140 Die Gleichheit Nr. 15 o o M kochgcbirg. o o voll frtnlilch rveoil. vllKa. Steig, o Seele, mit diesen Truyigen Urweltriesenl Recke dich! Strecke dich!— Wie ihr entschlossen Seid emporgeschossen, Das Steinherz in der Brust. Das zu sehen ist Lust. Ihr seid nicht Höstich und fein, Ihr lüget nicht, weich zu sein, Euch macht nicht Sorge und Rücksicht bang, Ihr bücket euch nicht, ihr fraget nicht lang, Die Losung heißt: Durch! die Losung heißt: Kraft! So habt ihr euch Play in der Welt verschasst.— Es wird Rächt. Zort ist die Farbenpracht. Finster und schwer Stehn sie umher, Schwarzblau mit düsteren Stirnen; Selbst die weißen Firnen Leuchten nicht mehr. Ader o steh, schau empor! Sin Haupt ragt vor Ueber alle und taucht In des Ltchtquells lehten fliehenden Schein Den Scheitel ein, Zart milchweiß und rosig angehaucht. o o o o Der Amzug. VonA.R. „Herein!— Ah, guten Tag, liebe Freundin; wie nett, daß du mich wieder einmal besuchst!" „Guten Tag! Ich komme nur auf einen Augenblick. Ich muß zur Schneiderin, sie macht mir ein entzückendes Kleid nach der„Wiener Mode". Ich bringe ihr noch meine echten Brüsseler Spitzen, die geben die Unterärmel." „Hoffentlich hat deine Schneiderin guten Geschmack, denn du hast wirklich keinen." „Was, ich und keinen Geschmack! So gut wie der von Frau Doktor Neuhausen ist der meinige noch immer. Ich lese die„Modenzeitung", da werde ich doch Geschmack haben." „Na, gut also. Streiten wir nicht darüber.— Weißt du, Neuhausens ziehen aus. Eben werden die Sachen heruntergetragen; man kann alles ganz gut sehen." „Ach so, deshalb gehst du nicht vom Fenster weg. Laß sehen!" „Stelle dich nicht so, daß du sichtbar wirst; tritt doch hinter die Gardine. Frau Doktor Neuhausen hat dich kommen sehen, sie steht am Fenster und guckt zu uns herüber, ob wir ihre herrliche Einrichtung bewundern." „Herrliche Einrichtung das! Bei Dittmar haben Doktors sie ganz billig gekauft. Die Möbel sind vorher verliehen gewesen. Und das Büfett hat ihnen die alte Neuhausen erst letztes Jahr geschenkt." „Sie haben Dörner St Rasch zum Spediteur, der niacht den Umzug etwas billiger und übernimmt ihn auch für kleine Leute. Wir hatten den Hoffpediteur, als wir in die erste Etage der Hohenzollernstraße zogen." „Ich glaube, die Sachen sind schon bald alle heruntergeschafft, die Packer nehmen sich jetzt Zeit. Guck, da bringen sie einen Korb, sie tragen ihn so vorstchttg." „Da werden gewiß die Glassachen darin sein. Das Mädchen bringt noch einen großen Korb. Das ist auch schon das dritte in zwei Jahren. Die Mädchen kriegen bei Doktors so schlechtes Effen und nur 15 Mar! im Monat, meine Minna hat mir's genau erzählt." „Jetzt bringen sie den großen Spiegel, und der Doktor trägt die Leuchter dazu. Gott , wie unmodern! So etwas kauft man heute nicht mehr. Ich habe noch nicht gesehen, daß man das Klavier heruntergebracht hätte!" „Sie werden keines haben. Wozu auch? Neuhausens können beide nicht spielen." „Aber sie sollten doch ein Klavier haben, das gehört zur Einrichtung,— wie ärmlich!" „Und die paar Koffer, dort! Was steht denn auf dem dort? Palasthotel-- laß sehen, tritt ein bißchen zur Seite-- Palasthotel Rom . Da sind Doktors gewesen? In Rom ? Ja, wann denn?" „Ach, das ist schon lange her, auf der Hochzeitsreise. Wenn Neuhausens reisen müssen, dann nehmen sie immer gerade diesen Koffer mit, damit alle Leute sehen, wo sie schon einmal gewesen sind. Aber jetzt scheint alles im Wagen zu sein." „Nur ein Wagen! Wir hatten zwei!" „Schau, jetzt gehen Doktors; er trägt den Vogelbauer und sie, was trägt denn sie? Kannst du's sehen?" „Nein, auch nicht genau, vielleicht wird es die Stutzuhr sein. Doch nein, es sieht auch nicht danach aus. -- Zlber nun muß ich gehen." „Doch geschwind noch ein Täßchen Tee, gelt. Ja? --- Minna! Minna!