Nr. 12Die GleichheitINangeblich fürsorgliche Tätigkeit für die Töchter des Proletariats. Sie verschaffen sich die Adressen der Mädchen, dieaus der Schule entlassen werden, um ihnen gute Stellungenals Dienstmädchen nachzuweisen. Mit der Vermittlungwerden Damen beauftragt, die die Eltern der Kinder aufsuchen und ihnen gewöhnlich nicht genug des Guten überdie zu vermittelnde Stelle sagen können: die Tochter werdees gut haben, ein luftiges Zimmer erhalten, ein gutes Bett,gutes, reichliches Essen und gute Behandlung. Sie werdein allen häuslichen Arbeiten so angelernt werden, daß siespäter sämtliche Verrichtungen des Haushalts selbständig tunkönne. Wenn eine Mutter schüchtern nach dem Lohne fragt, sowird ihr zur Antwort, daß die Eltern statt auf hohen Lohnlieber auf gute Behandlung sehen möchten. Meist gestaltet sichdas Leben einer 14 bis 1d jährigen Anfängerin im Dienst ganzanders, als sie es sich nach den schönen Schilderungen gedachthat. Lber die Länge der Arbeitszeit wird häufig bei dem Vermieten gar nicht gesprochen, und so muß das Mädchen oftvon morgens 6 Uhr an bis in die sinkende Nacht auf denReinen sein, um die vielseitig« Arbeft zu verrichten, die intinem bürgerlichen Hause nie alle wird, besonders wennKinder vorhanden sind. Kaum darf das Mädchen bei denDiahlzeiten sitzen bleiben, fortwährend ist der Klingelzug inRewegung. Ist die Arme überanstrengt, und kann sie in-svlgcdessen die Befehle nicht schnell genug ausführen, so erhält sie Schelte und bei einer nervösen Dame wohl auchPüffe. Da ist es kein Wunder, wenn manches junge Dingan ein oder zwei Stellungen übergenug hat, dem Hausdienstöen Rücken kehrt und ihm jede andere Tätigkeit in Fabriken»der kaufmännischen Geschäften vorzieht, wo die Arbeft zeitlich beschränkt ist. Manches Mädchen aber, das mit Engelsgeduld alle Strapazen und Echikanierungen aushält, mußöas mit seiner Gesundheft bezahlen. Die Unterzeichnete besuchte im Krankenhaus ein« Bekannte und erfuhr dabei,daß in dem betreffenden Saal außer zwei Frauen lauterbieichsüchtig« Dienstmädchen lagen, von denen in zwei Tagendrei gestorben waren. Bis zur völligen Ermattung ausgebeutet, waren sie ins Krankenhaus gebracht worden undstarben hier als Opfer ihres Berufs. Meine vierzehnjährigeTochter diente bei zwei Damen— Mutter und erwachseneTocifter— in der Hasselbroclstraßs in Hamburg. Der Arbeits-kag dauerte von morgenS k Uhr bis abends 10'/, Uhr, öftersogar noch länger. Bevor meine Tochter zu Bett ging.Mußte sie anklopfen und fragen:„Hat die Dame noch einenWunsch An den Tagen, an denen sie die Eltern besuchendurfte, hat sie nach ihrer Rückkehr wiederholt des Nachtsbis 12 Uhr vor der Haustür auf die Damen wartenMüssen, die das Theater besuchten und ihre Mädchen rück-sichtslos den Gefahren der Straße überantworteten. Um«ine Wendung zum Besseren in den Verhältnissen der jugendlichen Dienstboten herbeizuführen, müssen die Mädchensich aufklären, organisieren, müssen sie mit den Herrschaften«inen freien Arbeitsvertrag abschließen, der die mittelalter-iichen Bestimmungen der Gesindeordnungen außer Kraftletzt. Die Organisation wird sich aller ihrer Mitglieder annehmen, ganz besonders aber der jugendlichen. Diese bedürfen in erhöhtem Maße des Schutzes eines kraftvollenRereins. Ihre Jugend wird oft genug von brutalen Herrschasten besonders ausgenützt, und als Zugabe zu der Aus-Wucherung der Arbeitskrast und Gesundheit setzt es einedemütigende, knechtende Behandlung.