schau. Bon kl. ö. Gewerkschaftlich« Rundschau. Genossen. schastlichc Rundschau. Bon L. kl. Notlzcnteil: Dirnstbotensrage. Arbeitsbedingungen der Arbeite- rinnen. Frauenstimmrecht. Sozialistisch« Frauenbewegung im ÄuSland. Feuilleton: Zeiche». Bon Joseph von Sichendorfs.(Gedicht.) Nihrikele. Bon GottUeb Echnapper-Arndt.(Forts.) Arbeit und Kapital in der Textil­industrie. In zahlreichen Orten Deutschlands   toben zurzeit heftige Kämpfe der organisierten Textilarbeiter und-arbeiterinnen gegen das organisierte Kapital. Das Unternehmertum mißbraucht in frivolster Weise seine wirtschaftliche Macht, um die ohnehin kümmerlichen Verdienste der schaffenden Proletarier noch weiter zu kürzen. Der Gold Hunger und die Sorge um die weitere Einsäckelung der bisherigen fetten Profite auch in der kommenden Zeit abflauender Konjunktur zwingen den Kapitalist, jede �Rücksicht auf das Wohlbefinden der Menschen fahren zu lassen, die diese Profite erzeugen. Der Goldregen der letzten Jahre füllte die Taschen der Unternehmer. Immer reicher wurden die Kapitalisten der Textilindustrie. Doch scheint es, daß mit dem zunehmenden Reichtum den Unternehmern der letzte Rest sozialen Empfindens geschwunden ist. In den mannigfachsten, vom Proletarier kaum geahnten Genüssen und Vergnügungen werden ihrerseits die Tage verbracht, und Gefühl für das Elend anderer ist kaum vorhanden- Die Scham floh zu den Hunden. So erklärt sich die Leicht­fertigkeit, mit welcher die Herren den Lohn der Arbeiter zu kürzen suchen, und die biedermännische Heuchelei, mit welcher die Unternehmerpresse den aufgenommenen Kampf der Arbeiter gegen die Herabdrmkung ihrer Lebenshaltung betrachtet. Wie reich hat nicht der Goldregen der letzten Jahre die Acker der Textilmdustriellm befruchtet! Im Jahre 1907 wurde nach Angabe desKonfektionär� in der Textilindustrie nahezu doppelt so viel Kapital als 190L, nämlich 46,7 Millionen Mark, in den Aktien­gesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung investiert. 57 Gesellschaften mit einem Kapital von 36,8 Millionen Mark wurden neu gegründet, darunter 13 Aktiengesellschaften mit 26,2 Millionen Mark. Der Rest der oben angeführten Summe wurde zur Erweite­rung bestehender Betriebe verwandt. Das gesamte Kapital verteilte sich auf 71 Gesellschaften. 1906 entfielen auf 72 Gesellschaften nur 26,36 Millionen Mark. Zum Ver gleich seien die Zahlen der Neugründungen von Aktien gesellschaften mit Ausschluß der Gesellschaften mit beschränkter Haftung seit dem Jahre 1897 und die Summe des dazu verwandten Kapitals hier wieder­gegeben. Es wurden gegründet: 1897/93 30 Gesell­schaften mit 31330000 Mk., 1983/99 18 Gesellschaften mit 23860000 Mk., 1899/1900 21 Gesellschaften mit 31655000 Mk., 1900/01 9 Gesellschaften mit 15770000 Mk., 1901/02 4 Gesellschaften mit 9575000 Mk., 1902/03 2 Gesellschaften mit 4000000 Mk., 1904/05 11 Gesell- schaften mit.16070000 Mk. und 1905/06 8 Gesellschaften mit 10550000 Mark. Diese Zahlen zeigen deutlich die glänzende Prosperität der Textilindustrie in den letzten Jahren. Nach einer unvollständigen Aufstellung haben 1906 362 Aktiengesellschaften mit 630634703 Mk. Kapital zusammen 55340684 Mk. als Dividende verteilt. DaS sind zirka 8,7 Prozent. Andere Berechner haben mehr als 9 Prozent Dividende herausgebracht. Der in Form von Dividende zur Auszahlung gebrachte Betrag stellt aber durchaus nicht die Summe deS Reinaewinns dar. Dazu kommen noch die verschiedensten Rücklagen(Spezial- reservefonds,Dispositionsfondsusw.), außerordentlich hohe Abschreibungen, Verwendung von Mitteln zu Betriebs­vergrößerungen, Gratifikationen und Tantiemen. Die durch die angeführten Zahlen illustriertesegensreiche� Entwicklung läßt sich zahlenmäßig leider nur für die offenen Betriebsgesellschaften nachweisen. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß die in den Händen Privater befindlichen Großbetriebe der Textilindustrie in gleicher Weise emporblühten und Gewinn brachten. Das Jahr 1907 hat eine weitere bedeutende Steigerung des Ertrages der textilindustriellen Unternehmungen gebracht. Aber alle Steigerung des Ertrages der Arbeit in den Textilbetrieben kommt nur einer kleinen Anzahl Menschen zugute. Der ganze gewaltige Reichtum bleibt in den Händen weniger. Die vielen hunderttausend Arbeiter und Arbeiterinnen nehmen daran nicht teil. Unter großen Anstrengungen der Organisation und begünstigt von enormer Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskrästen in der Zeit der Hochkonjunktur konnte für einen Teil der Arbeiterschaft eine mäßige Lohnerhöhung errungen werden. Aber nur für einen Teil. Hunderttausende Textilarbeitermüssennoch unter den entsetzlichsten menschen­unwürdigsten Verhältnissen ihre Tage verleben. Wir denken an die zahlreichen Proletarier, die in den großen Jutebetrieben, den Wollkämmereien und-Wäschereien, den Leinewebereien und teilweise den Kammgarn- und Baum­wollspinnereien beschäftigt sind, und die, der Organisation fernstehend, in knechtischer Unterwürfigkeit dem Kapital fronden. Man blicke ist die Wohnnygen der Textilarbeiter von Braunschweig  , Vechelde  , Hemelingen  , Bremen  , Schiff­beck, Wilhelmsburg   usw., und die Fülle des vorhandenen Elends tritt greifbar vor den Beschauer hin. Ein Tisch, einige Stühle, eine alte Lade, eine Bettstelle, oft nur mit einigen Lumpen bedeckt, eine Anzahl halbnackter Kinder, eine ebensolche Frau und an Sonntagen ein oft be­trunkener Mann: das ist alles, was das Auge entdeckt. Und dieses wenige gibt Aufschluß über die Entlohnung der Bewohner in der Fabrik. Bürgerliche Ideologen, die da sagen, hochentwickelte Industrie bringe not­wendig höhere Lebenshaltung der Arbeiter mit sich, können hier lernen, daß die Tatsachen ihre Theorien Lügen strafen. Tie Verufsgenossenschasten verzeichnen als höchsten Tageslohn in der Seidenbranche 2,74 Mk. und als niedrigsten in Schlesien   1,75 Mk. Diese Angaben werden bestätigt durch Erhebungen, welche in einzelnen Orten vorgenommen wurden. So verdienten im Juni 1907 in Braunschweig   von zusammen 1458 Arbeitern und Ar­beiterinnen, welche sich an der Umfrage beteiligten: pro Woche 120 männl. Verheir. im Zeitlohn 17,21 Mk. 54 66 weibl.- 417- 87 männl. Ledige 51-- 54 weibl.- 603 Akkord Zeitlohn Akkord Zeitlohn Akkord Zeitlohn Akkord 18,22 9,25 11.07 3,61 10,74 9,58 10,59 Durchschnittsalter 37,79 Jahre 37,19- 20,15- 21,52. Den 120 verheirateten männlichen Arbeitern standen also pro Tag zirka 2,46 Mk. zur Verfügung, um alle Bedürfnisse einer Familie zu befriedigen. Dabei muß berücksichtigt werden, daß in Braunschweig   seit einigen Jahren mit Erfolg eine intensive Organisationsarbeit betrieben worden ist. Trotz der Erschwerung der Aus­übung des Versammlungsrechts durch die Polizei ist es vorwärts gegangen. Dort, wo solche Erhebungen un­möglich, wo die Arbeiter noch absolut indifferent sind, sieht es schlimmer aus. Erhebungen in Schlesien   ergaben Durchschnittstagelöhne für verheiratete Männer von 1,30 Mk. In Landeshut   wurden Durchschnittslöhne der Weber von 10,44 Mk. pro Woche festgestellt. Gewiß gibt eS Arbeiterschichten, deren Löhne höher als die an­gegebenen sind. Einen besseren Verdienst haben zum Bei­spiel die Baumwoll- und Kammgarnspinner, die Sticker, ein Teil der Weber, welche besonders qualifizierte Arbeit verrichten. Auch die Wirker stehen in Zeiten günstiger Konjunktur über dem angegebenen Durchschnitt. Aber die Entlohnung der großen Mehrzahl der deutschen   Textil­arbeiter ist elend, vor allen Dingen dort, wo die Organi­sation noch nicht Eingang gefunden hat. Gradezu auf­reizend müssen die hohen