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Die Gleichheit

gewürdigt worden sind, ist das Frauenbureau erweitert und damit seine Arbeitsfähigkeit gesteigert worden. Die Unter zeichneten, die durch das Vertrauen der Genoffinnen auf diesen Poften berufen wurden, werden natürlich ihre ganze Kraft ein­setzen, sich dieses Vertrauens würdig zu zeigen. Ihre Tätigkeit kann jedoch nur dann zu einer für die Bewegung nutbringenden werden, wenn sie allerorts die treue, opferfreudige und begeisterte Unterstützung der Genossinnen finden. Zu dieser Unterstützung rufen wir euch hiermit auf. Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die proletarischen Massen nur durch eigene Kraft, durch ihre wachsende Bielklarheit und Macht imstande sind, sich zu befreien aus politischer Rechtlosigkeit und ökonomischer Knecht schaft, gilt es nunmehr mit verdoppelter Energie daran zu arbeiten, alle Glieder unserer Klasse einzureihen in die Kadres unserer Organisation. Vor allem müssen wir bestrebt sein, ihnen auch die Frauen zuzuführen, die Klassenkämpferinnen und Rekrutenerzieher für den Klassenkampf gleichzeitig sein sollen. Agitieren, organisieren, disziplinieren und theoretisch schulen: das sei deshalb auch für dieses Jahr unsere Parole. Darum Genossinnen: Vorwärts! Ans Werk!

Mit Parteigruß

Berlin , 1. Oftober 1908.

Ottilie Baader . Luise Zieß.

Die Arbeiterpresse wird um Abdruck gebeten.

*** Rückblick

auf die Nürnberger Frauenkonferenz.

Die fünfte Konferenz der sozialistischen Frauen zu Nürn berg hat gehalten, was wir von ihr erwarteten, sie hat ge­geben, was sie entsprechend den Fortschritten der proletarischen Frauenbewegung leisten konnte, und was sie im Hinblick auf deren weitere Entwicklung leisten mußte. Das ist der gute Gesamteindruck, den ein Rückblick über ihre Arbeiten hinter läßt, und den auch der und jener fleine Einzelzug nicht zu verwischen vermag, den wir anders, besser gewünscht hätten. Schon der Umstand allein, daß die Konferenz in verhältnis mäßig sehr beschränkter Zeit eine beträchtliche Fülle von Ar­beiten erledigen fonnte, legt Zeugnis davon ab, daß mit Fleiß und Eifer, aber auch mit Gewandtheit und kluger Selbst­beschränkung auf das sachlich Wichtige verhandelt worden ist. Die Erledigung der Tagesordnung hat nur vier Sigungen beansprucht, dazu noch eine Vorversammlung, welche der Er­örterung interner Angelegenheiten, wie der Regelung von Formalitäten und der geschäftlichen Behandlung der zu debat­tierenden Gegenstände gewidmet war, so daß die Konferenz nach ihrer offiziellen Eröffnung ohne großen Zeitverlust ihre Arbeiten beginnen konnte.

Wie die Dinge lagen, war es selbstverständlich notwendig, daß die praktische Arbeit der Genossinnen in den Verhand­lungen den breitesten Raum einnahm. Dank dem Reichs­vereinsgesetz stand die proletarische Frauenbewegung an einem Wendepunkt ihrer inneren Entwicklung. Die in zäher, ziel flarer Erziehungsarbeit gewonnene innere Einheit und Ge­schloffenheit, mit der sie zu der sozialdemokratischen Partei steht, gilt es fünftighin den Geboten grundsäglicher Überzeugung und praktischer Zweckmäßigkeit gemäß auch durch die äußere Einheit der gemeinsamen Organisation zu betätigen. Die prole tarische Frauenbewegung wäre nicht zu dem emporgewachsen und erstarft, was sie heute ist, wenn ihre Trägerinnen nicht verstanden hätten, die Klarheit und Festigkeit ihrer grundsäh­lichen Auffassung über den geschichtlichen Werdegang, über die soziale Frage und damit über das Ziel ihres Arbeitens und Kämpfens zu verbinden mit der unerläßlichen Beobachtung und Berücksichtigung der Wirklichkeit, innerhalb deren fie für ihr Ziel wirken müssen. Die Verbindung dieser beiden Wesenszüge, die für unsere sozialistische Frauenbewegung so charakteristisch ist, mußte auch entscheidend sein für die Prü­fung der Frage, wie sich in Zukunft die politische Organi