„Ein junges DingMuß arbeiten und sich fügen lernen", heißt es. Der Entwicklung von Körper, Geist und Charakter eines jungenDlädchens schaden aber derartige Erfahrungen außerordentlich viel. Eltern, schützt darum eure jungen Töchter, indemihr sie dem Dienstbotenvereiu zuführt. B. Mangels-Franc« stimmrecht.I. X. Borbereituuge« zum Kampfe um das allgemeineHrauentvahlrecht iu Norwegen. Als politische Wählelinnen wird ein Teil der norwegischen Frauen bei denRtonhingswahlen des nächsten Jahres zum erstenmal andie Urne treten. Wir sagen ein Teil der Frauen, weil inPorwegen nicht das allgemeine politische Frauenwahlrecht«ingeführt worden ist, sondern nur ein Zensuswahlrecht,das in der Hauptsache den Frauen der begüterten KlasseniUgute kommt. Die angebliche politische Emanzipation desweiblichen Geschlechts ist in Wirklichkeit die Emanzipationdes weiblichen Geldbeutels. Hunderttausende Proletarielinnen, die in Gewerbe und Landwirtschaft wertschaffendiitig sind, die als Hausfrauen und Mütter Unersetzliches für den größten Reichtum des Volkes leisten, fürdas Erblühen eines gesunden Nachwuchses: sie stehen nachwie vor mit Kindern und Unmündigen auf einer Stufe-Picht weil sie Frauen sind, nein, weil sie zu den Armen,den Ausgebeuteten gehören. Die norwegischen Genossinnen bereiten daher alles vor, um den bevorstehendenWahlkampf als Wahlrechtskampf zu führen, welcherder Eroberung des Bürgerrechts für alle großjährigenbrauen gilt. Die Losung ist am 24. Mai auf einer großenPersammlung gegeben worden, welche der Frauen-Nerband der Arbeiterpartei in Christiania abgehalten hat. Genossin Tynäs, die Vorsitzende des Verbandes, und Genosse Jeppesen, Redakteur des„Sozialdemokraten", hielten die einleitenden Referate. Die Versammlung beschloß einstimmig, daß der Verband bei denOchsten Storthingswahlen eine kräftige Agilation zugunsten-es allgemeinen Wahlrechts für beide Geschlechter zu enthalten habe. Er soll zu diesem Zwecke alle Arbettcr-�ad Frauenorgantsationen auffordern: 1. iu überein-"Mmenden Resolutionen an das Storthing und die Re-die Fordernng zu erhebe«; 2. nur solche StorthingS-kandidaten zu unterstützen, die sich verpflichten, für völligepolittsche Gleichberechtigung der Frauen und Männer zustimmen; 3. zu beschließen, diese Forderung in das Agitationsprogramm des nächsten Wahlkampfes aufzunehmenBekanntlich besitzen in Norwegen die Männer bereits dasallgemeine Wahlrecht; das Zensuswahlrecht für die Frauenwurde gerade als„Korrektur", als„Gegengift" gegen denDank des allgemeinen Wahlrechts wachsenden politischenEinfluß der Arbeiterklasse eingeführt. Daher die Forderungder Verbandsversammlung, gleiches politisches Recht fürFrauen und Männer zu schaffen. Der Beschluß stellt diebürgerlichenFrauenrechtlerinnen vor den Zwang, Farbe zubekennen und durch Taten zu beweisen, ob und wie weitsie für das Recht des weiblichen Geschlechts oder die Machtdes Besitzes sind. Rio kikoäus, die»alta! Rhodus liegtvor ihnen, werden sie springen?Wachsende Airssicht auf Einfiihrnng deS FrauenstimmrechtS in England ist vorhanden. Die Regierungzeigt sich bereit, vor der Energie der Frauenstimmrechtsbewegung zu kapitulieren. Das erhellt aus der Antwort,welche Asquith einer Deputation von liberalen Abgeordneten gab, die Befürworter des Frauenwahlrechts sind.Der Minister erklärte, die Regierung werde noch vor Ablaufdieser Legislaturperiode eine Vorlage zu einer Wahlresorm einbringen. Sie habe nichts dagegen, wenn ausdem Hause heraus ein Zusatzantrag gestellt werde, der dieAusdehnung des Wahlrechts auf die Frauen bringt. DasFrauenwahlrecht soll also als Teil einer Wahlrechtsreformüberhaupt kommen. Wie diese Wahlrechtsreform aussehenwird, darüber äußerte der Minister nichts Bestimmtes. Immerhin erklärte er, sie solle„die aus dem verworrenen Standeder Wahlgesetze folgenden übelstände heilen— die Längeder zum Erwerb des Stimmrechts notwendige Seßhaftigkeit,das mehrfache Stimmrecht und die der Wirklichkeit nichtentsprechenden verschiedenen Arten der Wahlbefähigung"Des weiteren meinte er, das Frauenstimmrecht müsse„demokratisch" sein und nicht bloß einer bestimmten Klasse von Frauenzugute kommen. Die nächste Zukunft wird zeigen, ob dasFrauenwahlrecht als allgemeines Recht eingeführt wird, wiedie sozialdemokratische