Zahlen wirken, welche jetzt allwöchenttich von den Aktiengesellschaften über den Rein­gewinn im Jahre 1907 verössentticht werden, denn diesen großen Profiten stehen niedrige Löhne der Arbeiter zur Seite. Und was tut das reich, aber noch lange nicht satt" gewordene Unternehmertum? Es versucht die Löhne, die einige Groschen über dem Durchschnitt stehen, auf das Niveau des Verdienstes der am schlechtest ge­stellten Arbeiterschichten herabzudrücken. Kaum hat die Konjunktur etwas nachgelassen von einer Krisis kann noch nicht gesprochen werden, kommen aus allen Ecken und Enden des Reiches Meldungen über Lohn­reduktionen. In Zittau  , Gornsdorf,Heinersdors,Lunzenau  , Altenhain i. S., Glauchau  , Spremberg  , Forst, Berlin  , Krefeld  (Baumwollspinnerei) versuchen einzelne Industrielle oder Gruppen von Unternehmern die Löhne herabzu­drücken. In manchen Orten ist durch Streik das Übel ab­gewendet worden, in anderen Orten steht der Ausbruch des Kampfes bevor. Im Erzgebirge   streiken seit Weihnachten die Wirker und deren Hilfsarbeiterinnen. Das gesamte betreffende Unternehmertum hat sich zusammengeschlossen. Es ver­suchte durch Verkürzung der Arbeitszeit in den nicht be­streikten Betrieben des Gebirges die von der Produktions­einschränkung betroffenen Arbeiter gegen die Streikenden zu Hetzen, Haß und Zwietracht zwischen die Proletarier zu säen nnd so die Streikenden zu zwingen, den Kamps aufzugeben. Der Schlag blieb ohne Wirkung. Jetzt droht dieArbeitgeberzeitung" mit Aussperrung. Auch das wird die Arbeiter nicht einschüchtern. Es ist der Trieb der Selbsterhaltung, der die Ausgebeitteten zwingt, ihre ganze Kraft anzuwenden. DieArbeitgeberzeitnng" glaubt dieLohnregulierung" damit rechtfertigen zu können, daß sie sagt, 65,3 Prozent der streikenden Männer hätten durchschnittlich über 20 Mk., 42,9 Prozent über 25 Mk. und 154 Männer sogar über 27 Mk. pro Woche verdient. Selbst wenn diese Angaben absolut richtig wären, könnten die angezogenen Löhne, die in einer Zeit noch nicht da­gewesener Hochkonjunktur erzielt wurden, angesichts der sich stetig steigernden Ausgaben für die notwendigsten Lebensmittel eine Herabsetzung nicht begründen. Und die Kürzung betrug 3,40 Mk. pro Woche für den einzelnen Arbeiter, nicht 144 Mk. für 600 Arbeiter, wie die Gegner behaupten. Aber warum schweigt sich dieArbeitgeber- zettung" aus über die kolossalen Betriebserweiterungen in der Wirkerbranche, über das Entstehen so vieler großer Fabriken, von sonsttgen Prachtbauten in dem bisher so einfachen Erzgebirge   zu schweigen? Warum kein Wort von dem Jubel der Unternehmerfachprcsse in den letzten Jahren über diegewinnbringenden Geschäfte" der Wirker- branchc? Weit mehr als der Lohn der Arbeiter durch ihren Zusammenschluß ist der Gewinn der Unternehmer gestiegen. Das wissen die Arbetter, und da der Mangel bei ihnen ständiger Gast ist, sind sie gezwungen, sich zu wehren gegen jede Herabdrückung ihrer Löhne. Die rücksichtslosen Lohnkurzungen zahlreicher Textil- unternehmer Deutschlands   werden wetteren Tausenden Proletariern die Augen öffnen. Der einzelne Kapitalist kann gewiß aus seiner Haut nicht heraus. Vermehrung seines Kapitals wird immer sein höchstes, ja schließlich sein einziges Strebe,: sein. Kein Mittel ist zu schlecht, das nicht angewandt würde, um das Ziel des Strebens zu erreichen. Der Zweck heiligt das Mittel. Menschen- recht, Menschenglück usw. wird nur respektiert, soweit es nicht zusammenstößt mit dem Streben der Kapitalisten­klasse nach Mehrwert. Nur der organisierte Kampf des organisierten Proletariats kann die Ausgebeuteten vor absoluter Verelendung schützen. Deshalb, Proletarier der Textilindustrie, auch in der Zeit niedergehender Kon- junktur stärkt euren Verband und kämpft mit der Sozial­demokratie. H. Jäckel. Berlin  .