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fierung und die Arbeit der Frauen zu gestalten habe. Für ihre Mitgliedschaft in den Organisationen der Partei- das grundsätzlich zu verwirklichende Zielgalt es Bedingungen zu schaffen, welche den Genoffinnen ermöglichen, ihre Kräfte voll im Dienste und zum Nutzen der Sozialdemokratie und ihres hohen Jdeals zu betätigen. Es ist mit Händen zu greifen, daß dies nur geschehen konnte, wenn den tatsächlichen Verhältnissen ihr Recht wurde, die betreffs der weiblichen Eigenart wie betreffs der materiellen Lebens- und Tätigkeits­bedingungen des weiblichen Proletariats als geschichtliche Er­gebnisse vor uns liegen. Das trat in der Behandlung der Frage auf der Konferenz deutlich in die Erscheinung, und zwar in der wirksamsten, überzeugendsten Form, nämlich in der von lebensvollen, blutwarmen Erfahrungen. In der Tat: die seit­herige Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung, die Betätigung der Genoffinnen selbst ließ einen sicheren Stand­punkt zur Beantwortung der aufgerollten Frage gewinnen. Daher fügten sich auch die Beratungen der Konferenz über Punkt 1 und 2 der Tagesordnung zu einer inneren Einheit zusammen. Der Bericht, den Genossin Baader über ihre Tätig­feit als Vertrauensperson der Genoffinnen Deutschlands in den beiden letzten Jahren gab, breitete zusammen mit der sich daran schließenden ausgiebigen Diskussion ein reiches Erfahrungs­material aus, dessen logische, praktische Schlußfolgerungen die Verhandlungen und Beschlüsse zur Frage der Neuorganisation

zogen.

Es war ein hoffnungsreiches Bild gesunden, klassenbewußten proletarischen Lebens, einer vielseitigen Tätigkeit der Genos­finnen im Kampfe der Arbeiterklasse für ihre Befreiung, das Genossin Baaders Bericht entrollte, und das die einzelnen Debatterednerinnen und redner durch interessante Züge und wertvolle Fingerzeige für die weitere Arbeit der Genossinnen bereicherten. Die sozialistische Erkenntnis, die auch die be­scheidenste Alltags- und Kleinarbeit in ihrer Bedeutung für das unverrückbare Endziel des proletarischen Klassenkampfes richtig würdigt, bildete die gemeinsame Grundlage der geleisteten Arbeit. Aber auf dieser Grundlage welche Vielseitigkeit der Betätigung! Naturgemäß wurden in Genoffin Baaders Aus führungen mehr die allgemeinen großen Aktionen der prole tarischen Frauenbewegung als Ganzes hervorgehoben: die Be­teiligung der Genofsinnen an den Reichs- und Landtagswahlen, an den Wahlrechtskämpfen in Preußen und anderwärts, die ja auch dem vollen Bürgerrecht des weiblichen Geschlechts dienen, ihr Eintreten für ein wirklich freiheitliches Reichsvereins­gesetz, für den Ausbau der Arbeiterschutzgeseßgebung, für Ein­richtungen zugunsten von Mutter und Kind usw. usw. In den Debattereden kam dagegen mehr die besondere Arbeit der Ge­nofsinnen zur Geltung, die in den einzelnen Zentren unserer Frauenbewegung geleistet worden ist. Mit gesundem praktischem Sinn find die Genossinnen überall den Aufgaben näher­getreten, welche der werktätigen Bevölkerung lokal erwachsen sind, haben sie Fragen verschiedenster Natur, welche hier und da in den Vordergrund des Interesses gerückt wurden, zum Aus­gangspunkt einer intensiven, geschickten Agitation unter den proletarischen Frauen gemacht. So fand in den Ausführungen der Genoffinnen Kähler, Deuper, Nemiz, Eltmann und Greifen­ berg der Kampf zur Überwindung des fleritalen Einflusses auf die Proletarierinnen ein starkes Echo. Erklärlich genug. Die betreffenden Genoffinnen haben ihr Wirkungsgebiet in Rhein­ land- Westfalen und Bayern , wo der Klerikalismus seine ganze Kraft aufbietet, um mit Mißbrauch der religiösen Empfindungen in dem Unverstand der Massen" ein schützendes Bollwerk für die Herrschaft des Besitzes zu erhalten. Was Genosse Hente aus dem gut liberalen Bremen berichtete, was Genossin Winkelmann aus Frankfurt a. M., der Hochburg der bürgerlichen Demokratie, erwies flärlich, daß das sogenannte liberale Bürgertum und seine Parteien den Interessen und Forderungen der flaffenbewußten Proletarierinnen nicht minder feindlich gegenüberstehen, als die klerikalen Herren. Auf die große Kluft, welche die bürgerliche Frauenrechtelei, als einen Flügel des bürgerlichen Liberalismus, von den fämpfenden Proletarierinnen