Föderation es fordert, oder als DamenVorrecht, wie es die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen begehren.Arbeitsbedingungen der Arbeiterinneu.Tu bist gebenedeit unter den Weibern... Achtung,ja Ehrfurcht vor dem Weibe, unter dessen Herzen ein jungesLeben keimt, war seit je nicht bloß ein Merkmal hochstehenderVölker, sondern auch auf niedriger Kulturstufe stehenden„Wilden" eigentümlich. Denn diese Achtung entspringt inletzter Wurzel nur einem durchaus natürlichen Instinkt: demInstinkt für die Erhaltung des Nachwuchses, der Gattung.Dem Kapitalismus ist die Achtung vor der Schwangerenfremd, sobald die Schwangere arm ist. Er kennt nur eineAchtung: die vor dem Besitz, und in ihm ist nur ein Instinktder herrschende: die Sehnsucht nach Profit. Das schreien dieTatsachen unseren Proletarierinnen in die Ohren. WennPrinzessinnen ihrer schweren Stunde entgegengehen, dann betendie Geistlichen von allen Kanzeln des Landes den SegenGottes auf sie herab. Die Bourgeoisfrau wird in ihrerSchwangerschaft mit aller nur erdenkbaren Pflege und Sorgfalt umgeben. Der„gesegnete" Leib der Arbeiterin aber, dieverdammt ist, in schwerer Fron ihren kümmerlichen Lebensunterhalt erwerben zu müssen, ist den schlimmsten und rohestenMißhandlungen durch schwere körperliche Arbeft fast bis zurletzten Stunde ausgesetzt. Zwei Arbeiterinnen der Schott-länderschen Ziegelei in Friedewald bei Breslau habenjüngst erst wieder die unsäglichen Qualen der Schwangerschaft einer ins Ausbeutungsjoch geschmiedeten Proletarierindurchkosten müssen. Die gegenwärtige flaue Bautätigkeit veranlaßt« den Besitzer der Dampsziegelei,«inen über Millionenverfügenden Mann, seine Produktion einzuschränken. Daweniger Ziegel hergestellt werden, braucht er auch wenigerArbeitskräfte. Zwar würde es dem Millionär kaum schwerfallen, die Arbeiter auch durch die weniger beschäftigungsreiche Zeit durchzuschleppen. Er brauchte dafür nur etwasvon dem Riesengewinn aufzuwenden, den er während derguten Konjunktur aus ihrem Mühen herauspreßte. Damitgäbe er ihnen ja nur in Gestalt von Arbeitslohn einen Teildes von ihnen erzeugten Wertes zurück, den er ihnen nichtbezahlt, den er ihnen„von Rechts wegen" vorenthalten hat.Aber ein Kamel würde eher durch ein Nadelöhr gehen,denn daß gerade ein millionenschwerer Unternehmer derentsprechenden Tat fähig wäre. Und so entließ der Besitzerder Dampsziegelei einen Teil seiner Arbefter, unbekümmertdarum, wovon diese nun leben werden; er hat ja mehr alsgenug, um sich satt zu essen. Zwar hätte er zunächst diebisher bei ihm beschäftigten Strafgefangenen zurück in ihreAnstalt schicken können, dort müssen sie ja ernährt werden,auch wenn keine Arbeit vorhanden wäre. Oder er hätte dieGalizier entlassen können, die als Lohndrücker ins Landgekommen sind, und von denen seine eigenen Gesinnungsgenossen meinen, sie seien infolge ihrer Unkultur und Roheiteine Landplage. Aber dann wäre unser Millionär doch einrecht schlechter Geschäftsmann: die billigen Arbeitskräfteließe er fahren und die teuren behielte er! Nein, der Mannversteht besser zu rechnen. Er schickt die Einheimischen fort,und er weiß, daß nun, von der Not getrieben, deren Frauenkommen und sich ihm als doppelt billige Arbeitskraft anbieten werden. Er braucht nur zuzugreisen. Wenn ein paarSchwangere darunter sind— was tut es; die kann er wegenihrer„verminderten Leistungsfähigkeit" erst recht billig bekommen. So wurden die beiden Proletarierinneu eingestellt,von deren Schicksal wir hier berichte»«ollen. Bon«in«'Rücksicht auf ihre„verminderte Leistungsfähigkeit" haben sienichts zu spüren bekommen. Die eine, Frau Mathäa, mußtetrotz ihrem Zustande die schwere Männerarbeit des Zufahrens der Ziegel verrichten! Bis sie zusammenbrachund bald darauf im Krankenhause starb. Vier kleine Kinderfolgten ihrem Sarge. Nicht viel besser erging es FrauGöppert. Sie mußte für