-- Wo nur das Mädchen steckt. Minna!!" „Gnädige Frau." „Minna, Tee für uns beide! übrigens wo waren Sie, ich mußte mehrmals rufen!?" „Ich habe ein wenig zugesehen, wie Doktors Möbel verladen wurden." „So-- Sie scheinen ja nichts zu tun zu haben. Aber jetzt rasch den Tee!" „Der Möbelwagen ist fortgefahren; wo zieht Doktor Neuhausen eigentlich hin?" „In die Kaiserstraße, ins Haus vom Konsul Wiede- mann; im ersten Stock wohnt General v. Schenkhausen, im zweiten Herr Justtzrat Sand, dessen Sohn mich heiraten wollte." „Oder den du heiraten wolltest!" „Nein, der wollte mich heiraten, er mich.—— Doktors ziehen in den dritten Stock." „Woher weißt du alles so genau?" „Die Familie gilt ja in der guten Gesellschaft herzlich wenig, aber man interessiert sich doch für sie.-- Bitte, etwas Zucker?" „Danke. Noch eine Frage: WaS kostet eigenttich Doktors neue Wohnung?" „Ich weiß es nicht sicher.— Noch einen Cakes?— Unser Hauswirt sprach von 1400 Mark ohne Waffer und Gas. Die alte kostete 860 Mark mtt Wasser ohne Gas, Doktors hatten sich dort ein Zimmer für ihr Geld mit emer entsetzlich geschmacklosen grünen Tapete tapezieren lassen. Das kostete ihnen 32 Mark. Nne Tasse Tee gefällig?" „Nein, danke, keinen Tee mehr. Ich muß eilen, meine Schneiderin wartet schon auf die Brüsseler Spitzen. Adieu, liebe Freundin." „Adieu, Herz! Sonnabend komme ich zu dir.--- Minna!" „Gnädige Frau?" „Minna, meine Freundin hatte ein Paket bei sich, das sie im Vorplatz auf den Tisch gelegt hatte; was war darin?" „Stoff zu einem karietten Wollkleid." „So.— Gut!— Abdecken!" o o o o Muckis Luftballon. Von C. Leopold. „Ringel-Ringel-Rosenkranz" sang Mucki. Wenigstens bildete er sich ein, das zu singen. Nur der Eingeweihte wußte, was mit den Tönchen gemeint war, die ohne Melodie und Rhythmus von den frischen Kinderlippen surtten. Mucki war ein süßer kleiner Kerl, anderthalb Jahre alt, rund und pausbackig, lebhast und frisch, mit blondem Haar und zwei blitzenden blauen Augen, die wieder einmal in höchster Seligkeit und Reinheit strahlten, wie nur Kinderaugen strahlen können. Ach, er war ja auch so wunderschön, dieser rote Luftballon, den Mucki am Faden hielt! Wie er hüpfte und schwebte, wenn Mucki sein Ringel-Ringel-Rosenkranz sang und tanzte und am Faden zupfte! Und wie herrlich die liebe Sonne auf den roten Ball schien,— nein, so viel Schönheit hatte Mucki noch nie beisammen gesehen. Und so schaute er denn auch weiter nichts als den roten Ball; höchstens einmal seine Eltern, wenn er eine kleine Tanzpause machte und ihnen dann den„ßönen Lust- mallon" zeigte. Der füllte gegenwärtig Muckis ganze Seele aus. Und die Eltern freuten sich mit ihm; freuten sich, daß sie aus dem Festtrubel da draußen ihrem Jungen ein„Glück" mitgebracht hatten in die Stille ihrer häuslichen Gemeinschaft. Und so gut es ihnen möglich war, sorgten sie dafür, daß Mucki die Freude möglichst lange erhalten blieb. Sie hatten ein Stückchen Holz unten an den Faden gebunden, denn Mucki verstand ja noch nicht, sein Glück festzuhalten, und der schöne Luftballon wäre ihm längst davongeflogen, wenn die Ellern dem Kerlchen nicht geholfen hätten. Mucki fing an, nach dem Ballon zu haschen. Er zog ihn am Faden herab und griff mit dem Händchen danach. Aber das war zu klein, um den Ballon zu halten, und bis das andere Händchen zu Hilfe kam, war der Ballon längst wieder entwischt. Doch Mucki ließ sich nicht beirren. Immer wieder versuchte er, den Ball zu ergreifen, und war schon glücklich, wenn er ihn mit einem Händchen berühren konnte. Und so drehte er sich, bis ihm schwindlig wurde und er in den Sand purzelle. Sobald er wieder aus den Füßchen stand, begann das Spiel von neuem,— wie wenn zwei Schmetterlinge im Liebesspiel durch die Lüste taumeln. Und die Sonne lachte dazu. Endlich hatte Mucki den Ballon erhascht. Mit beiden Händchen hielt er ihn, und sein Gesicht glänzte vor Glückseligkeit.