die Schließung der Windlukensorgen, eine Arbeit, die wegen ihrer relattven Gefährlichkeitbisher stets von Männern verrichtet worden war. Infolgeder Unbeholfenheit, die durch ihre Schwangerschaft bedingtwurde, stürzte sie 4 Meter tief ab und blieb eine Stundelang schwer verletzt liegen, bis man sie auf einenBretterwagen lud und zum Arzt« fuhr. Die Arbeiterm,in deren Schoß sich neues Leben regt, ist nicht die Gebenedeite unter den Weidern, von der das hohe Lied derSchwangerschaft in der christlichen Evangeliensage spricht,sondern die Verfluchte unter den Weibern. Wenn in irgendetwaS, so offenbart sich der Widersinn der vielgerühmten„göttlichen Weltordnung" iu dieser Tatsache. eic.Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie, des Handels-und Berkehrswesens.Frauenarbeit iu Preußen. Wie der kapitalistischeHunger nach der niedriger entlohnten weiblichen Arbeftskraft wächst, das zeigen deutlich die Berichte der preußischenGewerbeaufsichtsbeamten für das Jahr 1907. Nach denstatistischen Ausweisen ist die Gesamtzahl der gewerblichenArbeiter im Jahre 1907 gegen 1906 um 8332S auf 30S949Shat sich die Zahl der weiblichen Arbeitskräfte um 27 670gesttegen. Die Zunahme beträgt 2,78 Prozent. Dagegenauf 637 929 vermehrt, das heißt um 4�2 Prozent. Stelltman die beschäftigten weiblichen Arbeitskräfte nach Altersgruppen zusammen, und zwar im Vergleich des JahreS 1904zu 1907, dann ergibt sich folgendes Bild:Anzahl der 1004Arbeiterinnen überhaupt.. ö54026über 21 Jahre alten Arbeiterinnen........16 bis 21 Jahre alten Arbeiterinnen........ 201044jugendlichen Arbeiterinnen.. 65392weiblichen Kinder..... 896remAmiahme inI»07 Pro».637929 15,14286694 326100 13,74236855 17�175570 15,561159 29,35In den der Gewerbeinspektion unterstellten Fabrikbetrieben waren 1904 2 704945 Personen beschäftigt; imJahre 1907 war die Zahl um 364 553 höher; die Zunahmebeträgt 13,47 Prozent. Das Anwachsen der weiblichen Arbeitskräste war demnach bedeutend stärker als die Steigerung der Zahl der Beschäftigten überhaupt.In den obigen Angaben sind nicht enthalten die imBergbau beschäftigten Arbeiterinnen. Deren Zahl stellt sichfür 1907 auf 10718 oder 326 mehr als im Vorjahr. DieZunahme ist demnach hier nur gering. Daß aber die Fraunicht nur vorübergehend Beschäftigung im Bergbau gefunden hat, daß sie heimisch geworden ist auch in dieserIndustrie, beweist ihr fast stabiler Anteil an der Gesamtbelegschaft. Es sind der Frau bestimmte Arbeiten zugewiesen, die mit dem Grade der Produktion ein wechselnde?Quantum Arbeitskraft beanspruchen. Wir stellen die Zahleneines Jahres der Krise und die zweier Jahre der Hochkonjunktur in Vergleich. Der Anteil der weiblichen Arbeiteran der Gesamtbelegschaft im Bergbau betrug iu Prozenten190319061907tn Ob«r-schlegrn5.45.55,5w Nieder-schieben1.51�1.4im BeztrlHalle2.32.42.3im sonstigenrechtllrhetn. itntSrhetn.Bezirl2,8 2,62,5!H32.1 2,6Die von diesen Arbeiterinnen geleistete Arbeft darf manals ziemlich gleichwertig mit der schätzen, die von oberirdischbeschästtgten erwachsenen männlichen Hilfsarbeitern geleistetwird. Aber die Frauen werden viel schlechter bezahlt alsdiese; ja ihr Lohn erhebt sich nur wenig über den Lohn derunter 16 Jahre alten jugendlichen Arbeiter oder bleibt sogarnoch dahinter zurück. Wir veranschaulichen das Lohnverhältnisdurch folgende Tabelle. Es betrug der Durchschnfttstaglohnder über Tage beschäftigten Arbeiter in Mark fürIn Oberschlesien, wo die Frauenarbeit in den Bergwerken am stärksten verbreitet ist, betrug im letzten Jahreder Frauenlohn nur 41,3 Prozent des Männerlohnes; imErzbergbau bleibt der Lohn für Frauen hinter dem derJugendlichen sogar noch zurück. Wo es sich um Ausnützungder Arbeftskrast handelt, ist von einer Hochschätzung desWeibes, von der die Spießer und Scharfmacher in und außerhalbder Parlamente so gern fabulieren, nichts zu spüren. V. v.