„-- ßöner, ßöner Luftmallon!" jubelte er und drückte den Ball fest an sich.„Lieb! lieb!" Dann gab es einen leichten Knall:„paff!", und Mucki stand da, ratlos, entsetzt,— er schien das Furchtbare nicht fassen zu können. Sein Glück, sein schöner Lustballon, den er eben noch so lieb gehabt hatte: weg war alles. Das ging über Muckis Begriffe. Er suchte in der Lust, aber kein Ballon war dort zu sehen. Er weinte nicht, wie er sonst wohl tat, wenn ihm etwas Unliebsames widerfuhr. Er stand da, wie im Traume, mit offenem Munde und seufzte nur tief, so rührend, als ob ihm der ganze Inhalt seines kleinen Herzens auf und davongegangen wäre. Er schaute auf seine Händchen— auch die waren leer. Am Boden lag etwas Dunkelrotes, ein verhutzeltes Etwas, häßlich anzusehen. Das hatte auch nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem wundervollen Luftballon, und trotzdem— es war ein Faden daran und an diesem ein Stückchen Holz---. Als Mucki die häßliche rote Masse beschaute, kam er allmählich wieder zu sich. Er schüttelte sich flüchtig; dann lief er weinend zur Mutter und vergrub sein Gesichtchen zwischen ihren Knien. Mucki hatte die erste große Enttäuschung seines Lebens erfahren. o o o o Noch nicht! Sei wach!* Bon Franz Dtrdnlch. Sie hatten den Strick zu fest gespannt, den Strick, der gefesselt die Hände, Sie glaubten, daß er die schwielige Hand auf ewige Zeiten bände. Sie bürdeten zu riesige Last dem Voll auf den trotzigen Nacken, Sie glaubten, es wäre der Trotz verblaßt. So meinten den Leu sie zu packen, Den Leu, der so oft der Muskeln Gewalt gezeigt mit den zuckenden Pranken, Der gegen die Faust, die sie geballt, geschleudert des Rechts Gedanken. So oft! Und dennoch abermals! Nun rissen den Strick sie in Fetzen, Sie schüttelten nieder die Last vom Hals, sie wollten nicht länger den Schätzen Fronvögtischer Sippen ein Träger sein,«in Träger, den man verachtet, Und den man spottend mit einem Stein beschenkt, wenn er hungernd verschmachtet. Nein, länger nicht! Und es sprang der Zorn empor in des Elends Gefängnis, Und gellenden Notschrei stieß ins Horn verzweifelnd des Volkes Bedrängnis. O Volk, und nun? Du glaubtest schon die Stunde der Zukunft gekommen, Schon sähest im Geist du die Kerze der Fron zu niedrem Stumpfe verglommen. Wie schautest mit feurigen Blicken du.ins Angesicht Frauen und Kindern! Du recktest die Hand: Nun schaffen wir Ruh und Brot» den Hunger zu linder«, Ja, Brot für alle und Glück und Licht, ja sonnige« Schimmer den Hütten, Und schirmende Schwerter: das Morgen soll nicht, was heute wir gründen, zerrütten! O hättest du Kraft schon, Voll der Not, groß wie dein herrliches Wollen, Es wäre der Freiheit Morgenrot prachtglühend emporgequollen. Es hätte der Baum des Glücks sich gefüllt mit rauschenden Blätterloden, Du lägest nicht in Gram gehüllt aufs neue gefessell a« Boden. ES hätte vertriebe» der wärmende Süd den Eishauch des Elends gen Norden, Und der Frühling wäre hell aufgeblüht.... O wär' es doch Frühling geworden! O wär' eS geworden! Doch»ein, mein Herz, was tönst du klagend« Rhythmen! Ei ist nicht Zeit, noch Stunden voll Schmerz der Schlacht, der verlornen, zu widme». Fühlst du nicht zucken der Erde Grund, ein Regen, Rühren und Schwanken, Und liest nicht dein Auge von jedem Mund der Hoffnung kühnsten Gedanken? Horch aus! Schon rüttelt die Zukunft laut an der Menschheit Kerkergittern! Sei wach! Denn der Morgen des Tages graul, wo dennoch die Ketten zersplittern. " Aus„Die Hämmer dröhnen", Werdestimmen. Dresden , Verlag und Druck bei Kaden sc To._ «erantwortUch für die Redattton: Fr.»lara Z-Mn(Zundel), WUHelmshöd« Post Degerloch bei«tuttgari. Druck mW Verlag v»a Paul ewger w etuttgarr.
Ausgabe
19 (20.7.1908) 15
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